Markennamen erwerben sich dadurch mit der Zeit das Wohlwollen und Vertrauen des Kunden. Theoretisch kann der Nachfrager zwischen allen Produkten auswählen, de facto hat er sich jedoch auf eine Marke festgelegt.80 Das Ziel der Vermarktung besteht deshalb darin, eine Monopolstellung der eigenen Marke in der Psyche des Verbrauchers zu erwerben und damit die Loyalität des Kunden sicherzustellen.81 Der Markenwert ist dabei umso höher, je stärker die Marke die Präferenzen und Entscheidungen der Konsumenten dauerhaft beeinflussen kann. Dadurch können Marken einem Unternehmen langfristig höhere Erlöse generieren, weil starke Marken mehr Kunden anziehen und diese bereit sind, höhere Preise zu bezahlen.82 Eine starke Marke ist damit ein wichtiger Wettbewerbsvorteil und wird zum Vermögensgegenstand oder Kapital eines Unternehmens.83
Die Margen oder Gewinne, die sich mit Markenprodukten erzielen lassen, werden in der Betriebswirtschaftslehre unter anderem mit dem Produktlebenszyklus erklärt. Die Genese eines Produkts wird dabei in vier Phasen unterteilt: Einführung, Wachstum, Reife und Schrumpfung. Idealtypisch durchläuft die Umsatzentwicklung dabei eine S-Kurve.
In der Einführungsphase steht die Markterschliessung im Zentrum: Durch intensive Vermarktung wird das Produkt dem Publikum bekannt gemacht. Als erster Anbieter kann das Unternehmen in dieser Phase zwar Pioniergewinne realisieren, aufgrund der hohen Einführungskosten und der geringen Umsatzzahlen sind diese jedoch marginal. Zum Teil müssen sogar Verluste in Kauf genommen werden. Die Neuheit wird zu diesem Zeitpunkt nur auf dem Heimmarkt produziert und von dort aus teilweise ins Ausland exportiert.
In der Wachstumsphase erreicht das Produkt steigende Marktakzeptanz: Es gelingt dem Unternehmen, die anfängliche Skepsis des Publikums gegenüber dem Produkt abzubauen. In diesem Stadium wird die Gewinnzone erreicht. Methoden der Massenproduktion und eine Standardisierung des Produkts sowie eine steigende Nachfrage im Ausland mit einer Auslagerung der Produktion in andere Länder sind dabei typische Merkmale. Gleichzeitig dringen nachahmende Konkurrenten in den florierenden Markt ein, welche die bisherige Monopolstellung des Pionierunternehmens gefährden. Der Preiswettbewerb setzt ein.
In der Reifephase können die absoluten Umsatzzahlen weiter gesteigert werden, die Wachstumsraten beginnen aber zu sinken. Der steigende Verdrängungswettbewerb lässt die Renditen auf der Anbieterseite sinken. Die Preise fallen, bis die Gewinnmargen dahingeschmolzen sind und das Marktpotenzial schliesslich gänzlich ausgeschöpft ist. Die zusätzliche Nachfrage verlagert sich in dieser Phase hauptsächlich in die Entwicklungsländer.84
Wird der Produktlebenszyklus in diesem Stadium durch geeignete Marketing-Massnahmen wie eine Neulancierung des Produkts nicht verlängert,85 tritt eine Sättigung ein, welche zu schrumpfenden Umsatzzahlen führen kann. In der Degenerationsphase wird das bisherige Produkt schliesslich durch ein neues Produkt ersetzt, das den Kundenanforderungen besser entspricht.86 Laut der Produktlebenszyklustheorie durchlaufen Produkte damit einen «Prozess schöpferischer Zerstörung», indem alte Produkte und Technologien durch neue abgelöst werden.87
Neue Technologien und Konsumbedürfnisse beeinflussen also den Produktlebenszyklus eines Markenprodukts, und dieser wiederum hat Auswirkungen auf den Umsatz und den Gewinn – und damit das Wachstum – eines Unternehmens. Da die Gewinnmarge im Verlauf des Produktzyklus sinkt, müssen Unternehmen ihre Markenprodukte stetig den Konsumbedürfnissen anpassen oder sich neuen, Profit versprechenden Geschäftsfeldern zuwenden, um den Unternehmensgewinn aufrechterhalten zu können. Damit spiegeln Markenprodukte nicht nur Konsumbedürfnisse wieder, sondern beeinflussen auch die Entwicklung von multinationalen Konzernen.
Forschungsstand zu Nestlé und seinen Pulvergetränken
Über Nestlé und seine Markenprodukte sind zahlreiche Publikationen erschienen, die sich grob in drei Gruppen unterteilen lassen:
Eine erste Kategorie bilden die firmeneigenen Darstellungen des Unternehmens wie «This is your Company»,88 die beiden Jubiläumspublikationen von Jean Heer89 sowie deren Fortsetzung «Wandel als Herausforderung» von Albert Pfiffner und Hansjörg Renk,90 die als Überblickswerke eine nützliche Orientierungsgrundlage sind.
Zweitens häuften sich ab den 1970er-Jahren kritische Schriften über Nestlé sowie Gegendarstellungen des Westschweizer Unternehmens im Zusammenhang mit der Publikation «Nestlé tötet Babys»91 und der Diskussion um die Verantwortung multinationaler Konzerne. Zu den prominentesten unter ihnen zählen «L’Empire Nestlé» von Pierre Harrisson92 sowie die kürzlich von Attac Schweiz veröffentlichte Darstellung «Nestlé: Anatomie eines Weltkonzerns»,93 welche politisch gefärbt sind und eine einseitige Haltung gegen Nestlé einnehmen. Umgekehrt nehmen Publikationen wie «Nestlé. Macht durch Nahrung»94 und «Gemeinsam Werte schaffen»95 von Friedhelm Schwarz oder die firmeneigenen Darstellungen zu Nestlé in den Entwicklungsländern96 einen sehr entgegenkommenden Standpunkt gegenüber dem Unternehmen ein.
Als dritte Gruppe sind schliesslich zahlreiche historische Lizenziats- und Doktorarbeiten über Nestlé zu nennen, deren Interesse geschichtswissenschaftlich motiviert war: Zu ihnen zählen die Geschichte des Unternehmers Henri Nestlé von Albert Pfiffner,97 die Lizenziatsarbeiten über die Anglo-Swiss Condensed Milk Company von Manuel Fischer und Alain Bolomey sowie die darauf aufbauende Publikation «George Page. Der Milchpionier»,98 aber auch die Darstellungen über die Nestlé & Anglo-Swiss im Ersten Weltkrieg und die nachfolgende «Krisenreaktionsstrategie» des Unternehmens.99 Jüngst erschienen zudem Publikationen zur Geschichte von Nestlé am Bosporus,100 über den Milchpulverskandal «Nestlé tötet Babys» als Medienereignis101 sowie eine Begleitpublikation des Museums Alimentarium zu einer Ausstellung über die Anfänge der Schweizer Lebensmittelindustrie, die sich stark an Nestlé orientiert.102 Bei dieser Übersicht fällt auf, dass vor allem die Anfänge des Unternehmens bis zum Ersten Weltkrieg erforscht sind, während eine Aufarbeitung der Unternehmensentwicklung in der Zeitspanne zwischen 1921 und 1971, in der die Marken Nescafé, Nestea und Nesquik begründet wurden und Nestlé zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt aufstieg, mit Ausnahme von Heers Jubiläumsschrift und Martin Lüpolds Studie zu den Krisenjahren noch weitgehend fehlt.
Ähnliches gilt für die Geschichte des Pulverkaffees, die in verschiedenen Publikationen zwar gestreift, aber nie wirklich aufgearbeitet wurde.103 Zu Nescafé sind vorwiegend die Anfänge erforscht: Neben den Jubiläumsschriften von Jean Heer haben sich Malia Ukishima in ihrer Lizenziatsarbeit «Le succès et la recette du Nescafé»104 sowie Albert Pfiffner in seinem Artikel «A real winner one day»105 vertieft mit den Anfangsjahren der Marke zwischen 1930 und 1945 auseinandergesetzt und die Geschichte der Entdeckung und Lancierung des Nescafés damit auf eine solide Basis gestellt. Über die weitere Entwicklung der Marke ist dagegen wenig bekannt: Abgesehen von kurzen Erwähnungen im Bericht der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz-Zweiter Weltkrieg (UEK)106 über Geschäfte und Zwangsarbeit existieren einzig populärwissenschaftliche Darstellungen in Marken-Büchern.107
Noch marginaler untersucht ist die Geschichte des Tee- und Kakaopulvers. Während Instanttee nicht einmal in Ukers’ «All about tea»108 grössere Erwähnung findet und die Marke Nestea erst jüngst in der Dissertation «Ready to Eat» von Eva Von Wyl109 wissenschaftlich erforscht wurde, war die Geschichte