BERNE hat eine ganze Sammlung solcher typischen psychologischen Spiele zusammengetragen (BERNE 1970). Er formulierte Grundideen, auf denen einzelne Spiele möglicherweise beruhen und welche typischen Wirklichkeiten sie erzeugen. Aufgrund solcher Überlegungen eröffnen sich Möglichkeiten, Alternativstrategien zu entwickeln. Sofern psychologische Spiele in der Beziehung zu einem Transaktionsanalytiker initiiert werden, kann er diese entweder durch Alternativstrategien durchkreuzen und andere Beziehungswirklichkeiten etablieren. Oder er kann die gewohnten Beziehungsangebote des anderen und die ihnen zugrundeliegenden intuitiven Erwartungen und Beurteilungen zum Gegenstand einer Klärung machen. Die Transaktionsanalyse hat für solche Situationen ein ganzes Inventar von Kommunikationsmanövern entwickelt, die in der Praxis angewendet und in der Weiterbildung gelehrt werden.
Intuitionen können also richtig oder falsch sein, treffend oder fehlgewichtet bzw. fehlgeleitet. Sie stehen im Dienst einer beglückenden oder auch problematischen, ja sogar gefährlichen Lebensgestaltung. Eigene unbewusste Neigungen, transaktionale Einladungen oder Beiträge zu Spielen anderer können jedoch erkannt und verändert werden. Es ist möglich Intuition zu »reinigen« und zu entwickeln. Dadurch kann diese hochkomplexe und integrative Orientierungs- und Steuerungsfunktion wieder ganz in den Dienst schöpferischer und konstruktiver Beziehungsgestaltungen gestellt werden. Soweit Intuition professionelles Handeln steuert, muss sie kontext- und rollenspezifisch qualifiziert werden.
2.2.4 Ausbeutungs- und Symbioseaspekte von Beziehungen
Von ENGLISH (1976 und 1981) stammt das Konzept des Racketteering, des Ausbeutungsverhaltens in Beziehungen. Es werden z.B. Gefühlsäußerungen unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob und wie sie dazu dienen, die Aufmerksamkeit, die Hilfsbereitschaft, die Hingabefähigkeit oder andere Talente des Gegenübers für sich unter Beschlag zu nehmen. Dies kann dann als ausbeuterisch betrachtet werden, wenn es nicht auf abgeklärten Beziehungsvereinbarungen beruht und daraus nicht für alle Beteiligten Nutzen entsteht. ENGLISH hat typische Beziehungsmuster zwischen der »übersicheren« Position und der »hilflosen« Position in solchen Beziehungen beschrieben.
Der Betrachtung des Ausbeutungsaspekts in Beziehungen ist das Konzept der dysfunktionalen Symbiosen (SCHIFF et al. 1975) bzw. entsprechender Haltungen ähnlich. Von einer dysfunktionalen Symbiose spricht man dann, wenn man bei der Betrachtung einer Beziehung zu dem Schluss kommt, dass Verantwortung oder Unbehagen (als Folge der Nichtübernahme von Verantwortung) zwischen den Beteiligten verschoben wird. Dies kann Lebensgestaltung und Entwicklung in der Beziehung behindern. Unter diesem Gesichtspunkt kann man dysfunktionale symbiotische Beziehungen auch definieren als Beziehungen, innerhalb derer die Beteiligten ihr persönliches Potenzial nicht zum Ausdruck bringen oder nicht entwickeln (SCHMID 1986c).
SCHIFF und ihre Mitarbeiter untersuchten dysfunktionale Symbiosen im Zusammenhang mit dem Versuch, psychotisches Verhalten zu verstehen und im Rahmen von psychotherapeutischen Beziehungen zu behandeln. In ihrem Kathexis-Institut wurden psychotische Patienten durch therapeutische Eltern-Kind-Beziehungen behandelt. Dabei wurden sogenannte passive Verhaltensweisen studiert, die dazu dienten, andere in dysfunktionalsymbiotische Beziehungen zu nötigen oder sie darin festzuhalten.
2.2.5 Beziehungen und das Strukturmodell der Persönlichkeit
Werden Beziehungen und die Transaktionen, über die sie gelebt werden, näher untersucht, kann es aufschlussreich sein zu fragen, welche Teilpersönlichkeit in welcher Weise daran beteiligt ist. Man untersucht dann, wer innerhalb der Personen als Absender von Botschaften, auf die andere Menschen reagieren, betrachtet werden könnte. In diesem Erklärungsrahmen kann man sich vielschichtige Beziehungen vorstellen, bei denen verschiedene Teilpersönlichkeiten auf verschiedene Arten miteinander Kontakt aufnehmen.
Bildlich gesprochen kann man sich eine ganze Beziehungskonferenz vorstellen, wenn zwei Personen miteinander sprechen. Zum Beispiel könnten zwei Erwachsene versuchen in angemessener Weise miteinander umzugehen, während jugendliche Kind-Ich-Zustände miteinander ums Besser-Können konkurrieren oder miteinander einen Flirt beginnen. Innere Väter, Mütter, Lehrer oder andere frühere Bezugspersonen könnten durch Meinungen, emotionale Reaktionen oder Handlungen zum Geschehen beitragen wollen. Die inneren Väter zweier Gesprächspartner könnten dabei auf eine rein formale Beziehung höchsten Wert legen, während die Mütter genüsslich eine Romanze fördern. Dies wiederum könnte bei den jugendlichen Persönlichkeitsanteilen beider Gesprächspartner irritierte Reaktionen hervorrufen.
Als Ausdrucksmittel stehen den Teilpersönlichkeiten das Ausdrucks- und Empfindungsvermögen ein- und derselben Person zur Verfügung. Deren Ausdrucksverhalten und Beiträge zur Beziehungsgestaltung kann man sich als zumindest vielschichtig vorstellen. Dies kann von den Personen selbst und ihren Partnern als irritierend erlebt werden. Insbesondere dann, wenn die Erwachsenen-Ich-Zustände der Beteiligten keinen entscheidenden Einfluss auf die Integration und Steuerung der Teil-Persönlichkeiten bei der Beziehungsgestaltung nehmen.
Einem Transaktionsanalytiker hilft eine geschulte Intuition, Vermutungen über solche Zusammenhänge anzustellen und sie zur Grundlage seiner diagnostischen Annahmen zu machen. Transaktionsanalytiker lernen solche Überlegungen in ihre Kommunikationsstrategien und Beziehungsgestaltungen mit einzubeziehen; was nicht heißt, dass sie ausdrücklich Gesprächsgegenstand werden müssen. Das explizite Wissen und der geschulte intuitive Umgang mit diesem Geschehen dient häufig hauptsächlich dazu, sich in professionellen Situationen möglichst wenig in störenden Kommunikationsbeziehungen zu verfangen. Statt dessen versucht man, den gegenwarts- und zukunftsbezogenen Wirklichkeitsbezug von Klienten sowohl in der Beziehungsgestaltung als auch in der inneren Organisation optimal zu fördern.
Bei aller Faszination solcher psychologischer Betrachtungen soll nicht vergessen werden, dass sie nur einen Teil der Möglichkeiten abdecken, Beziehungsaspekte und Transaktionen zu beschreiben.
2.2.6 Beziehungen und Funktionen
Bei der Zuordnung und Analyse von Transaktionen kann man verschiedene Funktionsaspekte und ihr Zusammenwirken in der Beziehungsgestaltung betrachten. Häufig interessiert die Ausdrucksqualität einer Äußerung oder die Frage, wozu sie einlädt – unabhängig davon, wie man sich die Zuordnung in einem System von Teilpersönlichkeiten vorstellt. Funktionsbetrachtungen haben ihren eigenen Nutzen und müssen je nach Fragestellungen, die mit ihnen beantwortet werden sollen, ausgewählt werden.
Sehr verbreitet ist ein ursprünglich mit dem Strukturmodell in Verbindung gebrachtes Unterscheidungsraster, welches fünf Ausdrucksqualitäten und eingenommene Haltungen in der Kommunikation unterscheidet. Man fragt sich, ob eine Transaktion und die ihr möglicherweise zugrunde liegende Haltung erstens als frei und unbefangen oder zweitens als beflissen bzw. rebellisch-angepasst eingeschätzt wird. Drittens werden die als kritischwertend erlebten Transaktionen von denen unterschieden, die viertens als freundlich-fürsorglich empfunden werden. Schließlich gibt es eine fünfte Kategorie, in der keines der vier vorgenannten Merkmale besonders, statt dessen aber Sachlichkeit betont scheint.
Haltungen und Wirkungen solcher Unterscheidungen werden je nach Notwendigkeit weiter ausdifferenziert, spezifiziert oder verändert. Erstaunlich häufig sind jedoch diese einfachen Grundkategorien für Verhaltensbeschreibungen ausreichend. Man kann z.B. feststellen, dass ein Berater seinen Klienten relativ schlecht erreicht, wenn er ihm mit einer nörglerisch-kritischen Haltung begegnet. Eine solche Haltung kann vom Berater unbemerkt in der Stimme, in der Mimik und Gestik zum Ausdruck kommen, auch wenn der Inhalt anders lautende Botschaften transportiert. Hilfreich für den Berater ist es dann, sich darin zu üben, andere Ausdrucksqualitäten in seiner Kommunikation zu verwenden und damit Beziehungen anders zu gestalten. Dies verbessert oft die Chance, die durch die Inhalte der Äußerungen beabsichtigten Wirkungen auch zu erzielen.
2.2.7