Sherlock Holmes und die ägyptische Mumie. Tibor Zenker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tibor Zenker
Издательство: Bookwire
Серия: Die neuen Fälle des Sherlock Homes / Von Tibor Zenker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783990015032
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und die drei Schwiegersöhne von Marx über die Mauern in den Ostteil des Friedhofes. So umgingen sie den Tunnel und überraschten die lauernden Attentäter, die tatsächlich nur zu zweit waren, von hinten. Angesichts der Übermacht und Holmes’ Revolver leisteten sie keinen Widerstand. Als sie sich als Angehörige der deutschen Geheimpolizei zu erkennen gaben, ließ es sich Liebknecht nicht nehmen, beiden eine pädagogische Ohrfeige zu erteilen – mit konspirativrevolutionären Grüßen an Kaiser und Kanzler in Berlin.

      Dass sie diese auch überbringen können würden, stand außer Frage. Zwar übergab Holmes die beiden der Londoner Polizei, doch wie es im internationalen Spionagegeschäft üblich war, wurden sie wenig später gegen zwei britische Geheimagenten, die in Deutschland aufgeflogen waren, ausgetauscht und kehrten unbeschadet in ihre Heimat zurück.

      Der Leichnam von Karl Marx hatte indessen das Bestattungsinstitut nie verlassen. Er war von den Tätern in einem unbenutzten Sarg im kalten Keller des Geschäftslokals versteckt und zwischengelagert worden – mehr noch: Als Holmes und Engels ihn mittels Hinweis der überführten Geheimpolizisten bargen, fanden sie darin auch den bedauernswerten Seelenfried, der im bewusstlosen Zustand ebenfalls hineingesteckt worden war. Eine Erfahrung, auf die der gute Mann gerne verzichtet hätte. Zu einem späteren Zeitpunkt hätten die Täter den Körper von Marx nach Deutschland bringen sollen, wo insbesondere sein Gehirn seziert und genau untersucht worden wäre, um Erkenntnisse über die menschliche Intelligenz und den revolutionären Geist zu gewinnen. Selbstredend ein aus medizinischer und wissenschaftlicher Sicht grober Unfug, den man sich nur in Deutschland ausdenken konnte. Aber dazu kam es nun ohnedies nicht.

      Vielmehr wurde auch das Begräbnis zwar mit einiger Verspätung, aber doch noch in aller Würde und in Anwesenheit des Verstorbenen durchgeführt. Engels und Liebknecht sollen wunderbare Grabreden gehalten haben. Über die schwierigen Umstände der Zeremonie wurde die Öffentlichkeit nicht informiert.

      ***

      Ich selbst erholte mich nur schleppend von den Ereignissen auf dem Friedhof. Die Erinnerung daran – an den Einschluss im Sarg und den bevorstehenden Tod – hatte traumatischen Charakter. Längere Zeit plagten mich Ängste, extreme Stimmungsschwankungen und Schlaflosigkeit. Erst jetzt, seit ich mich in psychologischer Behandlung bei Dr. Kurzmann befinde, ist mir eine schrittweise Aufarbeitung möglich. Ein Teil davon besteht darin, dass ich mich nun endlich durchgerungen habe, diesen Fall zu Papier zu bringen.

      ***

      Wenige Monate nach den Ereignissen rund um den verschwundenen Leichnam von Karl Marx suchte uns Friedrich Engels eines Vormittags in der Baker Street auf. Er erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und bedankte sich nochmals für unsere Tätigkeiten.

      »Ich hoffe doch sehr«, scherzte ich, »Ihnen ist nicht wieder ein Freund abhanden gekommen, sei es tot oder lebendig.«

      »Kein Sorge, Dr. Watson«, antwortete Engels, »in meinem Alter hat man den Großteil seiner Freunde ohnedies bereits überlebt. Nein, ich bin nur hier, um Ihnen persönlich unser neuestes, gerade druckfrisches Machwerk zu überreichen.«

      Er nahm ein dickes Buch aus der Tasche und händigte es Holmes aus.

      »Es ist die dritte Auflage des ‚Kapitals’, an der ich in den vergangenen Wochen sehr intensiv gearbeitet habe«, erklärte Engels. »Mit einer Vielzahl an Erweiterungen, Ergänzungen und Präzisierungen, die gewiss ganz im Sinne von Marx wären. Vielen Dank nochmals, Mr. Holmes, für Ihre diesbezüglichen Hinweise. Sie waren sehr wertvoll für die Überarbeitung.«

      Holmes nickte bescheiden. »Ich bedanke mich, dass ich helfen durfte. Aber: Sie haben mich doch nicht etwa im Vorwort erwähnt?«

      Engels winkte ab. »Nein, nein«, versicherte er, »alles, wie von Ihnen gewünscht.«

      Ich war doch einigermaßen überrascht, denn über einen inhaltlichen Schriftverkehr mit Herrn Engels über das »Kapital« hatte mir Holmes nichts gesagt.

      »Gegenwärtig bin ich übrigens dabei«, setzte Engels fort, »den Nachlass von Marx zu sichten. Sie müssen wissen, er hatte zumindest noch einen zweiten, vielleicht einen dritten Band des ‚Kapitals’ geplant und eine Unmenge an handschriftlichem Material hinterlassen. Trotzdem hoffe ich, mit dem Redigieren des nächsten Bandes binnen eines Jahres fertig zu sein. Sie würden doch auch vorab einen Blick auf das Manuskript werfen, wenn es so weit ist, nicht wahr?«

      »Es wäre mir eine Ehre«, bestätigte Holmes.

      Engels seufzte. »Danke. Es ist sehr schade, dass Sie und Marx einander nicht mehr persönlich kennen lernen konnten. Sie verfügen über ähnliche Charaktereigenschaften – die Akribie, der Überblick, die scharfsinnigen Schlussfolgerungen, die genaue Beobachtungsgabe. Marx hätte eine Freude mit Ihnen gehabt – und Sie gewiss auch mit ihm. Nun denn, ich darf mich verabschieden. Fräulein Demuth schätzt es nicht, wenn ich zu spät zum Lunch erscheine.«

      Ich stand von meinem Stuhl auf und reichte Engels die Hand: »Auf Wiedersehen!«

      Holmes geleitete unseren Gast noch zur Tür, einstweilen nahm ich die Neuauflage des »Kapitals« zur Hand. Auf der dritten Seite befand sich eine handschriftliche Widmung: »Für den brillanten Detektiv Sherlock Holmes und seinen überaus tapferen Kompagnon John Watson. In Bewunderung und Freundschaft: Frederick Engels.«

      Als Holmes wieder zum Tisch zurückkam, legte ich das Buch beiseite und sah ihn fragend an: »Und? Bedauern Sie, Herrn Marx nicht gekannt zu haben?«

      Holmes setzte einen düsteren Blick auf. »Keineswegs«, behauptete er. »Nach all dem, was ich über ihn weiß, dürfte Herr Marx zwar sehr intelligent gewesen sein, aber ansonsten ein notorischer Besserwisser, der es liebte, seine Freunde zu korrigieren und zu übertrumpfen. Mitunter überheblich, etwas weltfremd und unnahbar.«

      Ich musste mir ob der exzellenten Selbstbeschreibung das Lachen verkneifen und antwortete nur: »In der Tat, Holmes! Mit solch einer Person wären Sie gewiss nicht gut ausgekommen. Nun die andere Frage: Wann wollten Sie mir denn mitteilen, dass Sie unter die Theoretiker des wissenschaftlichen Sozialismus gegangen sind?«

      Holmes schüttelte den Kopf, nahm Platz und begann, seine Pfeife zu stopfen. »Davon kann keine Rede sein«, erklärte er, »nur ein paar Anmerkungen. Ich kann Ihnen versichern, mein guter Watson, dass ich ein entschiedener Befürworter des Kapitalismus bleibe.«

      »Ich dachte, Sie halten den Kapitalismus für einen einzigen gigantischen Raubzug?«, erinnerte ich Holmes an seine eigenen Worte.

      »Ganz recht«, entgegnete Holmes, »eben deshalb. Stellen Sie sich eine sozialistische Utopie vor, wie sie sich die Herren Marx und Engels ausmalen: Keine sozialen Unterschiede, kein nennenswertes Privateigentum, keine Armut und kein Reichtum, Wohlstand für alle, kein Neid, keine Laster, keine Ausbeutung und keine Unterdrückung, keine Banken, keine Grundeigentümer und keine Aristokratie, ja letzten Endes nicht einmal Geld im eigentlichen Sinn. All das würde auch eine massiv reduzierte Verbrechensrate implizieren. Mein lieber Watson, ich versichere Ihnen, in einer solchen Welt wären wir als Detektive arbeitslos. Mögen wir zeitlebens von der proletarischen Revolution verschont bleiben!«

      Dann setzte er sein markantes spitzbübisches Lächeln auf und entzündete zufrieden seine Pfeife.

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