Später schenkte mir Andrea Alciati89 seine Freundschaft, jener berühmte Jurist und glänzende Redner, und nach ihm sein Neffe Francesco Alciati90, der jetzt Kardinal ist. Einige Zeit darauf lernte ich noch zwei andere Kardinäle kennen, den Giovanni Morone und den Pietro Donato Cesi. Und auf dem Mäzenat dieser drei Kardinäle ruht heute meine Lebensstellung. Ein vierter Kardinal, mit dem ich befreundet bin, ist Christoforo Madruzzo91, Bischof von Trient, der Sprössling eines hocherlauchten Fürstengeschlechts, der wie kein Zweiter mich mit Wohltaten überhäuft und freigebig ist gegen jedermann.
Dann stand ich – um wieder von Freunden zu sprechen, die mir gleichgestellt waren, – in herzlichem Verkehr mit Panaetius Benevento aus Arezzo, dem allertrefflichsten Manne, und diese Freundschaft, die nur auf der eigenen Kraft unserer Zuneigung ruhte, schien mir würdiger und köstlicher als alle anderen, die für mich mit finanziellen Vorteilen verknüpft waren. In Rom war ich befreundet mit dem ehrwürdigen Bischof Taddeo Massa, einem ebenso hochintelligenten Kopf als reinen Charakter, und schon früher mit Giovanni Meone, einem der Räte des Dom Ferrante Gonzaga92, Gouverneurs von Mailand und Generals der kaiserlichen Armee. Auch mit den Kardinälen Carlo Borromeo93 und Marco Antonio Amulio94, einem Venezianer, zwei ganz ausgezeichneten Männern, war ich befreundet und mit noch so viel anderen, dass es zu viel wäre, sie alle aufzuzählen. Dem Einfluss der angesehenen Kardinäle Borromeo und Alciati verdanke ich es auch, dass ich, als ich nach Bologna kam, Medizin zu dozieren, die Freundschaft des ganzen dortigen erlauchten Senats gewonnen habe; denn diese edlen Herren sind ganz staunenswert gefällig und liebenswürdig und ebenso klug als vornehm.
Von den Ärzten, die ich kannte, verband mich ein besonders freundschaftliches Wohlwollen mit Camillo Montagnani und Aurelio Stagni, beide aus Modena gebürtig, von untadelhafter Lebensführung und nicht geringer Bildung, des Weiteren mit dem Mailänder Melchiorre della Valle und mit Toma Iseo aus Brescia; ich habe freilich darum auch die schwersten Feindschaften auf mich genommen. In England lernte ich an vornehmen Männern vor allem den Sir John Cheke, den Jugendlehrer des späteren Königs Eduard VI.95, kennen und den Franzosen Claude Laval, Herrn von Boisdauphin, der damals Gesandter seines Königs am englischen Hofe war. Von den Bürgern unserer Stadt schuldete ich nicht wenig Dank der unvergleichlichen Tüchtigkeit des sehr intelligenten Stadtpräfekten Lodovico Taverna. Von den Professoren achtete ich am meisten den Francesco Vicomercato, Professor der Philosophie in Mailand, und den Andreas Vesal, die erste Autorität im Fach der Anatomie. Zwei Freunde meines Vaters verehrte ich besonders in meinen jungen Jahren, den Senatssekretär Agostino Lanizario aus Como und den Schmied Galeazzo Rossi, die beide ich mehrfach schon erwähnt habe; ebenso den Francesco Buonafede, Arzt zu Padua, von dem gleichfalls an anderer Stelle die Rede war. Viele andere sehr gebildete und mir befreundete Männer übergehe ich hier, weil sie auch ohne mein Zutun bekannt genug geworden sind durch ihre Gelehrsamkeit. Ich gebe nur einige Beispiele meiner dankbaren Gesinnung, die dem Leser beweisen sollen, dass ich keinen vergessen habe, dem ich Dank schulde, sodass ich, so viel an mir liegt, gerne jedem dadurch, dass ich ihn hier nenne, einen ewigen Namen schenken würde. Ich nenne also noch den Guillaume Choul, den königlichen Statthalter in Savoyen und in der Dauphine, der ein gelehrter Herr war, und den Bonifazio Rodigino, bekannt als Rechtsgelehrter und zugleich als trefflicher Astrolog, des Weiteren den Giorgio Porro aus Rhätien, den Genuesen Luca Giustiniani und den berühmten Mathematiker Gabriele Aratore aus Caravaggio. Einen ganz außerordentlich regen freundschaftlichen Verkehr pflog ich mit dem Mailänder Arzt und Professor Gianpietro Albuzio, mit Marco Antonio Majoragio96 und mit Mario Gessio aus Bologna.
Viel aufrichtige Freundestreue, große Dienste und Wohltaten erwies mir auch der kärntische Arzt Lorenz Zehener und der Belgier Adrian. Noch göttlicher aber war die Gunst, die mir der Fürst von Matelica97 schenkte; größer ist sie, als dass ich glauben könnte, sie aus menschlichen Gründen gewonnen zu haben. Ich will hier nicht von des Fürsten seltenen Geistesgaben reden, die einer Königskrone würdig wären; von seiner allseitigen Kenntnis und Bildung, von der Liebenswürdigkeit und Freundlichkeit seines Charakters, nicht von der Größe seines Vermögens noch von seiner vornehmen Abstammung, von seiner Weisheit, die alle menschlichen Begriffe übersteigt, oder von seiner dankbaren Gesinnung, die nie empfangener Dienste und früherer Beziehungen vergisst. – Was war an mir, das ihn zu solch huldvoller Freundschaft bewegen konnte? Ich hatte ihm nie Dienste geleistet, und er konnte nichts mehr von mir erhoffen; ich bin ein alter Mann, verachtet und gebrochen, ein unsympathischer Mensch. Wenn es etwas sein konnte, so war es einzig und allein der Glaube an meine Redlichkeit.
Mögen die Leser alle diese Männer – Götter sollte ich lieber sagen – achten und schätzen, die in warmem Bildungsinteresse, in edel einfacher Lebensauffassung und dankbaren, treuen Sinnes den lobwürdigen Versuchen und Unternehmungen einer auf ewige Werte gerichteten wissenschaftlichen Arbeit so viele und große Opfer gebracht haben, als sonst wohl ein anderer dem Machthunger oder stolzen Hoffnungen, der alltäglichen Gewohnheit, dienstbeflissener Unterwürfigkeit und Schmeicheleien zu bringen pflegt.
SECHZEHNTES KAPITEL
Von meinen Feinden und Neidern
Ich will in dieser Sache nicht die gleiche Methode verfolgen wie vorhin und die Namen meiner Feinde und Neider nicht ebenso eifrig aufzählen wie die meiner Freunde. Ich bin nämlich der Ansicht, dass Galenus keinen kleinen Fehler gemacht hat, den Thessalus98 überhaupt zu nennen; denn dadurch, dass er ihn zerpflückt und zerreißt, unterrichtet er seine Leser erst von dessen Existenz und zeigt, wie viel Achtung er selbst ihm schenkte. Wenn es nicht gerade feige ist, ist es immer besser, sich den Gegner, von dem man Unbill erlitten, zu versöhnen oder jedenfalls sich nicht zu rächen; tut man dies doch, so soll man es lieber mit Taten, nicht mit bloßen Worten tun. Ich habe gelernt, meine Gegner nicht bloß zu verachten, sondern sie in ihrer Erbärmlichkeit zu bemitleiden. Feinde, die uns im Geheimen angreifen, beweisen schon dadurch, dass sie nur zu bedauern sind; nur solche, die uns offen angreifen, sind darum anzuklagen, vorausgesetzt, dass sie auf gleicher Stufe mit uns stehen.
SIEBZEHNTES KAPITEL
Verleumdungen, falsche Anklagen, heimtückische Anschläge, mit denen mich Denunzianten verfolgten
Es gibt zwei Arten von verleumderischen Anschlägen: Die einen richten sich gegen unseren guten Ruf und unsere Ehre, und von solchen will ich hier erzählen; von den andern wird später die Rede sein. Wenn ich mich nun hier entschlossen habe, von derartigen Anschlägen, vor allem von geheimen, hinterlistigen, zu sprechen, so darf ich gleich hinzufügen, dass es sich dabei nur um Kleinigkeiten handelt; denn größere, wichtigere Dinge lassen sich nur schwer verheimlichen, und was in der Öffentlichkeit geschieht, ist eben nicht so heimlich-hinterlistig. Auf solche Kleinigkeiten nun aber seine angestrengte Aufmerksamkeit zu richten, wäre eine zu alberne Sache. Darum will ich mich hier mit der Erzählung von vier Fällen begnügen.
Der erste Fall spielte sich ab, als es sich für mich darum handelte, nach Bologna berufen zu werden. Damals schickten meine dortigen Feinde irgendeinen Beamten nach Pavia, Erkundigungen über mich einzuziehen; der sah weder mein Auditorium, noch befrug er meine Schüler, sondern schrieb glattweg, nachdem er zuvor einige ganz wunderbare Dinge von einem andern Herrn erzählt – wahrscheinlich, weil er glaubte, dass der ja doch nicht berufen würde, – ich weiß nicht, wie er dazu kam, folgenden Satz oder besser Urteilsspruch über mich nach Bologna zurück: »Was den Girolamo Cardano betrifft, so habe ich in Erfahrung gebracht, dass er ohne Schüler vor leeren Bänken unterrichtet. Er ist ein übelgesitteter Mensch, jedermann verhasst und nicht frei von Dummheit, hat ein völlig ungebildetes Auftreten, versteht auch von der medizinischen Wissenschaft recht wenig, sondern schwätzt hierin einigen fremden Meinungen nach; in seiner Heimat hat ihn darum auch niemand als Arzt angenommen, und so übt er keinerlei ärztliche Praxis aus.« Der Abgesandte selber verlas dies Schriftstück im Senat von Bologna in Gegenwart des hocherlauchten Borromeo, des päpstlichen Legaten in dieser Stadt,