7. Die Rolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Entwicklung
des Verwaltungsrechts
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Die Rolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Entwicklung des Verwaltungsrechts und insbesondere in der Entwicklung von Grundsätzen des Verwaltungsrechts ist in Deutschland wohl weniger offenkundig als etwa in Frankreich[154] und schwer quantifizierbar, aber sie ist nicht zu leugnen.
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Dies betrifft zum einen die Rolle, die Akteure aus der Verwaltungsgerichtsbarkeit außerhalb von Gerichtsentscheidungen mit Veröffentlichungen gespielt haben. So entstammt beispielsweise das berühmte, bis heute nachwirkende und Perspektiven prägende Diktum Fritz Werners (des langjährigen Präsidenten des BVerwG) vom Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht einem Fachaufsatz.[155] Über ihre Mitwirkung an der in Deutschland sehr verbreiteten Literaturgattung der rechtswissenschaftlichen Kommentare prägen Verwaltungsrichter nicht nur das Prozessrecht, sondern auch das materielle Verwaltungsrecht mit.[156]
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Aber auch durch Rechtsprechung ist das deutsche Verwaltungsrecht an maßgeblichen Stellen weiterentwickelt worden. Dies gilt jedenfalls für die Vergangenheit. Vieles vom heute kodifizierten Verwaltungsrecht ist zuvor von den Verwaltungsgerichten richterrechtlich ausgeformt worden. Manches wurde dabei von der Rechtswissenschaft aufgenommen, vielleicht sogar im Wechselspiel mit der Rechtswissenschaft weiterentwickelt. Im Bereich der Handlungsformen geht die Lehre vom Verwaltungsakt auf Friedrich Franz von Mayer und dann vor allem Otto Mayer zurück, sie wurde dann jedoch bis zur Kodifizierung (heute in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder, § 35 bzw. Art. 35 des jeweiligen VwVfG) gerichtlich vorangetrieben. Die Verwaltungsvorschriften wurden von Fritz Ossenbühl gleichsam entdeckt,[157] diese Entdeckung wurde in der Folge von den Gerichten angenommen und rezipiert.
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Manche Rechtsentwicklung geht aber auch originär auf die Verwaltungsgerichte zurück. Ein prominentes Beispiel für die richterrechtliche Rechtsfortbildung im Bereich des allgemeinen Verwaltungsrechts ist das Staatshaftungsrecht.[158]
§ 129 Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland › III. Die rechtlichen Grundlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kontext
III. Die rechtlichen Grundlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kontext
§ 129 Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland › III. Die rechtlichen Grundlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kontext › 1. Verfassungsrechtliche Grundlagen
1. Verfassungsrechtliche Grundlagen
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Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland enthält das Grundgesetz von 1949 eine Reihe wichtiger Grundlagenbestimmungen. Art. 20 Abs. 2 GG nennt die Rechtsprechung als dritte Gewalt und verleiht ihr damit eine eigenständige verfassungsrechtliche Kontur. Art. 20 Abs. 3 GG bindet die Rechtsprechung an Recht und Gesetz. Art. 92 GG spricht eine Bestandsgarantie der Dritten Gewalt aus.[159] Art. 97 Abs. 1 GG sichert die Unabhängigkeit der Richter. Art. 95 Abs. 1 GG sieht die Errichtung des BVerwG vor. Art. 19 Abs. 4 GG schließlich gewährleistet effektiven Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt als Grundrecht – dies ist gleichsam die Grundnorm des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Die Verfassung enthält damit bereits die wichtigsten Weichenstellungen. Durch Gesetz werden entlang dieser Vorgaben weitere Ausgestaltungen vorgenommen. Das gilt namentlich für die Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit und das Verfahren im Einzelnen.[160]
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Der berühmte Satz von Otto Mayer zum Verwaltungsrecht – „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“[161] – lässt sich für Deutschland nicht ohne weiteres auf das Verwaltungsprozessrecht anwenden,[162] weil trotz aller Kontinuitäten und Entwicklungslinien die Verfassungsbindung des Rechtsschutzes gegen die Verwaltung in Deutschland insbesondere mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG 1949 neu einsetzt. Auf das Verwaltungsprozessrecht übertragen lässt sich – für Deutschland – sehr viel besser der Ausspruch von Fritz Werner vom Verwaltungsrecht als konkretisiertem Verfassungsrecht[163]: Auch das Verwaltungsprozessrecht konkretisiert Verfassungsrecht.[164]
§ 129 Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland › III. Die rechtlichen Grundlagen der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kontext › 2. Die Institution – Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit
a) Aufbau der Spruchkörper
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Die Frage nach dem Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit berührt unterschiedliche Dimensionen. Neben den Mikrostrukturen der Spruchkörper (Einzelrichter, Kammern, Schöffen etc.) spielt dabei die allgemeinere Stellung der Richter und ihre Einbindung in größere Zusammenhänge – wie etwa die Unterstellung unter ein bestimmtes Ministerium – eine Rolle.
aa) Verwaltungsgerichte
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Die erste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit bilden in Deutschland 51 Verwaltungsgerichte.[165] Sie sind Einrichtungen der Länder, ihre gesetzliche Grundlage finden sie indessen im Bundesrecht (§§ 1, 2 VwGO). Sie entscheiden gem. § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO grundsätzlich in Kammern in der Besetzung von drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO), sie werden auch nicht mit einem Einzelrichter zusammen tätig.[166] Die Übertragung auf einen Einzelrichter soll nach § 6 VwGO der Regelfall bei rechtlich und tatsächlich einfachen Fallgestaltungen sein. Nach § 87a Abs. 2 bzw. Abs. 3 VwGO kann mit Einverständnis der Beteiligten der Vorsitzende oder der Berichterstatter anstelle einer Kammer entscheiden. In der Praxis ist der Einzelrichter heute die Regel, die Kammerentscheidung die Ausnahme.
bb) Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe
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Auf der zweiten Ebene bestehen in Deutschland derzeit 15 OVGs.[167] In jedem Bundesland besteht ein solches Gericht, nur Berlin und Brandenburg haben seit einiger Zeit ein gemeinsames OVG. In Bayern, Baden-Württemberg und Hessen heißen die OVGs aus historischen Gründen „Verwaltungsgerichtshof“ (VGH). OVGs und VGHs sind Einrichtungen der Länder, ihre gesetzliche Grundlage findet sich in §§ 1, 2 VwGO und den entsprechenden Ausführungsgesetzen der Länder.[168] Sie entscheiden gem. § 9 Abs. 2, 3 VwGO in der Regel in Senaten durch drei Richter.[169] § 12 i.V.m. § 11 VwGO sieht die Entscheidung durch einen Großen Senat vor, soweit über eine Frage des Landesrechts endgültig entschieden wird.
cc) Bundesverwaltungsgericht
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Das BVerwG mit Sitz in Leipzig[170] ist das oberste deutsche Verwaltungsgericht. Es ist eine Einrichtung des Bundes, in Art. 95 Abs. 1 GG auf verfassungsrechtlicher Ebene bereits vorgesehen und in § 10 VwGO näher ausgestaltet. Das BVerwG entscheidet im Senat mit fünf Richtern, bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung durch drei Richter. Es bestehen zehn Revisionssenate und zwei Wehrdienstsenate. § 11 VwGO sieht einen Großen Senat vor.[171] 55 Richter sind am BVerwG tätig.[172]
dd) Stellung der Richter