Flagschiff Nescafé - Nestlés Aufstieg zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt. Thomas P Fenner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas P Fenner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783039199044
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«Over a Cup of Coffee. The passion, the stories, the brand» als Grundlage diente, andererseits von mir für meine Dissertation genutzt werden konnte. Daraus ergab sich die einmalige Gelegenheit, die Geschichte der Marke Nescafé bis in die Gegenwart nachzuzeichnen. Gleichzeitig werden aufgrund der Schutzbestimmungen von Personendaten mit Ausnahme von Max Morgenthaler keine Namen von Mitarbeitern genannt, und zur Wahrung von Unternehmensgeheimnissen wird die Periode ab 1983 nicht mehr in der gleichen Tiefe behandelt.

      Trotzdem möchte ich hier einige Personen erwähnen, die mir bei meiner Arbeit sehr behilflich waren und denen an dieser Stelle mein Dank gebührt: vorab Albert Pfiffner, der mir bei diesem Projekt stets zur Seite stand, sowie Tanja Aenis, Lisane Lavanchy und Sabine Effinger, die mir bei meinen Recherchen im Nestlé-Archiv behilflich waren. Spezieller Dank gehört auch Christophe Stern, Anne-Lise Borboën und Mélanie Colanero für die Unterstützung von Seiten der Marketing-Abteilung. Für die Begleitung im Wander-Archiv bedanke ich mich bei Heinz Dürr, und in den «Archives de la Ville de Neuchâtel» stand mir Olivier Girardbille hilfreich zur Seite. Sehr gewinnbringend waren auch die Gespräche mit Erol Toker von der Agentur Doriane und zahlreichen Mitstudentinnen und Mitstudenten.

      Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Jakob Tanner und Prof. Dr. Tobias Straumann für die Betreuung sowie bei meiner Familie und meinen Freunden für die Unterstützung in diesem langen Projekt.

      Für die grosszügigen finanziellen Beiträge an die Herstellungskosten dieser Publikation bedanke ich mich sowohl bei der Nestlé S. A. als auch beim Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Ebenso danke ich Madlaina Bundi, Regula Bühler und Simone Farner vom Verlag Hier und Jetzt für die Betreuung, das sorgfältige Lektorat und die Gestaltung.

      Bern, im Juli 2015

      Thomas Fenner

      Einleitung

      Einführung und Fragestellung

      Seit der Kaffee im 17. Jahrhundert in die Hände europäischer Handelsgesellschaften geraten ist,1 verbreitet sich das ursprünglich aus dem Orient stammende Genussmittel in einem Zusammenspiel von kapitalistischer Produktion und soziokultureller Aneignung auf der ganzen Welt.2 Heute beginnen jeden Morgen Millionen von Menschen rund um den Globus ihren Tag mit einer Tasse Kaffee, deren Bedeutung weit über ihre physische Funktion als weckenden Durstlöscher hinausgeht: Der aus der Tasse aufsteigende Dampf gehört ebenso zum sinnlichen Erlebnis wie der Duft der frisch gerösteten Kaffeebohnen. Darüber hinaus ist das Kaffeetrinken zu einer symbolischen Handlung des behaglichen Beisammenseins, der Kommunikation und der menschlichen Nähe geworden.3 «Sich auf einen Kaffee verabreden» oder «zusammen einen Kaffee trinken» haben sich in diesem Zusammenhang längst als gängige Formulierungen etabliert.4

      Neben der gesellschaftlichen Einbettung in unsere Alltagskultur trug nach dem Zweiten Weltkrieg auch die vereinfachte Zubereitung mit Kaffeepulver und Kaffeemaschinen wesentlich zur Popularisierung des Kaffees bei.5 Laut dem Wirtschaftshistoriker Geoffrey Jones konnten multinationale Grosskonzerne durch die Betonung der einfachen Zubereitung ihren Einfluss im Kaffeegeschäft erheblich erweitern, indem sie von Skalenerträgen6 profitierten und weltweit bekannte Marken aufbauten.7 Heute lässt sich die Anzahl der Unternehmen, welche über zwei Drittel des Kaffees verarbeiten, an einer Hand abzählen: Nestlé, Kraft General Foods, Jacobs Douwe Egberts, Procter & Gamble und Tchibo.8

      Die Geschichte des Kaffees verbindet somit die moderne, technisch vereinfachte Zubereitungsart mit dem steigenden Stellenwert von Marken und multinationalen Unternehmen, deren wachsender Einfluss sich in den letzten Jahren unter anderem darin manifestierte, dass rund um den Globus zunehmend dieselben Markenprodukte getrunken wurden, die grössten global agierenden Konzerne gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung zahlreiche Nationalstaaten übertrafen9 und Marken sich zu Identifikationsmerkmalen entwickelten, welche die heutige Kultur und Gesellschaft prägen.10 Oft wird in diesem Zusammenhang von einer weltweiten Vereinheitlichung der Alltagskultur in einer «globalisierten Welt»11 gesprochen, die von Weltmarken und den dahinter stehenden multinationalen Konzernen gesteuert wird.12

      Exemplarisch für diese globalen Transformationsprozesse steht das Schweizer Lebensmittelunternehmen Nestlé, welches unter der Marke Nescafé die schnelle und bequeme Kaffeezubereitung mit löslichem Pulverkaffee oder Instantkaffee popularisierte. Mit rund 339 000 Mitarbeitern und 442 Produktionsstätten in 86 Ländern gehört Nestlé zu den grössten13 und globalsten14 Unternehmen der Welt.15 Der Konzern mit Sitz in Vevey erzielt heute einen Umsatz von etwa 100 Milliarden Schweizer Franken pro Jahr16 und ist von diesem Gesichtspunkt her seit 1971 Branchenleader.17 Dies ist insofern erstaunlich, als 1973 fast 90 Prozent der grössten Lebensmittelkonzerne der Welt ihren Sitz in den Vereinigten Staaten oder Grossbritannien hatten,18 wo sie aufgrund der grossen Binnenmärkte günstige Wachstumsbedingungen vorfanden,19 Nestlé dagegen in einem Kleinstaat wie der Schweiz ansässig ist.

      Gleichwohl nehmen Nestlés Marken in vielen Ländern und Lebensmittelbereichen eine bedeutende Stellung ein. Nescafé stellt heute mit einem jährlichen Umsatz von rund zehn Milliarden Schweizer Franken die bedeutendste Kaffeemarke der Welt und die wertvollste Marke der Schweiz20 dar. Jede sechste Tasse Kaffee, die weltweit konsumiert wird, ist eine Tasse Nescafé. Die Marke ist insofern einzigartig in der Kaffeewelt, weil sie sich auf das Geschäft mit Pulverkaffee konzentriert und diesen Markt mit einem weltweiten Anteil von etwas über 50 Prozent auch beherrscht.21 In Grossbritannien zum Beispiel ist Nescafé für viele Menschen der Pulverkaffee schlechthin.22 Ähnliche Verhältnisse herrschen ebenfalls auf den Tee- und Kakaopulvermärkten, wo Nestlé im Bereich der Kakao- und Malzgetränke mit Marken wie Nesquik, Milo und Nescao weltweit führend ist,23 während Nestea 2006 neben Nespresso zu den am stärksten wachsenden Milliardenmarken des Grosskonzerns zählte.24

      Wie gelang es Nestlé, weltweit bedeutende Marken wie Nescafé aufzubauen und damit Produktsegmente zu dominieren? Wie stieg das Schweizer Unternehmen zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt auf, und welche Zusammenhänge gibt es zwischen dieser ausserordentlichen Unternehmensentwicklung und der Herausbildung von Weltmarken wie Nescafé?

      Obwohl über das Unternehmen am Genfersee und seine Marken viel geschrieben und berichtet wird, ist über die Gründe für Nestlés aussergewöhnliches Wachstum und die historische Entwicklung bedeutender Marken wie Nescafé, Nestea oder Nesquik bisher wenig bekannt. Diese Forschungslücke soll in der vorliegenden Arbeit geschlossen oder zumindest beträchtlich verringert werden, indem anhand von firmeneigenen Quellen erstmals aufgezeigt wird, wie Nestlé und Nescafé so gross und bedeutend werden konnten.

      Im Zentrum steht dabei die Markengeschichte von Nescafé, die als Schnittpunkt zwischen Unternehmens-, Konsum- und Produktgeschichte das Wachstum des Schweizer Grosskonzerns mit den weltweiten Veränderungen der Konsumkultur verbindet. Vergleichend und ergänzend dazu werden die mit dem Pulverkaffee verwandten Produkte des Unternehmens wie Nestea oder Nesquik sowie Schweizer Unternehmen in ähnlichen Geschäftsfeldern (insbesondere die Firma Wander mit Ovomaltine) beigezogen, um die besondere Entwicklung von Nestlé und Nescafé hervorzuheben oder erst verständlich zu machen.

      Markengeschichte als Unternehmensgeschichte aus der Produktperspektive

      Nestlés Aufstieg zum grössten Lebensmittelkonzern der Welt wurde bisher vor allem auf erfolgreiche Fusionen und Übernahmen zurückgeführt:25 «Das enorme Wachstum von Nestlé ist zu einem grossen Teil mit durchwegs erfolgreichen Fusionen und Akquisitionen bewerkstelligt worden – was angesichts der Tatsache, dass solche Zusammenschlüsse oft scheitern, bemerkenswert ist […]»,26 beschrieben beispielsweise Gerhard Schwarz und James Breiding 2011 die erstaunliche Entwicklung des Unternehmens. Wenig beachtet wurde dagegen, dass Nestlé mit seinen Markenprodukten auch ein starkes internes Wachstum aufwies, obwohl das Unternehmen aus Vevey immer wieder betonte, dass dem internen Wachstum der strategische Vorrang gegeben