Einige Astrologen fassen jeden Promissor als Ekliptikpunkt auf, setzen also seine ekliptikale Breite stets Null. Der Signifikator wird mit oder ohne Breite gerechnet. Von den vier möglichen Kombinationen: Bei Signifator/Promissor die Breite zu berücksichtigen/nicht zu berücksichtigen, finden sich drei in der Literatur. Einzig der Fall: Promissor mit, aber Signifikator ohne Breite kommt nicht vor. Traditionell, d.h. bis ins 16. Jahrhundert, werden Signifikator und Promissor als Ekliptikpunkte behandelt.8
1.3 Zur Deutung von Direktionen
Viele Astrologen deuten Direktionen ähnlich wie z.B. Transite, d.h. ein Übergang wird einfach nach Bedeutung der beiden in Kontakt tretenden Faktoren und des auftretenden Aspekts bewertet. Der Unterschied zu Transiten ist nur, daß den Direktionen mehr Gewicht beigemessen wird. Wichtig für den Lebensbereich, in dem sich die Direktion auslöst, ist vor allem die radikale Hausposition des Promissors.
Andere Autoren empfehlen, die Determinationslehre nach MORIN ([Mo]) für eine genauere Deutung heranzuziehen. Diese wird z.B. in dem klassischen Werk von SINDBAD und WEISS ([SW]) erläutert. Eine Besonderheit der Determinationslehre ist der extensive Rückgriff auf die Domizile und Exile der Planeten; man berücksichtigt Felderherrschaft, Dispositoren, Rezeption u.a., um zu konkreten Aussagen zu gelangen. Nach Morin und seinen Anhängern sind Signifikator und Promissor unterschiedlich zu deuten: Der Signifikator symbolisiert den durch die Direktion angesprochenen Wesensteil, der Promissor ’verspricht’ diesem etwas, zeigt also die konkrete Richtung, in die sich dieser Wesensteil entwickelt. ERICH CARL KÜHR drückt es so aus ([EK], S. 58):
Der Signifikator ist passiv und zeigt an, was durch das Ereignis betroffen wird, und der Promissor ist aktiv und zeigt an, was geschieht.
Wer an einer Sammlung von Aphorismen zur Deutung von Primärdirektionen interessiert ist, kann z.B. das Werk Astrologische Prognose von PARIS ([Pa]) zu Rate ziehen (oder auch A. VON PRONAYS Lehrbuch Astrologische Direktionen ([AP])).
2 Das Direktionsverfahren
Wir beschreiben hier zunächst in allgemeiner Form den Vorgang des Dirigierens. Im 3.Kapitel wird das Verfahren dann an einem konkreten Beispiel erläutert. Um dieses Kapitel nicht mit technischen Details zu überfrachten, setzen wir voraus, daß der Leser sich bereits mit einem mundanen Positionskonzept vertrautgemacht hat – die rechnerischen Grundlagen dieser Konzepte folgen in Kapitel 4. Bei einem ersten Lesen des vorliegenden Kapitels kann man sich den Begriff mundane Position einfach als Hausposition übersetzen.
Wir messen die mundane Position eines Himmelspunktes durch eine Gradzahl μ zwischen 0° und 360°, gemäß der Analogie von Haus und Tierkreiszeichen. Das heißt, eine mundane Position von 33° 17' steht für einen Faktor, der sich im zweiten Haus befindet, und zwar ’mundan’ 3° 17' von dessen Spitze entfernt.
2.1 Das Standardverfahren
Wir wiederholen aus der Einleitung noch einmal kurz das Standardverfahren der Direktionsberechnung.
Bei Primärdirektionen wird ein Punkt des Horoskops, der Promissor, durch die Erddrehung auf die mundane Position eines anderen Punktes, des Signifikators geführt. Denkt man das Geburtshoroskop als fest, so wird also der Promissor durch die Häuser des Horoskops gemäß der täglichen Erddrehung geführt. Denkt man die Ekliptik als fest, so bewegt sich die mundane Positionslinie des Signifikators gemäß der Erdbewegung, bis sie auf den Promissor trifft.
Bei direkten Direktionen wird der Promissor in fortschreitender, bei conversen Direktionen in rückwärts verlaufender Zeit vom Geburtsmoment aus geführt.
Direktionen beziehen sich auf Ereignisse im Leben des Nativen. Die Umrechnung des Bogens, der bis zum Eintreten einer Direktion verstreicht, des sogenannten Direktionsbogens, in Ereigniszeiten geschieht mit dem Direktionsschlüssel.
2.2 Berechnung des Direktionsbogens
Abbildung 1: Dirigieren im Standardverfahren
Die obige Abbildung stellt die für Primärdirektionen typische Situation am Himmel dar. Wir wollen zur Veranschaulichung zunächst annehmen, der Punkt S in dieser Abbildung sei der Aszendent des Geburtshoroskops, die stark eingezeichnete Linie ein Stück des östlichen Horizonts. Der mit Meßmarken versehene Großkreis bezeichnet den Himmelsäquator.
Durch den Erdumschwung wird der Promissor P – vielleicht ein im I. Haus stehender Planet oder Aspektpunkt des Geburtshoroskops – nach einer gewissen Zeit den Horizont erreichen, das heißt aufgehen. Wir fragen uns, wann das geschieht. Dabei bemerken wir zuerst, daß
Zeitdifferenzen auf dem Äquator als Differenzen in Rektaszension abgegriffen werden können,
und zwar wegen des gleichmäßigen Fortschreitens der Sternzeit mit der Weltzeit: Ein Grad RAMC passiert den Erdäquator stets in 3m59.34s. Man kann daher die Äquatorgrade selbst als Zeitmaß ansehen.
Offenbar muß man, um die gewünschte Zeitstrecke zu bestimmen, den Deklinationskreis (Parallelkreis) von P mit dem Horizont, der mundanen Positionslinie von S=ASC, schneiden. Der Schnittpunkt heißt in der Graphik P’. Man mißt nun die Rektaszensionen von P und P’ auf dem Äquator, im Bild mit α und α’ beschriftet.
Die gesuchte Zeitspanne, bis der Promissor P die mundane Positionslinie des Signifikators S bei P’ kreuzt, ist dann einfach die Differenz α – α’ der Rektaszensionen von P und P’.
Der Direktionsbogen der Direktion
Dieses Verfahren ist nicht nur im Falle S=ASC anwendbar, sondern ebensogut für beliebige Signifikatoren des Geburtshoroskops. Für die stark gezeichnete Linie, die mit dem Deklinationskreis des Promissors geschnitten wird, ist dann nicht mehr der Horizont zu nehmen, sondern die mundane Positionslinie des Signifikators. Die mundane Positionslinie faßt diejenigen Himmelspunkte zusammen, die in bezug auf Horizont und Meridian eine zu S analoge Lage haben.
Der Direktionsbogen wird schließlich mit einem der in Abschnitt 2.4 aufgeführten Schlüssel in eine Ereigniszeit des Geborenen verwandelt.
Um ihn zu berechnen, geht man wie folgt vor:
1.) Bestimme die mundane Position μ des Signifikators.
2.) Bestimme die Rektaszension α', bei der ein Punkt mit der Deklination des Promissors die mundane Position μ besitzt.
3.) Die Differenz α – α' ist dann der Direktionsbogen.
Alle Formeln, die für dieses Verfahren nötig sind, sind im Kapitel (4) für die jeweiligen Häusersysteme aufgeführt.
Eine Direktion wird folgendermaßen notiert:
DB (Signifikator) (Promissorstelle) (zod./mund.) (dir./conv.) = Wert.
Zum Beispiel:
2.3 Direktionen zu einem vorgegebenen Zeitpunkt
Um alle Direktionen zu ermitteln, die zu einer bestimmten Zeit fällig werden, hat man folgendermaßen vorzugehen.
1.) Berechne die mundanen Positionen aller Signifikatoren.
2.) Rechne das Ereignisalter mithilfe des Direktionsschlüssels (