88Vgl. Hofmann-Rendtel, Wallfahrt und Konkurrenz; Kühnel, »Werbung«; Soergel, Wondrous; Olivieri (Hrsg.), Ordini religiosi e santuari; Brugger, Gedruckte Gnade.
89Vgl. Hersche, Muße und Verschwendung, 525.
90Walsham, Reformation of the Landscape, 162: »The Counter-Reformation revival of pilgrimage and holy places was symptomatic of an imaginative strategy for religious regeneration, the hallmark of which was careful negotiation rather than aggressive acculturation.«
91 Viele Gnadenorte sind in ihren Grundzügen von der lokalen Geschichtsschreibung mehr oder weniger gut erforscht. Anstelle einzelner Titel seien hier die einschlägigsten Publikationsorgane erwähnt, für die Drei Bünde insbesondere das Bündner Monatsblatt, die Quaderni grigionitaliani, der (Igl) Ischi, die Annalas da la Societad Retorumantscha, das Schweizerische Archiv für Volkskunde, die Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte sowie die sieben Graubünden-Bände der Reihe Kunstdenkmäler der Schweiz (hrsg. von Erwin Poeschel; darauf aufbauend neuerdings auch Batz, Kirchen); für das Veltlin v. a. das Bollettino della Società Storica Valtellinese und das Bollettino Storico Alta Valtellina. Für das Veltlin liegen zudem eine Zusammenstellung marianischer Gnadenorte (Guido Scaramellini [Hrsg.], Santuari mariani) sowie eine Reihe neuerer Einzelstudien zu bekannteren Wallfahrtsorten vor, etwa von Guido Scaramellini/Brambilla, Madonna di Gallivaggio; Rainoldi, Il santuario; Bormetti/Masa, santuario della Madonna; Zala, Da Santa Maria.
92 U. Pfister, Konfessionskirchen, 319. Pfister stützt sich auf den Befund der volkskundlichen Inventarisierung von Baumann, Bestandesaufnahme der Votivbilder, hier 27, die für Graubünden besonders viele Gnadenorte, dafür pro Gnadenort im Durchschnitt nur gerade acht Votivgaben nachweisen konnte. Die Gründe hierfür werden unten (Kap. 3.) noch ausführlich diskutiert.
93Angelegt war das Ausgreifen des Heiligen über den Kirchenraum hinaus im Bistum Chur freilich bereits im Spätmittelalter, wie jüngst Boscani Leoni, Sichtbar heilig, am Beispiel von Außenmalereien aufzeigen konnte.
94Auch die älteren Wallfahrtsorte erlebten gegen Ende des 16. Jahrhunderts vielfach einen noch nie dagewesenen Kulthöhepunkt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam dann auch im rätischen Alpenraum Kritik an der barocken Wallfahrt, vor allem aber am damit verbundenen Wunderglauben auf (vgl. I. Müller, Die bündnerische Wallfahrt; allgemein dazu auch Habermas, Wallfahrt; 105–122; Prosser, Raum).
95Tricoire, Mit Gott rechnen, 18. Tricoire nennt diese neuen Vorstellungen »Universalismus« und meint damit den »glorreichen, auf [göttlicher] Liebe basierenden Zusammenhang zwischen Erde und Himmel« (ebd., 390). Die religiöse Kultur dieses »Universalismus« ist darauf ausgerichtet, »Individuen und Gemeinschaften tiefer in die Klientelbeziehungen [zum Himmel] zu integrieren« (ebd.), etwa mittels Marienpatronat.
96Gemäß Fattori, Benedetto XIV, 241, ist das Sakrale oder »Heilige« (sacro) »lo spazio presente nel mondo naturale e umano aperto all’invervento o alla presenza del divino«, also derjenige Raum in der irdischen Welt, der für eine Intervention oder Präsenz des Göttlichen empfänglich ist. Fattori unterscheidet zwischen »sacro ordinario« und »sacro stra-ordinario« und damit zwischen zwei Wegen, wie das Göttliche erfahrbar wird: erstens auf dem ordentlichen bzw. kirchlichen Weg über die Sakramente und zweitens auf dem ausserordentlichen sprich mirakulösen Weg (vgl. ebd., 241 f.).
97Ich verwende diesen Begriff trotz aller Problematiken (siehe Tricoire, Mit Gott rechnen, 34–42), um damit jene qualitativen Veränderungen von katholischer Kirchlichkeit und Religiosität zu bezeichnen, die sich im konfessionellen Zeitalter einstellten – sei es als Reaktion auf die Reformation, sei es als Fortführung und Institutionalisierung älterer, innerkirchlicher Reformbemühungen (zur Begriffsverwendung in der Forschung siehe ebd.; Zwyssig, Katholische Reform, 157).
98Zu den Grundideen und methodologischen Konsequenzen des sogenannten Spatial Turn siehe Bachmann-Medick, Cultural Turns, 238–283. Die diesbezüglichen Chancen und Möglichkeiten der Geschichtsschreibung werden diskutiert bei Schlögel, Räume und Geschichte; Torre, Un »tournant spatial«; Rau, Räume; für die Frühneuzeitforschung insbes. Stock (Hrsg.), Uses of Space. Als besonders fruchtbar für die historische Forschung hat sich vor allem das analytische Instrumentarium von Löw, Raumsoziologie, 159 f., erwiesen.
99Pointiert dazu äußert sich neuerdings Stock, History, 5 f.: »In other words, space is not something outside history […]. Instead, space is historically contingent and constructed by circumstances and perspectives. Historians can therefore analyse the intellectual, cultural, and social contexts that give rise to particular understandings of space, and explore how those understandings are reproduced, transformed, and used.«
100Dies lassen neuere Studien zur »religiösen Geographie« vermuten. Mit Bezug zum vorliegenden Untersuchungsraum siehe Cozzo, Madonna di Tirano; allgemein dazu Christin/Flückiger, Rendre visible; Shalev, Sacred Words and Worlds; Ghermani, Zwischen Wunder und Vernunft, sowie die diesbezüglich äußerst gewinnbringende Studie von Walsham, Reformation of the Landscape, hier 153–232; synthetisierend dazu dies., Sacred Landscape. Weiterführend ist auch der jüngst erschienene Sammelband von DeSilva (Hrsg.), Sacralization of Space.
101Ich lehne mich an den Peripherie-Begriff an, der zur Beschreibung des hochmittelalterlichen Papsttums bemüht wurde. Demnach ist »Peripherie weniger eine Frage der räumlichen Entfernung als der inneren Distanz zu Rom als dem zumindest intendierten Zentrum der lateinischen Christenheit; insofern konnte die Peripherie sehr nahe liegen – unter Umständen in Rom selbst« (Johrendt/Müller, Zentrum und Peripherie, 9).
102Emich, Territoriale Integration, 3–23.
103Rau, Räume, 164. Zur Machtdimension der »Produktion und Aneignung« von Räumen pointiert auch Belina, Raum, insbes. 79–85.
104Ich orientiere mich hierfür und für die folgenden Untersuchungsschritte an den von Susanne Rau vorgeschlagenen Analyseebenen (ebd., 122–191), die da sind: 1. Räumliche Konfigurationen und Raumformationen, 2. Raumdynamiken, 3. Raumwahrnehmungen und 4. Raumpraktiken (siehe verkürzt ebd., 133 f.).
105Blickle, Kommunalismus, betrachtet die Drei Bünde als »paradigmatischen Fall«, um die »Interdependenzen von Republikanismus und Kommunalismus« zu erforschen. Zum institutionellen Aufbau der Drei Bünde siehe Head, Demokratie, insbes. 118–153; Liniger, Gesellschaft in der Zerstreuung, 28–36.
106U. Pfister, Konfessionskirchen, 32. Pfister versteht seine Studie zu den Konfessionskirchen in Graubünden