1.4 Inhalt und Leseanleitung
In diesem Buch werden die Entwicklungen und die Rahmenbedingungen der Einrichtungen der SEBB in den drei untersuchten Kantonen Aargau, Bern und Solothurn dargestellt (Kapitel 2). Darauf folgen aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung zum Thema Arbeit und Gesundheit (Kapitel 3). An diese zwei Grundlagenkapitel schliesst in Kapitel 4 die Beschreibung unseres Forschungsprojekts «Arbeitsplatz Tagesschule» an. In Kapitel 5 bis Kapitel 14 stellen wir die Forschungsergebnisse dar. Dabei beruhen die Kapitel 5 bis 12 auf quantitativen Auswertungen (statistische Analysen) und Kapitel 13 und 14 auf qualitativen Auswertungen (Analyse und Kategorisierung von Antworten auf offene Fragen). Jedes Kapitel beinhaltet eine Facette des Forschungsprojekts und kann als in sich geschlossen und für sich verständliche Einheit gelesen werden. Zum Abschluss bietet das Kapitel 15 eine Schlussbetrachtung und Hinweise zu Handlungsfeldern. Am Ende jedes Kapitels wird das Wichtigste in kurzer Form zusammengefasst. Fachbegriffe und Abkürzungen werden im Glossar ab Seite 222 erklärt.
2 Rahmenbedingungen der schulergänzenden Bildung und Betreuung in den drei Kantonen
Die schulergänzende Bildung und Betreuung ist Teil der Bildungslandschaft in den drei Kantonen Aargau, Bern und Solothurn. Sie ist regelmässig ein Politikum, weil sie sich in einem Gebilde voller Gesetze, Richtlinien und Forderungen bewegt. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in den drei Kantonen. Als Erstes werden allgemeine Gesetze und Verordnungen beschrieben, die für sie gelten – beginnend mit Gesetzen auf internationaler Ebene. Es folgen Gesetze auf nationaler, interkantonaler sowie kantonaler Ebene. Schliesslich beleuchten wir die Vorgaben der drei untersuchten Kantone Aargau, Bern und Solothurn bezüglich konkreter Aspekte. Dabei ziehen wir Richtlinien und Empfehlungen verschiedener Verbände hinzu, die sich für Einrichtungen der SEBB einsetzen.
Die Regulierung wie auch die Forderungen nach Einrichtungen der SEBB in der Schweiz sind vielfältig und basieren auf verschiedensten Gesetzen und Empfehlungen. So ist die Kinderbetreuung in der übergreifenden UN-Kinderrechtskonvention (1989) festgehalten, welche die Schweiz 1997 ratifizierte:
Zur Gewährleistung und Förderung der in diesem Übereinkommen festgelegten Rechte unterstützen die Vertragsstaaten die Eltern und den Vormund in angemessener Weise bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, das Kind zu erziehen, und sorgen für den Ausbau von Institutionen, Einrichtungen und Diensten für die Betreuung von Kindern. (Art. 18 Abs. 2)
Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Massnahmen, um sicherzustellen, dass Kinder berufstätiger Eltern das Recht haben, die für sie in Betracht kommenden Kinderbetreuungsdienste und -einrichtungen zu nutzen. (Art. 18 Abs. 3)
Auf Bundesebene ist für die Kinderbetreuung insbesondere die Verordnung über die Aufnahme von Pflegekindern (PAVO, 1977) massgebend. Sie regelt unter anderem die Bewilligungspflicht und -voraussetzungen sowie die Aufsicht bei Neueröffnungen von Kindertagesstätten und Einrichtungen der SEBB. Darin sind sehr allgemeine Voraussetzungen aufgeführt, beispielsweise zur Wohnhygiene und zum Brandschutz, aber auch zur Qualität im Sinne einer entwicklungsförderlichen Betreuung und angemessenen personellen Ausstattung. Für den Vollzug sind die Kantone verantwortlich, wobei die meisten Kantone ergänzende kantonale Rechtsgrundlagen geschaffen haben.
Es bestehen weitere Vorschriften und Gesetze, die bei der Eröffnung einer Einrichtung der SEBB zur Anwendung kommen. Sie betreffen zum Beispiel Unfallverhütung, Lebensmittelsicherheit oder baupolizeiliche Anforderungen, die darüber hinaus grundsätzlich für Unternehmen oder Gebäude gelten.
Der Bundesrat (2017) benennt den Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung im Familienbericht von 2017 als eine Option für das Handlungsfeld «Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit». Damit wurde der Handlungsbedarf nach mehr Betreuungsplätzen auf Bundesebene erkannt. Konkrete Unterstützung bietet der Bund mit der Verordnung über Finanzhilfen für familienergänzende Kinderbetreuung (KBFHV, 2018). Dabei handelt es sich um ein Impulsprogramm, das neuen Betreuungseinrichtungen in den ersten zwei oder drei Betriebsjahren eine Finanzhilfe gewährt. In der Verlängerung der Verordnung bis 2023 sind zudem Finanzhilfen für die Erhöhung von Subventionen für die familienergänzende Kinderbetreuung (an die Erziehungsberechtigten oder an die Einrichtungen) sowie Finanzhilfen für Projekte zur besseren Abstimmung des familienergänzenden Betreuungsangebots auf die Bedürfnisse der Eltern enthalten.
Schulergänzende Einrichtungen werden zudem auf interkantonaler Ebene gefordert. So steht im HarmoS-Konkordat (2007) Folgendes:
Es besteht ein bedarfsgerechtes Angebot für die Betreuung der Schülerinnen und Schüler ausserhalb der Unterrichtszeit (Tagesstrukturen). Die Nutzung dieses Angebots ist fakultativ und für die Erziehungsberechtigten grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 11 Abs. 2).
Das HarmoS-Konkordat ist seit 2009 in Kraft und wurde seither von 15 Kantonen unterzeichnet. Dazu gehören die Kantone Bern und Solothurn, nicht aber der Kanton Aargau.
Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) und die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) regeln in einer gemeinsamen Erklärung die Federführung für die interkantonale Koordination der familienergänzenden Betreuung (EDK & SODK, 2018). Bei Kindern im Schulalter ist demnach die EDK verantwortlich. Zudem erklären sie das Kindeswohl als Ausgangspunkt aller Ziele und Massnahmen in Bezug auf die schulergänzende Betreuung. Die schulergänzende Betreuung soll die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie ermöglichen und damit der Existenzsicherung von Familien dienen. Sie soll Familienarmut bekämpfen und mithelfen, die Zielsetzung der Fachkräfteinitiative (WBF, o.J.) zu erreichen.
Schliesslich kommt der Bundesrat beim Vergleich der Familienpolitik auf nationaler und kantonaler Ebene zum Schluss, dass «im Handlungsfeld Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit […] die Einschätzung von Bund und Kantonen zu den Herausforderungen ebenfalls nicht weit auseinander [liegt]. Unbestritten ist der weitere Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung» (Bundesrat, 2017, S. 38).
Die Gesetzesgrundlagen der Kantone sind diesbezüglich sehr unterschiedlich, was auch für die im Forschungsprojekt untersuchten Kantone Aargau, Bern und Solothurn gilt. Der Kanton Aargau regelt nur wenig kantonal, er verpflichtet jedoch mit dem Gesetz über die familienergänzende Kinderbetreuung KiBeG von 2016 die Gemeinden, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot sicherzustellen. Zudem muss sich die Wohngemeinde finanziell an den Betreuungskosten beteiligen, unabhängig vom Betreuungsort und abhängig vom Einkommen der Erziehungsberechtigten. Das Gesetz kam als Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative zustande, die sich weit mehr kantonale Regelungen gewünscht hätte (Regierungsrat Kanton Aargau, 2014). Zuständig für die schulergänzende Bildung und Betreuung ist im Kanton Aargau das Departement Gesundheit und Soziales (Organisationseinheit Gesellschaft – Fachstelle Alter und Familie). Den Gemeinden wird ein grösstmöglicher Handlungsspielraum eingeräumt, sie müssen eigene Qualitätsstandards festlegen (Regierungsrat Kanton Aargau, 2019).
Im Kanton Bern bestehen verschiedene, teils ausführliche Gesetzesgrundlagen. Sowohl in der Verfassung des Kantons Bern (1993) als auch im Volksschulgesetz (VSG, 1992) sind Grundsätze und Angebote grob geregelt. Hervorzuheben ist hierbei, dass im Volksschulgesetz das Tagesschulangebot als Beitrag zur Erfüllung der Aufgaben der Volksschule verstanden wird. Zudem gibt es im Kanton Bern seit 2008 eine Tagesschulverordnung, die detailliert das Angebot regelt (TSV, 2008). Wie auch im Kanton