Der Weg von einer kirchlichen Konstitutionsstruktur, bei der vorgegebene Gemeinschaftsformen ihre Aufgaben suchen, zu einer Konstitutionsstruktur, deren Basis aufgabenbezogene, selbstlose Vergemeinschaftungsformen bilden, scheint die aussichtsreichsten Perspektiven zu bieten.
Das zentrale Merkmal vernetzter sozialer Strukturen ist die grundsätzliche Gleichrangigkeit der Vernetzungsknoten, die aufgabenbezogene Vernetzungsflexibilität und die weitgehende Vernetzungsautonomie, also das weit reichende Recht der einzelnen Orte, die eigenen Vernetzungsstrukturen selbst zu knüpfen und zu lösen.354 Die territoriale Fassung der kirchlichen Basisorganisation wird dann zentrales Element einer selbstlosen Angebotsstruktur der christlichen Botschaft, die auch dorthin geht, wo die Kirche endgültig alle religionsgemeinschaftliche Macht verloren hat. Der theologische Begriff für dieses selbstlose Angebot der Nähe Gottes in Wort und Tat aber heißt Gnade.355 Die bleibenden Aufgaben der Territorialpfarrei wären daher gnadentheologisch zu reformulieren.
6 Eine Perspektive für das Priestertum in der Gemeinde
Es bleibt noch die Frage nach einer Perspektive für das Weihepriestertum unter den Bedingungen der irreversiblen Freisetzung zu religiöser Selbstbestimmung, nach dem Scheitern der Gemeindetheologie und im Horizont der konziliaren Volk-Gottes-Ekklesiologie.
Die zentrale Frage lautet dabei: Wie kann das Weihepriestertum seine unverzichtbare Aufgabe im Volk Gottes jenseits seiner bisherigen massiv macht- und sanktionsgestützten Form erfüllen? Wie kann das geschehen, konkret erfahrbar, praxisrelevant und tatsächlich als Gnade für ihre Träger, die Priester, wie für das übrige Volk Gottes?356
Nun sollte die innere Struktur der Kirche und ihrer einzelnen pastoralen Orte widerspiegeln, was sie in ihrer pastoralen Praxis verkörpern. Von daher wäre auch die Stellung des Weihepriestertums in der Gemeinde neu und primär gnadentheologisch zu entwerfen. Das würde auch der spezifischen Funktion des Weihepriestertums im Volk Gottes entsprechen. Wenn sich nämlich, wie Ottmar Fuchs formuliert, „die Kirche insgesamt der Gnade Gottes verdankt und damit seiner ‚Diakonie‘ den Menschen gegenüber, dann darf es als Spezifikum des Weiheamtes angesehen werden, genau dieser Vorgegebenheit Wirkung und Gestaltung zu ermöglichen.“357
Müsste dann nicht gerade die priesterliche Hierarchie im gegenwärtigen epochalen Transformationsprozess der kirchlichen Sozialformen für das radikale Vertrauen auf die Gnade Gottes in und mit seiner Kirche stehen? Müsste dann nicht gerade das Weihepriestertum für den von ihr und an ihr selbst gewagten Wandel stehen? Wäre das nicht gerade Teil seiner priesterlichen Aufgabe?
Es gibt in der Kirche, so Elmar Klinger, „eine jurisdiktionelle Ordnung und eine sakramentale Ordnung. Die jurisdiktionelle Ordnung ist standespolitisch bestimmt. Sie ist eine Standesordnung.“ Diese aber, so Klinger völlig zutreffend, „hat ihre Transparenz und Allgemeingültigkeit eingebüßt. Das Standesbewusstsein trägt wenig aus und geht fast überall verloren“. Das Verhältnis von Jurisdiktion und Sakramentalität habe „eine Geschichte und wurde in ihr sehr unterschiedlich gefasst.“358
Diese Geschichte ist nicht geschlossen, sondern offen. Vielleicht stehen wir vor einer neuen Etappe dieser Geschichte und vielleicht ist der c. 517 § 2 so etwas wie die flirrende Irritation im Alten, deren Hauptfunktion darin besteht, die Vorläufigkeit des Bestehenden zugleich kunstvoll zu verstecken wie ahnen zu lassen.
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