Die Krankheiten, die ich äußerem Zufall zu verdanken habe, waren folgende: Die Pest, die ich im zweiten Monat nach meiner Geburt durch Ansteckung bekommen habe, und dann noch einmal in meinem 19. oder 18. Lebensjahre, ich erinnere mich nicht mehr genau, weiß nur noch, dass es im August war und dass ich drei Tage lang fast ohne alle Nahrung blieb. Ich streifte vor der Stadt und in den Gärten umher, und wenn ich am Abend nach Hause kam, log ich, ich hätte bei Agostino Lanizario, einem Freund meines Vaters, gespeist. Wie viel ich in diesen drei Tagen an Wasser getrunken habe, will ich nicht sagen. Am dritten Tage konnte ich nicht mehr schlafen, mein Herz zitterte heftig, ein starkes Fieber hatte mich gepackt, und ich glaubte, im Bett des Asklepiades50 zu liegen und mit diesem unter heftigen Stößen ununterbrochen in die Höhe zu steigen und wieder in die Tiefe zu stürzen. Damals glaubte ich, noch in der Nacht sterben zu müssen. Aber inzwischen überkam mich der Schlaf, und ein Geschwür, das sich an meiner rechten Seite oben bei der ersten sogenannten falschen Rippe gebildet hatte, brach auf, und eine anfänglich nur kleine Menge schwarzen Stoffes drang heraus. Vermutlich der Arznei wegen, die mir mein Vater gegeben und die ich viermal im Tag hinunterschlang, begann ich dann so stark zu schwitzen, dass der Schweiß durch das ganze Bett drang und durch die Bretter hindurch auf den Boden rann. In meinem 27. Lebensjahre sodann befiel mich ein einfaches Tertianfieber51; am vierten und siebenten Tage kam dann je ein Ohnmachtsanfall, und am gleichen siebenten Tage wurde ich ganz gesund. Mit 43 Jahren spürte ich zu Pavia, zum erstenmal, mein Podagra, und mit 54 bekam ich ein Quotidianfieber52, das 40 Tage lang anhielt und wovon mich, am 13. Oktober des Jahres 1555, eine Krisis befreite, bei der ich 120 Unzen Urin ließ. Und 1559 endlich, in dem Jahre, da ich nach Pavia zurückkehrte, litt ich zwei Tage lang an Schmerzen im Halse.
Krankheitssymptome zeigten sich mannigfache. Das erste war, dass ich von meinem siebenten bis fast zum zwölften Jahre bei Nacht mich erhob und Schreie ausstieß, die aber keinen bestimmten Sinn hatten. Und hätten Mutter und Tante, zwischen denen ich schlief, mich nicht gehalten, so wäre ich öfter aus dem Bette gestürzt. So hatte ich nur heftiges Herzklopfen, das aber, sobald man die Hand darauf drückte, sich beruhigte, was das wesentliche Merkmal eines beschleunigten Atems ist. Gleichzeitig – doch dauerte diese Erscheinung bis fast in mein 19. Jahr – hatte ich darunter zu leiden, dass ich nicht Atem fassen konnte, wenn ich dem Winde, vor allem einem kalten, entgegenging. Doch schwand dieses Übel, sobald ich darauf achtete und den Atem zurückhielt. In dieser Zeit konnte ich auch im Bette, selbst wenn ich schon in der sechsten Stunde lag, von den Knien abwärts nicht warm werden. Deshalb vor allem und auch aus anderen Gründen sagte meine Mutter oft, ich werde gewiss kein hohes Alter erreichen. Und dann wieder konnte in einzelnen Nächten, wenn ich einmal warm geworden war, mir am ganzen Leib ein so starker und glühend heißer Schweiß ausbrechen, dass, wer es hörte, es nicht glauben möchte. Mit 26 Jahren fiel ich dann in ein doppeltes Tertianfieber, das sich am siebenten Tage löste; später, mit 54 Jahren, in ein Quotidianfieber, das 40 Tage anhielt. Im November des Jahres 1556 erlitt ich infolge eines mäßigen Trunkes von Meerzwiebelessig einen überaus heftigen Anfall von Dysurie53; ich fastete darauf zuerst 34 und dann zum zweiten mal 20 Stunden, aß etwas Tannenharz und genas.
Ich hatte die Gepflogenheit – worüber manche Leute sich wunderten –, dass ich, sobald ich keine Schmerzen hatte, mir solche selbst zu bereiten suchte, wie ich oben vom Podagra gesagt habe. Auf diese Weise ging ich häufig der Gefahr einer Krankheit entgegen, um nur, so gut es irgend ging, der Schlaflosigkeit entgehen zu können. Ich bin nämlich der Ansicht, die Lust bestehe wesentlich in dem Stillen eines gehabten Schmerzes, und wenn ein Schmerz freiwillig verursacht ist, so kann er ja leicht gestillt werden. Und nun weiß ich aus Erfahrung, dass ich nie ganz ohne Schmerzen sein kann; denn ist dies einmal der Fall, so befällt mich eine so widerwärtige Stimmung, dass ich nicht wüsste, was schwerer zu ertragen ist. Ein viel geringeres Übel ist mir dann der Schmerz oder dessen Ursache, die weder mit einer entstellenden Verletzung noch mit irgendwelcher Lebensgefahr verbunden zu sein braucht. So habe ich mir zu diesem Zwecke Schmerzen ausgedacht, die mir Tränen erpressen können: ein Beißen in die Lippen, ein Verrenken der Finger, ein Quetschen der Haut oder einer zarten Muskel des linken Armes. Und mithilfe solcher Vorbeugungsmittel lebe ich noch heute ohne jede Schädigung.
Von Natur fürchte ich erhöhte Orte, und seien sie auch noch so breit, desgleichen solche Plätze, wo mir ein wütender Hund begegnen könnte. Mitunter habe ich auch mit einer gewissen heroischen Leidenschaft zu tun gehabt, einer starken Neigung zum Selbstmord. Ich vermute freilich, dass dies auch anderen begegnet, nur dass sie es nicht in Büchern berichten. In früher Jugend endlich, bis ungefähr in mein zweites Jahr, schien mir ein Krebsleiden zu drohen; und vielleicht war wirklich ein Anfang dazu vorhanden an meiner linken Brustwarze, wo sich eine rote und dann schwärzlich werdende Geschwulst zeigte, eine Unempfindlichkeit und dann ein Beißen zu spüren war. Dies Übel lösten mit zunehmenden Jahren Krampfadern ab, und diesen folgte dann in meinen Knabenjahren das Herzklopfen, wovon ich schon erzählt habe. Später kamen dann Hämorrhoiden mit starken Blutungen, das erwähnte Jucken und andere Hautunreinlichkeiten. Von alldem bin ich wider alles Erwarten und ohne jede ärztliche Behandlung geheilt worden; denn habe ich auch gegen einige dieser Krankheiten Mittel gebraucht, so hat sich doch dadurch nur der natürliche Sitz des Krankseins verändert.
SIEBENTES KAPITEL
Von meinen Leibesübungen
Von früher Jugend an habe ich mich allen Arten von gladiatorischen Übungen eifrig gewidmet, sodass ich es bei dieser wilden und übermütigen Klasse von Menschen wohl hätte zu einigem Ansehen bringen können. Ich machte Fechtübungen mit dem Schwert, und zwar mit diesem allein oder auch mit einem Schild, mit dem oblongen oder mit dem großen oder kleinen Rundschild. Auch lernte ich mit dem Stoßdegen und Schwert zugleich, mit der langen Lanze und mit Wurfspeeren, oder aber auch mit Schwert und schwerem Mantel ohne besondere Anstrengung auf ein hölzernes Pferd zu springen und verstand es, unbewaffnet einem andern den gezückten Dolch zu entreißen. Ich übte mich auch im Laufen und Springen und habe es darin zu genügender Fertigkeit gebracht; weniger bei Übungen mit den Armen, meiner schwachen Armmuskeln wegen. Beim Reiten, Schwimmen oder Abfeuern von Schusswaffen war es mir noch nicht recht behaglich, fürchtete ich doch auch die Blitze wie den Zorn der Götter. Von Natur nämlich war ich feig, nur künstliche Übung hat mich mutig gemacht, weshalb ich mich auch in die Reihen der freiwilligen Miliztruppen aufnehmen ließ. Auch streifte ich oft bei Nacht, entgegen den Vorschriften der Obrigkeit, bewaffnet durch die Straßen der Stadt, wo ich gerade wohnte. Bei Tage ging ich bewaffnet, mit bleiernen Sohlen von 8 Pfund Gewicht an den Schuhen, bei Nacht verhüllte ich das Gesicht mit einem schwarzen Leinentuch und trug Strumpfschuhe aus starkem Wollstoff. Oft machte ich meine Leibesübungen in voller Waffenrüstung vom frühesten Morgen bis zum Abend und mühte mich dann noch schweißdurchnässt mit meinen Musikinstrumenten ab, trieb mich auch oft die ganze Nacht bis zum Morgen im Freien herum.
Bei Ausübung meiner ärztlichen Praxis ritt ich auf einem Pferd oder Maultier, häufiger aber ging ich zu Fuß. Vom Jahre 1562 an benutzte ich die Kutsche, in Bologna wie in Rom, und tue dies heute noch. Morgens fahre ich im Wagen aus und kehre dann zu Fuß zurück. Vom Mittagessen an trage ich leichtere Kleidung, etwas schwerere immer dann, wenn ich fahre.
ACHTES