Soll dieses Gemeinsame durchgängig greifbar sein und auch einen Beitrag zur Hebung des Selbstwertgefühls kirchlicher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen leisten, wäre es vorteilhaft, wenn die Betroffenen selbst bei der Festlegung der von ihnen zu beachtenden Loyalitätsverpflichtungen beteiligt wären und es für sie Mitsprachemöglichkeiten gäbe. Damit würde sich nicht nur die Versteh- und Nachvollziehbarkeit dieser Obliegenheiten erhöhen, in deren Ausbuchstabieren würde auch noch einmal die gemeinsame Verantwortung für das gemeinsame Handeln unterstrichen.
Eine Stärkung des Gemeinsamen bzw. der Teilhabe an selbigem würde auch ein Überdenken des Terminus „Dienstgemeinschaft“ bedeuten. Es lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass der bisherigen Fassung dieses Begriffs ein gewisses Gefälle zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern inhärent ist, das seiner eigentlichen Zielrichtung zuwiderläuft. Während in dieser Dienstgemeinschaft die kirchlichen Arbeitnehmer Loyalitätsobliegenheiten zu beachten haben, ist dies bei den kirchlichen Arbeitgebern die Fürsorgepflicht gegenüber den kirchlichen Arbeitnehmern. Damit entsteht der Eindruck, als hätten die kirchlichen Arbeitgeber anders als die kirchlichen Arbeitnehmer keine Loyalitätspflichten gegenüber dem Sendungsauftrag zu erfüllen. Die Idee der Dienstgemeinschaft von kirchlichen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als gemeinsamem Dienst (wenn auch mit verschiedenen Rollen und Aufgabenstellungen) am Sendungsauftrag wird damit letztlich ad absurdum geführt. Es bedarf sicherlich noch mannigfacher Überlegungen zur genaueren Fassung von Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitgeber gegenüber dem Sendungsauftrag der Kirche. Doch auch wenn dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, drängt nicht minder die Zeit, sich dieser Aufgabe zu stellen. Wie diese Aufgabe drängt, wird in unseren Tagen umso deutlicher, je mehr jene Verhaltensweisen von Vertretern der kirchlichen Arbeitgeberseite die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Handelns als Ganzes in Frage stellen und damit auch kirchliche Arbeitnehmer unverschuldet gesellschaftlich in schwere Bedrängnis bringen. Natürlich muss es dann bei einem solchen Klärungsprozess bezüglich der Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitgeber auch darum gehen, auszubuchstabieren was es bedeutet, wenn jene Arbeitgeber gegen die für sie relevanten Loyalitätsobliegenheiten verstoßen.
V. Zukünftiges
Die gerade im vorhergehenden Abschnitt benannten Punkte, die es notwendigerweise für eine Erneuerung des kirchlichen Arbeitsrechts zu bedenken, zu diskutieren und auszuführen gilt, sollten dazu beitragen, kirchliches Arbeitsrecht weder zu unterschätzen noch zu überschätzen.
Kirchliches Arbeitsrecht „nur“ als Paragraphenwerk zu sehen und diesbezügliche Veränderungen hauptsächlich als Wortklauberei zu klassifizieren, würde ein Unterschätzen bedeuten. Kirchliches Arbeitsrecht und die damit eng zusammenhängende konkrete Organisation von Arbeitsverhältnissen hat Teil am Zeichen- und Werkzeugcharakter der Kirche selbst. An der Art und Weise wie die Kirche die Arbeitsverhältnisse organisiert, zeigt sich, was ihr wichtig ist; zeigt sich, was mit der Formulierung Auferbauung des Reiches Gottes gemeint ist; erweist sich, was dieses Reich Gottes ist. Zugleich aber verändert die Kirche mit ihrer exemplarisch vorgelebten Organisation kirchlicher Arbeitsverhältnisse tatsächlich schon ein Stück weit real die Arbeits- und Lebensverhältnisse; Ist die Kirche Werkzeug für die Veränderung der Welt im Sinne der Auferbauung des Reiches Gottes, motiviert sie mit ihrem Beispiel schon jetzt andere, es ihr gleich zu tun, setzt sie Veränderungsbewegungen in Gang. Im Umkehrschluss bedeutet dies dann aber auch: Eine im Sinn der katholischen Soziallehre unangemessene Gestaltung kirchlicher Arbeitsverhältnisse widerspricht dem Wesen der Kirche selbst als Zeichen und Wirkung für die Veränderung der Welt im Sinne des jesuanischen Sendungsauftrags.
Eine Überschätzung kirchlichen Arbeitsrechts würde es bedeuten, wenn davon ausgegangen wird, eine juristische Auseinandersetzung bzw. Beschäftigung mit den in diesen Überlegungen angesprochenen Punkten wäre ausreichend. Es bedarf dringend einer adäquaten Einstellungs-, Haltungs- und Blickrichtungsänderung! Theologen sollten die Einstellung zum kirchlichen Arbeitsrecht insofern ändern, als sie es als ihre ureigene Angelegenheit annehmen und bearbeiten. Dienstgeber- und Dienstnehmer sollten insofern eine Haltungsänderung anstreben, als sie sich zunehmend ihres gemeinsamen Auftrags bewusst werden und davon wegkommen, das im weltlichen Bereich übliche Gegenüber von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im kirchlichen Bereich nur mit leichten Modifikationen einfach widerzuspiegeln. Die Gesetzgeber kirchlichen Arbeitsrechts sollten ihre Haltung dahingehend ändern, dass sie ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf den in Frage stehenden Regelungsgegenstand lenken, ohne sich im Klein-Klein juristischer Formulierungen zu verlieren, für die sie im Zweifelsfall sowieso nicht ausreichend eigenständig qualifiziert sind.
Letztendlich bleibt es abzuwarten, ob eine Erneuerung des kirchlichen Arbeitsrechts entlang den aufgezeigten Linien eine Wirkung entfaltet, die sich an dieser Aussage festmachen lässt: Menschen möchten in ein kirchliches Arbeitsverhältnis nicht trotz, sondern wegen des kirchlichen Arbeitsrechts eintreten. Und sie möchten dies deshalb, weil das kirchliche Arbeitsrecht eine Vision von Arbeit durchscheinen lässt, die diese sinnvoll erfahrbar macht; Freiräume für Selbstermächtigungsprozesse im Modus des Verstehens eröffnet; die Individualität der Arbeitenden differenziert zum Tragen bringt; Beteiligungs- und Mitspracherechte zuspricht, die es anderswo vielleicht so nicht gibt und eine gleichberechtigte Teilhabe an einer Gemeinschaft ermöglicht, von der man in anderen Kontexten nur träumen kann. Ein so erneuertes kirchliches Arbeitsrecht würde sicherlich auch zur Glaubwürdigkeit der Kirche selbst beitragen, weil sie auf diese Weise belegen könnte, dass das, was sie nach außen verbindet und dort von Anderen fordert, in ihrem Inneren eindeutig verwirklicht wird.
3 Für die deutsche Ausgabe: Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden (2006) Kompendium der Soziallehre der Kirche, Freiburg im Breisgau: Herder, hier v.a. S. 199 – 239.
Kollektive Konflikte in kirchlichen Einrichtungen
Hat sich die Rechtslage seit 2012 weiterentwickelt?
Klaus Bepler
Norbert Feldhoff war als Vize-Präsident des Deutschen Caritasverbandes und Vorsitzender der Arbeitsrechtlichen Kommission eng mit den rechtlichen und vermutlich auch mit den gelegentlichen menschlichen Problemen des Dritten Weges befasst. Wie ich ihn in anderen Zusammenhängen kennen gelernt habe, bin ich sicher, dass er dort höchst kompetent, sachbezogen und zielorientiert gearbeitet, dabei aber nie das praktische Gebot der Nächstenliebe und den Humor aus den Augen verloren hat. Er hat also auch dort so gehandelt, wie man sich als Christ einen modernen Priester in der Welt wünscht. Es ist deshalb nicht ganz unproblematisch, aber hoffentlich vertretbar, ihm einen Beitrag zu widmen, der sich mit einem Bereich befasst, in dem notwendige und in aller Regel fruchtbare Konflikte nicht intern, „lautlos“, bewältigt werden können: Es soll um die rechtlichen Bedingungen für die kollektive Konfliktaustragung und Konfliktbewältigung in kirchlichen Einrichtungen gehen, in denen Arbeitnehmer beschäftigt werden, und darum, ob und wie sich die Rechtslage seit der Rechtsprechung zum Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen aus dem Jahre 2012 entwickelt hat.
I. Kirchenautonomie und staatliche Rechtsordnung
Es ist das Recht jeder Gruppe von Menschen, sich zu organisieren und für die Bewältigung ihrer internen Konflikte Wege vorzusehen, die sie für richtig