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die sich mir zur Befriedigung meiner Rache bieten mögen, aus einer gewissen religiösen Empfindung heraus und weil ich sehr wohl einsehe, wie lächerlich all diese Dinge sind.

      Ich bin von Natur furchtsam, habe ein kaltes Herz, aber einen heißen Kopf, bin ständig in Gedanken versunken und mit vielen und sehr großen, oft auch ganz unmöglichen und undurchführbaren Dingen beschäftigt. Auch ist mein Geist imstande, sich mit zwei verschiedenen Arbeiten zugleich zu befassen.

      Die Leute, die mir Geschwätzigkeit und maßloses Eigenlob vorwerfen, klagen mich eines Lasters an, das mir fremd ist. Ich greife niemanden an, verteidige mich nur. Und muss ich mich denn solcher Vorwürfe wegen abmühen, da ich doch oft genug versichert habe, für wie wertlos ich dies Leben halte? Was eine Entschuldigung ist, halten diese Leute für ein Selbstlob; ein so großes Ding dünkt es ihnen, einmal ohne Fehler zu sein.

      Ich habe mich daran gewöhnt, meinen Gesichtszügen unmittelbar nacheinander den ganz entgegengesetzten Ausdruck zu geben. Ich vermag auf diese Weise ein fremdes Gefühl zu heucheln, doch verstehe ich es nicht, ein Gefühl, das ich wirklich besitze, zu verbergen. Dies ist nur dann leicht, wenn es sich darum handelt, den Ausdruck der Hoffnungslosigkeit vorzutäuschen. Volle 15 Jahre lang habe ich mir die größte Mühe gegeben, mir diese Fertigkeit anzueignen, und es gelang. Zu diesem Zwecke gehe ich bald in Lumpen, bald reich geschmückt, bin jetzt schweigsam, dann wieder gesprächig, bald heiter, bald traurig; denn jede Art des Benehmens und jeden Gefühlsausdruck gebe ich sofort auch in seinem Gegenspiel wieder.

      In meinen jüngeren Jahren habe ich selten und nur wenig auf die äußere Pflege meiner Person geachtet, immer gierig besorgt, Wichtigeres zu tun. Meine Gangart ist ungleichmäßig: bald rasch, bald langsam. Zu Hause pflege ich die Beine bis zu den Knöcheln nackt zu tragen. Ich bin wenig fromm und sehr vorlaut im Reden; überaus jähzornig, sodass ich mich darob schäme und mir vor mir selber ekelt. Und wennschon ich stets bereut habe, so habe ich doch immer die schwersten Strafen des Geschicks auf mich genommen, um nur das schändlich üppige Leben eines Sardanapal80 abzubüßen, das ich in den Jahren meines Rektorats an der Universität zu Padua führte. Doch um zu meiner Schande ein Lob, zu meinem Verbrechen eine Tugend zu gesellen, füge ich hinzu, dass ich all dies mit Weisheit und Geduld getragen und stets mich zu bessern getrachtet habe. Zur Entschuldigung dieses Selbstlobs diene mir, dass ich mich gezwungen fühle, es auszusprechen. Ich wäre ja undankbar, wollte ich die gütigen Gaben Gottes verschweigen, und noch weniger darf ich doch von den Opfern reden, die ich gebracht, ohne zu erzählen, wie ich sie gebracht habe. Auch sind ja, wie ich schon gesagt, all diese Dinge durchaus nicht so hoch einzuschätzen, wie der Pöbel will; es sind wertlose und lächerliche Kleinigkeiten, sind wie die Schatten, die die untergehende Sonne wirft, groß, doch ohne Nutzen und von kurzer Dauer. Wenn man dies ohne Gehässigkeit erwägen und dazu überlegen wollte, warum es mir nicht erlaubt sein soll, auszuführen, mit welcher Gesinnung, unter welchem Druck und Zwang der Verhältnisse ich meine Fehler beging und wie viele Schmerzen mir alle diese Dinge schon bereitet haben; wenn man weiter bedenken wollte, dass andere Menschen, ohne dem geringsten Zwang zu unterstehen, viel schwerere Sünden als diese begangen haben, ohne sie zu bekennen, weder vor sich, noch öffentlich vor anderen, dass diese Leute ferner empfangene Wohltaten weder dankbar erwähnen, noch auch überhaupt ihrer gedenken, so würde man mich vielleicht etwas billiger beurteilen.

      Doch fahren wir fort. Als eine eigenartige und große Untugend empfinde und betrachte ich es, dass ich gewohnt bin, lieber gar nichts zu reden, als etwas, was meinen Zuhörern missfallen könnte. Doch beharre ich in diesem Fehler mit Wissen und Willen, denn ich weiß sehr wohl, wie oft schon diese Sitte allein mir Feinde versöhnt und gewonnen hat. So viel vermag natürliche Anlage, wenn sie mit langer Gewohnheit verbunden ist. Meinen Wohltätern, auch angesehenen und mächtigen Leuten gegenüber unterlasse ich dies. Ich will kein Speichellecker, nicht einmal ein Schmeichler sein.

      Auch im Handeln bin ich vorlaut und unbesonnen, wennschon ich sehr wohl weiß, was zu tun mir nützlich und schicklich wäre. Aber kaum wird man einen Menschen finden können, der so hartnäckig in diesem Fehler steckt wie ich. Ich lebe auch gerne und so viel ich kann in der Einsamkeit, obwohl mir bekannt ist, dass Aristoteles diese Lebensart verurteilt. Er sagt nämlich: »Der Einsiedler wird entweder zum Tier oder zum Gott.« Und den Beweis für die Wahrheit dieser Lehre habe ich selbst erbracht. Ein ähnlicher Wahnwitz, der mir nicht minder schadet, ist es, dass ich Diener bei mir zu behalten pflege, von denen ich ganz bestimmt weiß, dass sie nicht bloß mir nutzlos, sondern auch meinem guten Namen schädlich sind – ebenso, wie ich auch Tiere, die ich irgendeinmal zum Geschenk erhalten habe, wie Ziegenböckchen, Schafe, Hasen, Kaninchen, Störche, um mich behalte, sodass ihr Gestank das ganze Haus verpestet.

      Auch habe ich immer unter dem Mangel an Freunden, besonders an treuen, sehr gelitten. Und viele, ja überaus viele Fehler habe ich dadurch begangen, dass ich mich überall in alle Dinge, von denen ich erfuhr, in wichtige und unwichtige, einzumischen suchte, bald mit, bald ohne Erfolg. Ganz besonders fehlte ich darin, dass ich Menschen beleidigte, die zu loben ich mir vorgenommen hatte; so war es auch gegenüber dem Präsidenten81 zu Paris, einem höchst gebildeten Manne, namens Aimar82 de Ranconet, von Nation ein Franzose. Und solche Fehler habe ich nicht etwa bloß aus meiner vorlauten, unbedachten Art heraus begangen oder aus einer Unkenntnis der Eigenschaften und Verhältnisse des anderen – Mängel, die leicht auszugleichen gewesen wären, – sondern darum, weil ich auf gewisse Formen gesellschaftlicher Lebensart, die ich erst später erlernte, nicht achtete, Umgangsformen, die den Menschen von Rang und Bildung fast durchweg geläufig sind.

      Wenn es gilt zu überlegen, bin ich allzu rasch und hastig, weshalb meine Pläne zumeist überstürzt und voreilig sind. Bei Geschäften jeder Art dagegen dulde ich keinerlei Drängen. Nun haben meine Gegner wohl bemerkt, dass ich dann schwer zu fassen bin, wenn ich Zeit habe; darum richten sie nun ihr ganzes Augenmerk darauf, mich zu drängen. Ich ertappe sie oft bei solchem offenkundigen Treiben und hüte mich vor ihnen wie vor schlimmen Widersachern und betrachte sie als meine Feinde, was sie auch in Wirklichkeit sind.

      Hätte ich mich nicht daran gewöhnt, nie eine Sache zu bereuen, die ich freiwillig unternommen habe, und hätte sie auch ein noch so übles Ende genommen, so hätte ich wohl beständig unter der unglücklichsten Stimmung zu leiden gehabt. Das meiste Unglück, das mich getroffen, hat jedoch die ungeheure Torheit meiner Söhne verschuldet, verbunden mit dem schändlichen Benehmen und der beschränkten Gesinnung meiner Verwandten, die stets gewohnt sind, die Ihrigen mit Neid und Scheelsucht zu betrachten – ein spezifisches Laster unserer Familie, das freilich fast allen Kleinstädtern anhaftet.

      Von früher Jugend an bin ich ein über alle Maßen leidenschaftlicher Schachspieler gewesen. Ich habe auf diese Weise die Bekanntschaft des Herzogs Francesco Sforza II.83 von Mailand gemacht und mir außerdem die Freundschaft vieler vornehmer Herren erworben. Da ich mich aber viele Jahre, fast 40, beständig diesem Spiele widmete, ist kaum zu sagen, wie viel an Vermögen, ohne jeden greifbaren Nutzen, ich durch diese Leidenschaft vergeudet habe. Noch schädlicher freilich ist mir das Würfelspiel geworden; denn ich habe darin auch meine Kinder unterrichtet, und nur zu oft stand mein Haus allen Würfelspielern offen. Ich habe für dieses Laster nur eine einzige, recht dürftige Entschuldigung: die ärmlichen Verhältnisse, in denen ich geboren bin, verbunden mit der nicht unbedeutenden Geschicklichkeit, die ich nun einmal für solche Dinge habe.

      Es ist dies eben eine menschliche Unsitte. Andere gibt es, die man nicht nennen will und nicht nennen darf, und wer weiß, ob sie besser und weiser sind? Wie, wenn einer zu den Königen der Erde sich wenden und ihnen sagen wollte: »Ist doch keiner unter euch, der nicht schon Läuse, Fliegen, Wanzen, Flöhe und anderen noch hässlicheren Unrat aus der Hand seiner Diener gegessen hat«? Wie werden die Herren dies hören mögen? Und doch ist es sicher wahr. Wir wollen eben gewisse Dinge nicht wissen, auch wenn sie uns eigentlich längst bekannt sind, und wollen sie lieber mit Gewalt unterdrücken. Und was ist der Grund? Nichts anders als eine Unkenntnis unseres allgemeinen Zustandes. So ist es auch mit unseren Sünden und allem andern; es sind eben hässliche, lächerliche, unordentliche und unzuverlässige Dinge: faules Fallobst am Baume. Ich habe also hier nichts Neues vorgebracht, nur die nackte Wahrheit gesprochen.

      VIERZEHNTES KAPITEL

      Meine