Das Pilgerstübli Eschenbach
Wir haben von sehr vielen Freunden in der Schweiz vor dem Start Abschied genommen. Viele begleiten uns weiter im Gebet. Die Zisterzienserinnen des Klosters Eschenbach (Kanton Luzern) haben die Anschlagtafel vor ihrer Kapelle neu gestaltet. Sr. Ruth, eine gute Freundin von Hildegard, hängt dort jeden Morgen vor dem ersten Gebet die Blog-Beiträge der Pilger aus, sodass alle Interessierten sie lesen können. Jeden Morgen gedenken sie unser im Gebet. Sr. Ruth selber schreibt hin und wieder einen Kommentar, öfter meldet sich Sr. Christa zu Wort. Sr. Paula lässt uns ausrichten, dass sie uns jeden Morgen im Gebet segnet. Durch unseren Blog erleben wir, wie sehr viele Menschen unseren Weg verfolgen, manche nur durch häufiges oder gar tägliches Lesen, andere steuern regelmäßig einen Kommentar bei, spinnen unsere Gedanken im Blog weiter. Wir spüren, dass das Gebet vieler Menschen uns begleitet, insbesondere in der angespannten Situation Syriens wird es für uns stärkendes Fundament.
Meine Mutter sagte mir, sie könne nicht mehr mitgehen – sie ist beinahe bettlägerig. Aber beten wird sie jeden Tag für uns. (fm)
Die erste Etappe durch die Schweiz
Umgeben von Lieben, von den Freundinnen und Freunden, der Familie, von Bekannten und Unbekannten feiern wir am 2. Juni 2011 den Aussendungsgottesdienst im Lassalle-Haus. Ich bin gerührt. Viele Tränen fließen. Ich kann es gar nicht richtig einordnen. Es fließt und fließt und fließt. Tief in meinem Innern nimmt die Größe, das Unwirkliche, das Unbegreifliche Raum ein. Die Liebe und Stärke, der große Glaube an uns und all der Segen, der über uns ausgerufen wird, sind im ganzen Kirchenraum spürbar. So gestärkt, gehen wir los in den ersten Tag hinein, begleitet von über 200 Menschen, die mit uns die erste Etappe bis Einsiedeln pilgern.
Und dann nochmals Abschied. Vor der Klosterkirche in Einsiedeln kommen die Vielen, die uns an diesem Tag hierherbegleitet haben, nehmen uns in die Arme, wünschen uns das Beste und stecken nochmals Glücksbringer zu. Der ganz persönliche Segen meiner Freundin, die nicht mitlaufen konnte, aber eigens nach Einsiedeln reiste, berührt mich und begleitet mich jeden Tag.
Dreißig Frauen und Männer begleiten uns weitere zehn Tage lang quer durch die Schweiz. Sie geben uns Geleit bis zur Schweizer Grenze in Müstair. Wir gehen auf schönsten Wegen, durch heimatliche Gegenden am Zürichsee entlang, später durch das Sarganserland. Wir genießen den Sonnenschein entlang dem Walensee und dem Rhein, durchschreiten die Weinberge der Bündner Herrschaft, folgen der Landquart bis Klosters, besteigen den Zug durch den Vereinatunnel und kommen gut in S-charl an. Am zweitletzten Tag des Pilgerns mit der Gruppe überschreiten wir den höchsten Punkt der ganzen Wallfahrt, den Pass da Costainas mit 2251 m. Wir testen dabei im strömenden Regen unser Material. Auf der ganzen Strecke durch die Schweiz rasten wir an wunderbaren Plätzen. Wir werden verwöhnt, weil Hans und Rosmarie die Streckenführung und die Unterkünfte bis ins kleinste Detail vorbereitet haben und weil Reto und Hanspeter immer zur rechten Zeit am rechten Ort für uns ein Feuer bereit haben. Die Würste sind eingeschnitten, die Schokoladebananen vorbereitet, die Früchte schön drapiert auf einem Brett und die Creme ist angerührt. Am Abend finden wir in der Unterkunft ein Bett vor und gutes Essen. Wir kommen sowohl im Hotel als auch in der Zivilschutzanlage unter, genießen das Mehrbett- genauso wie das Zweierzimmer.
Immer wieder hören wir unsere Mitpilger zur Frage, wohin geht ihr, sagen: Wir sind unterwegs nach Jerusalem! Die dreißig uns Begleitenden machen sich unser Projekt zu eigen. Sie nehmen so sehr Anteil, dass wir wissen – wir werden nie alleine sein auf unserm ganzen weiteren Weg.
Obwohl niemand von uns vieren verheiratet ist, erleben wir in diesen ersten Tagen, was Honeymoon heißen kann. Wir schweben wie auf einer Wolke, so viel Zuwendung und Liebe kommen uns entgegen. Wir fühlen uns getragen und behütet. Ich bin richtig verliebt in die, die es so gut mit uns meinen.
Es ist für uns eine enorme Erleichterung, die erste Pilgeretappe unter fachmännischer Anleitung zu beginnen und den drei Pilgeranfangssünden – zu schnell, zu weit, zu viel – nicht zu erliegen. (er)
Buddhistisch-christliche Begegnung
Bei der Eröffnung des Pilgerprojekts vor sieben Monaten und auch bei den folgenden Veranstaltungen waren Vertreter des Judentums und des Islams mit dabei. Christsein ist heute im Angesicht der andern Religionen zu leben. Es ist ein erklärtes Ziel unseres Pilgerns, zur Verständigung der Religionen beizutragen. Natürlich sind bei einer Wallfahrt nach Jerusalem zuerst die jüdischen und muslimischen Gläubigen im Blick. Eine umso größere Freude war die Gegenwart von Claude Anshin, dem buddhistischen Mönch, und seiner Schülerin Wiebke beim Aussendungsgottesdienst. Er war Gast in der Eucharistiefeier. Wir teilten den Friedensgruß, und er kam nach der Feier in die Sakristei, um mir alles Gute für das Pilgern zu wünschen. Dabei sagte er, selbst ein erfahrener Pilger: The most important principle for a pilgrimage is ‚not knowing‘. Ich verstand ihn sofort und antwortete: Ja, du sollst dir kein Bildnis machen! Beim Pilgern geht es wie im Leben stets darum, sich der Führung Gottes anzuvertrauen. Alles soll gut vorbereitet sein, um es dann loszulassen und im Augenblick situations- und menschengerecht zu handeln. Der buddhistische Mönch und der christliche Ordensmann schauten sich mit Verständnis an, umarmten sich und gingen ihre Wege. Claude Anshin ging zu seinen Kursgästen, ich zu meiner Pilgergruppe. (chr)
Ein letzter Blick zurück
Oft schon bin ich von Einsiedeln über St. Meinrad nach Pfäffikon und dann über den Seedamm heim nach Jona gepilgert. Heute laufen wir dieselbe Strecke ein Stück weit und dann zweigen wir rechts ab Richtung Siebnen. Immer wieder schweifen die Augen über den See dem Vertrauten zu: Jona, Rapperswil, Bußkirch, das Kloster Wurmsbach und s’Klösterli, der Stau auf dem Damm und … Aber wir gehen vorbei. Diese zweite Etappe führt mich ganz nah an meinem Zuhause vorbei, und ich muss es einfach lassen. Ich muss das mir Bekannte und Gewohnte lassen. Jetzt geht es neuen Horizonten zu – Jerusalem zu! (er)
Der Weg und das Ziel
Schritt um Schritt marschierten wir auf dem Damm des Rheins. Schritt um Schritt stieg es an durch die Weinberge der Bündner Herrschaft. Schritt um Schritt durchquerten wir die Schlucht ins Prättigau hinein. Schritt um Schritt ging es der Landquart entlang. Schon des Öfteren habe ich in dieser Gegend Schritt an Schritt gesetzt, bin gewandert und hier gegangen. Doch Schritte in derselben Landschaft haben nun eine andere Bedeutung. Es sind nicht Ferienschritte, nicht Wanderschritte am Sonntagnachmittag. Es sind nun Pilgerschritte, ausgerichtet nach Osten, nach Jerusalem. Das Ziel strahlt über Hunderte von Kilometern hierher und verwandelt den Weg, jeden einzelnen Schritt. (chr)
Gehen für den Frieden
Immer noch gehen mir die Nachrichten und Bilder durch den Kopf, die ich im Internet zum Unabhängigkeitstag von Israel gelesen und gesehen habe. Feiern auf der einen Seite, Demonstrationen auf der anderen. Hier Tote, da Leben. Was für die Israelis Freiheit bedeutet, bedeutet für die Palästinenser Katastrophe. Wir gehen für den Frieden, gerade auch zwischen diesen beiden Völkern. Ich fühle bei diesem Gedanken nur Ohnmacht. Trotzdem müssen wir gehen. Ob die Politiker und Militärs sich in derselben Weise ohnmächtig fühlen? Sie arbeiten seit Jahren, und es entsteht kein Friede. Wir beten und werden die Welt auch nicht erlösen. Doch wir müssen pilgern. Es braucht alle guten Kräfte, die Politiker und die Wissenschaftler, die Künstler und die Medienleute, die Arbeiter und die Intellektuellen … Auch wir müssen unseren Beitrag leisten. (chr)
Zwischenhalt