1.3.4 Ergebnis
Im theologischen Werk Karl Rahners kann die Firmung vom Ausgangspunkt des alltäglichen Glaubenslebens her verstanden werden. Rahner integriert verschiedene Sachthemen in diese Sichtweise, in der er den Menschen für seinen Alltag als charismatischen Geistesträger der liebenden Zuwendung Gottes zur Welt kennzeichnet. Hier gelangt auch das Sakrament der Ehe zur Erklärung christlichen Handelns in der Welt zu besonderer Bedeutung wie auch die Sendung, als mündiger Christ im Alltag zu handeln. Im Glaubensleben soll sich auch die Seelsorge Jesu im alltäglichen Handeln weiterwirken, der Gefirmte ist zum caritativen Handeln gesandt und soll den Blick aller Menschen auf Gott offen halten. Schwierig vom Glaubensleben zu unterscheiden sind Rahners Aussagen, die der Sachfrage nach Gabe und Aufgabe in der Firmung zugeordnet werden: die Sendung zu gegenseitigen Führen zu Gott hin und die Gabe des messianischen Geistesfülle. Das hängt in Rahners Theologie damit zusammen, dass es der Alltag ist, in dem der Christ tätig werden muss.
Für die kirchliche Gemeinschaft wird der / die Gefirmte in allen Sakramenten zu einer aktiven Aufgabe eingewiesen, Firmung ist eine Gabe, in der die Kirche sich selbst auf den Weg gibt und die Zusage, dass Gott in der Kirche auf vielfältige Weise präsent ist. Dem Kriterium Gottesbild wird die Absage an die Hybris der Selbsterlösung zugeordnet, die Wahrheit und Liebe als Orte der Gottesbegegnung und die unwiderrufliche Zusage, dass Gott die Welt gerettet hat. Als solcher hat der Christ den Auftrag, seine eigenen Lebensentscheidungen frei zu treffen und sie als Antwort auf Gottes Aufruf zu verstehen, was der Biographie zugewiesen wird. Mit dem Gedanken, dass die Firmung Gottes Zusage beinhaltet, das Wort des Menschen zu Gottes Wort zu machen, ist ein deutlich kommunikatives Element in der Theologie Rahners gegeben. In die Sachfrage Passageritual kann eingeordnet werden, dass die Firmung in Rahners Sicht gelungen ist, wenn subjektiv mitvollzogen werden kann, was objektiv geschieht, die Bedeutung von frei machenden Lebensperspektiven und Erfahrungen sowie die Herausstellung des eigenen Charismas. Die Firmung ist deshalb dann zu spenden, wenn der Empfänger die Eindrücklichkeit des Sakramentes subjektiv mitvollziehen kann. In der folgenden Tabelle werden die Ergebnisse zusammengefasst und auf die Sachthemen hin bezogen:
Tabelle 4: Firmung bei Karl Rahner und Sachthemen
Firmung ist in der Sichtweise Karl Rahners… | Sachthemen |
- …Sendung zum Weiterwirken der Seelsorge Jesu im alltäglichen Handeln- …Sendung zur Liebe zwischen Mensch und Mensch, besonders deutlich am Sakrament der Ehe sichtbar- …Sendung als mündiger Christ im Alltag zu handeln- …Sendung im Alltag den Blick aller Menschen auf Gott offen zu halten- …mit der Gabe des Charismas zum Bestehen alltäglicher Situationen verbunden- …Sendung zum caritativen Handeln | Glaubensleben |
- …Sendung zum gegenseitigen Führen hin zu Gott- …Gabe der messianischen Geistesfülle | Gabe und Aufgabe |
- …wie bei allen Sakramenten Einweisung in eine aktive Aufgabe in der Kirche- …eine Gabe, in der die Kirche sich selbst mit auf den Weg gibt- …Zusage und Zeichen, dass Gott, der Transzendente, in der Kirche für Menschen präsent ist | Gemeinschaft |
- …sichtbares Zeichen der Bestärkung im Glauben und der Herrschaft Gottes in dieser Welt, die vor allem der Hybris der Selbsterlösung gegenüber steht.- …Sendung, nach Wahrheit und Liebe zu suchen, als Orte, an denen Gott präsent ist- …Zusage, dass Gott die Welt gerettet hat | Gottesbild |
- …Auftrag, die eigenen Lebensentscheidungen frei zu treffen, sie aber auch als Antwort auf Gottes Anruf zu verstehen | Biographie |
- …Gottes Zusage, das Wort des Menschen zu seinem eigenen Wort zu machen | Kommunikation |
- …gelungen, wenn subjektiv mitvollzogen werden kann, was objektiv geschieht- …verbunden mit frei machenden Erfahrungen und Lebensperspektiven- …verbunden mit der Herausstellung des eigenen Charismas mit gesellschaftlicher und kirchlicher Verantwortung | Passageritual |
- …dann zu spenden, wenn der Empfänger die Eindrücklichkeit des Sakramentes subjektiv mitvollziehen kann | Alter |
Der Alltag soll der Ort sein, an dem sich christliche Sendung ereignet. Hier kann man sogar von einer verborgenen Dimension kirchlicher Sendung beziehungsweise christlichen Handelns sprechen, weil der Alltag der Christinnen und Christen Theologen und Amtsträgern nicht zugänglich ist. Sendung der Kirche im Alltag hängt damit zusammen, dass sich die Kirche selbst in den Sakramenten mit auf den Weg gibt und der Gemeinschaft der Kirche verheißen ist, dass Menschenrede zu Gottesrede werden kann, wo sie auf das eschatologisch endgültige Christusereignis hin bezogen ist. Das heißt, dass der Alltag der Christinnen und Christen zu einer verborgenen Theologie wird, wo die Sendung, die in der Taufe grundgelegt und in der Firmung verdeutlicht ist, gelebt wird. Ein eigenes Betätigungsfeld für Gefirmte wäre damit nun überflüssig geworden, weil es im Alltag der Menschen verortet ist. Kirchliches Handeln wird von Christinnen und Christen also in ihrem Alltag bewerkstelligt.
Rahner bringt die Firmung auch mit der Herrschaft Gottes in Verbindung. Alltägliches Handeln der Gefirmten ist somit ein Beitrag zu dem fragil und zerbrechlich gegenwärtigen Reich Gottes, das im Christusereignis seinen Anfang hat. Diese Gottesherrschaft verbindet Rahner an einer Stelle vor allem mit einer Absage an die „Hybris einer Selbsterlösung“237, was dazu führt, dass die Firmung in erster Linie als Heilsangebot und als Heilsereignis für das persönliche Leben wahrzunehmen ist. Firmung muss deshalb mit frei machenden Erfahrungen verbunden sein, das Heilsangebot Gottes an jeden und jede persönlich thematisieren und zur Herausbildung eines eigenen Charismas führen.
1.4 Firmung vom Ausgangspunkt Gabe und Aufgabe her gesehen – die Sicht Hans Urs von Balthasars
Zwischen Karl Rahner und Hans Urs von Balthasar kam es zu einer Debatte über die Frage, wer wirklich ein Christ ist, oder anders formuliert: was einen Christen wirklich auszeichnet238. Der Hintergrund ist wohl darin zu sehen, dass Balthasars Theologie von dem Gedanken der Gabe und Aufgabe her inspiriert ist239. In den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde die Firmung unter dem Aspekt der Gabe und Aufgabe mit der Zeugenschaft für Jesus Christus in Wort und Tat verbunden. Daher gelten Gabe und Aufgabe sowohl dem Einzelnen als auch der Gemeinschaft. Die Theologie Balthasars zur Firmung und zum christlichen Leben kann dazu dienen, das Verständnis der Firmung unter dem Aspekt der Gabe und Aufgabe weiter zu entfalten. Im Unterschied zu Biographie und Glaubensleben ist hier der Fokus stark auf die Verbindung des Einzelnen mit der Gemeinschaft und mit Gott gelenkt zur persönlichen und gemeinschaftlichen Begabung und zur Sendung. Denn, wie Thomas Marschler von der Ruhr-Universität Bochum schreibt, um „seine Maßstäbe muss der Christ ebenso wissen, wenn er zusammen mit all den anderen, die den Namen Christi tragen, nach dem zukünftigen Weg der Kirche sucht“240.
1.4.1 Firmung ist Zugehörigkeit zum universale concretum
Am Beginn der Kirche stehen für Balthasar keine abstrakten Ideen oder Prinzipien, sondern konkrete Personen,