Lidwicc Island College of Floral Spells. Andreas Dutter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andreas Dutter
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783959915700
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Zu teuer, sagte mein Gehirn. Mein Herz schrie: Das habt ihr euch nach der Aufregung verdient. Außerdem habt ihr das Geld gerade eh wieder jemandem geklaut, ihr Unbelehrbaren!

      Mit einem beherzten Sprung von der Backsteinmauer landete ich auf dem Gehweg vor der byzantinischen Kirche, die gegenüber eines neuen Einkaufszentrums stand. In Thessaloniki roch man quasi, wie sich Antike und Moderne die Hand gaben.

      Die Tüte in Daphnes Hand raschelte, als sie ebenfalls neben mir aufkam und wir über die Straße eilten. Zum Glück hatten wir die Sachen vom Kioskgott abgeholt. Als wir auf der anderen Seite angekommen waren, spazierten wir unter dem uralten Galeriusbogen hindurch. Das spätrömische Relikt stellte sich meistens als idealer Platz zum Betteln heraus, da der Triumphbogen ein Touristenmagnet war. Schade nur, dass es nie lange dauerte, bis die Polizei einen vertrieb.

      »Zur Seite, Margo. Die machen da ein Selfie.« Daphne zeigte zu einem Pärchen und ich huschte sofort zur Seite.

      »Sygnómi.« Das Pärchen betrachtete mich verwirrt, also mussten es Touristen sein. »Sorry«, schrie ich übersetzt hinterher.

      »Hach, ist die süß.« Daphne sah dem Mädchen mit den asch-blonden Haaren nach, als ich sie bereits vorwärts drängte. »Ob ich auch jemals eine Freundin haben werde?«

      »Klar, irgendeine von der Straße, vielleicht findest du sogar eine, die nicht durchgeknallt ist.« Ich war in Höchstform, positiv und optimistisch wie eh und je. »Wer will schon jemanden von der Straße?«

      »Na, danke auch. Kannst du nicht irgendetwas machen? So als Zauberin?«

      »Daph.« Wie oft sollte ich noch erwähnen, dass ich nie wieder darüber sprechen wollte. Denn: Sprach man nicht darüber, war es auch nicht passiert.

      »Wir können das nicht totschweigen.«

      Ich beschleunigte meine Schritte. Daphne ließ sich nicht ablenken. Nicht mal als ich runter zum weißen Turm eilte, der sich vor dem Meer auftat. Überall lagen Studierende, genossen den Tag, warfen sich Getränkedosen zu und lachten zu Handyvideos.

      »Ich Sin Boy-e dich.«

      Abrupt hielt ich an und drehte mich zu Daphne, die mich mit in die Hüften gestemmten Händen ansah. Ihre Augenbrauen zog sie beide hoch, weil sie nicht nur eine heben konnte.

      »Das machst du nicht.« Das war unser geheimer Quasi-Zauberspruch. Sie nutzte unser Geheimwort, um sich einmal im Jahr etwas von der anderen zu wünschen, dafür? Nun zog sie da auch noch unseren griechischen Lieblingsrapper Sin Boy mit rein.

      »O doch.« Die Sonne ging gerade unter, als das orangerote Licht auf Daphnes Gesicht fiel und sie in einem wunderschönen Ton zeichnete. Jetzt tat es mir leid, ihr gesagt zu haben, sie würde nie eine Freundin finden, die nicht auf der Straße lebte, träumte sie doch davon, von hier wegzukommen. (Weg von mir?) Diesen Anblick von Daphne würde ich hoffentlich mein Leben lang als verblasstes Bild in mir tragen.

      »Fein. Was genau willst du von mir?«

      »Du versuchst das mit der Magie nochmal.« Wie bei einer Verschwörung sah sie sich um, damit uns auch niemand hörte.

      Konnte ich mich da noch rauswinden? Vermutlich eher nicht. Ein langes, dramatisches Seufzen kam als Antwort aus mir. »Bitte. Dann gehen wir nach Hause.«

      Wenn Daphne noch länger im Kreis lief, würde sie unseren Unterschlupf durchbohren. Damit mich kein Schwindel überkam, drehte ich mich von ihr weg und blickte aus dem nicht vorhandenen Fenster des Rohbaus. Der harte Beton drückte sich in meine Unterarme, als ich mich dagegen lehnte. Selbst der Geruch von Zement hing noch in der Luft. Für unser ständiges Umziehen kam es mir jedoch gelegen, dass die Leute überteuerte Kredite zum Häuserbau bekamen, die sie dann irgendwann nicht mehr begleichen konnten und mitten im Bau stoppen mussten. Überall in Nordgriechenland ragten die halb-fertigen Rohbaugebäude mitten in der Pampa hervor, die ich liebevoll unsere Villen nannte.

      Der Sternenhimmel erstreckte sich über Thessaloniki und ich sah über die ganze Stadt, bis zum Meer hinunter. Dort fing das Wasser das Glitzern des Nachthimmels auf, verzerrte es und rahmte das Mondlicht ein, das über der Oberfläche tanzte.

      »Lass uns doch wieder in den Keller abhauen und schlafen gehen. Hier oben ist es ziemlich windig.« Hoffnungsvoll wartete ich auf ein Ja von Daphne.

      »Okay, du kannst kein Feuer machen, fliegen willst du nicht probieren …« Aus nachvollziehbaren Gründen! »Und schweben lassen kannst du auch nichts.«

      »Ich habe dir doch gesagt, ich bin keine Hexe. Wer weiß, was wir uns da zusammengereimt haben.«

      »Genau, beide haben wir uns gleichzeitig dasselbe eingebildet.« Daphne folgte mir mit ihren Argumenten bis in den Keller.

      Dort empfingen uns unzählige Kerzen in Flaschen, in Löchern am Boden, auf Tellern, in Tassen oder Teekannen und eine Regenbogenwand aus zusammengeklebten Fertigcroissantverpackungen. Hatte ich erwähnt, dass Daphne die liebte? Das Licht des Feuers brach sich auf den bunten, spiegelnden Verpackungen. Mein Liebling war allerdings der stinkende, uralte, orientalische Teppich, den ich von einer Wäscheleine bei unserem Ausflug in Kallithea geklaut hatte.

      »Vielleicht eine dieser komischen, unerklärlichen Begebenheiten. Sowas gibt es doch.« Müde ließ ich mich zurückfallen. Die Matratze quietschte und bohrte mir wie gewohnt ihre Federn in den Rücken. Ohne sie schlafen? Konnte ich gar nicht mehr. Gezielt packte ich meine bronzefarbene Kette, die auf dem Nachttischeimer lag und machte sie mir um. Das einzige Teil, das ich, seitdem ich denken konnte, besaß. Ein Teil meiner Vergangenheit. Etwas, das eine Geschichte besaß, die mir verschlossen blieb und mir, könnte es nur sprechen, sagen könnte, woher ich kam. Wer ich war.

      »Da muss mehr dahinter sein.« Daphne legte die Klamotten zusammen, die wir gestern im Waschsalon gewaschen hatten. Zum Glück waren wir heute sogar in die Sporthalle gekommen, da der Aufpasser nach dem Rauchen die Hintertür wieder nicht verschlossen hatte. Wie ich eine heiße Dusche liebte.

      Daphne schnappte sich die Gabel, auf die sie einen Rasierkopf gesteckt hatte, und rasierte sich ein paar Härchen von den Ober-armen weg.

      »Wir müssen das weiter beobachten.«

      Daphne eilte an unserer Feuerstelle, über der ein umgekippter Einkaufswagen lag, den wir als Grillrost verwendeten, und holte unser Moskitonetz von der Truhe dahinter hervor. Es wunderte mich jeden Tag, wie Daphne den Einkaufswagengrill so sauber halten konnte.

      »Warum hast du dir ein Erdbeercroissant genommen?«, fragte sie, als sie die Tüte ansah. »Du magst die doch nicht.«

      »Ich weiß, aber es ist deine Lieblingssorte, die du dir fast nie kaufst, um die neuen Varianten auszuprobieren.«

      »Ach, Margo. Ich kann auf mich achten. Danke. Und du leiste lieber deinen Beitrag und lern besser hexen.«

      Dieses Versteck gefiel mir besser als das davor. Ich verfolgte die batterie-betriebene bunte Lichterkette, die sich über den Keller erstreckte, startend bei der Croissantmauer und endend über dem Palettenstapel, der unsere Couch sein sollte. Auf ihm lag der uralte Laptop, den wir gerettet und beim eineinhalb Augen Eric – fragt nicht – aufpoliert hatten. Es reichte zumindest, um geklaute DVDs zu gucken.

      »Was erwartest du von mir, dass ich mit den Fingern schnippe und es erscheint ein Geldkoffer?« Ich verschränkte meine Hände hinter meinem Kopf und gähnte laut. Dieser Tag würde mir länger in den Knochen stecken. Nur langsam legte sich die Anspannung, die sich hartnäckig in mir hielt.

      »Zum Beispiel. Du musst schon ein wenig – Machst du die Füße kurz hoch? – mitarbeiten.«

      Gesagt, getan. Daphne warf das Moskitonetz über den Haken.

      »Willst du das echt jeden Tag aufs Neue machen?«

      »Wir haben nur das eine und wenn sich tagsüber ein Tier darin verhakt, ist es kaputt. Und: Lenk nicht ab.«

      Ich