Vier Pilger - ein Ziel. Christian Rutishauser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Rutishauser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Религия: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783429062170
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endet und die Bauern sagen, am Ende des Feldes gehe es nicht mehr weiter, weil es über einen kleinen Bach keine Brücke gäbe. Es ist schwer, die Ungewissheit auszuhalten, dass Karten fehlerhaft sind, dass aber auch improvisierte Abkürzungen in Sackstraßen enden, auch wenn es völlig flach aussieht. Welcher Kompromiss ist der Mittelweg? Wo ermüdet ein längerer Wanderweg weniger als die kürzere Straße? Ich tue mich schwer, die auf dem GPS-Gerät angezeigten Distanzen schnell abschätzen und in Zeit umzurechnen. Wie lange laufen wir bis zur nächsten Abzweigung, die ich nicht übersehen darf? Ist es schon diese oder erst die nächste? Besonders in Ortschaften oder Städten ist vorausschauendes Vorstellungsvermögen gefragt, denn die Genauigkeit der Anzeige auf dem Gerät lässt sehr zu wünschen übrig – zwischen hohen Häusern ist der Empfang des GPS-Signals oft schlecht.

      Immer wieder frage ich auch Leute an den Wegen, Einheimische, wo es langgeht. In der Regel schicken sie uns auf die Hauptstraße, wo der Verkehr rollt. Ich will aber auf Feldwegen weiterlaufen. Meine Schwierigkeit ist, dass ich oft wohl den Namen des nächsten Dorfes kenne, nicht aber den Namen des nächsten Bauernhofes, der am Feldweg dazwischen liegt. Den würde der Einheimische kennen und mich dann dahin schicken, denke ich. So bleibe ich bei meinen Aufzeichnungen und folge nicht dem Hinweis auf die Hauptstraße.

      Die Tagesetappen habe ich auch in Hinblick auf mögliche Quartiere gegliedert. Gibt es einen größeren Ort, wo wir eher ein Quartier finden? In allzu kleinen, so denke ich, wird es schwieriger sein. Die anderen beruhigen mich und sagen: Du bist nur für die Route zuständig, die Unterkunft suchen wir gemeinsam. Aber wo wir am Ende des Tages anhalten, liegt in meiner Hand. Einen Rest der Sorge um die Unterkunft kann ich nicht ablegen, er begleitet mich jeden Tag.

      Das führt einige Male dazu, dass wir zu lange Tagesetappen machen. Esther und Hildegard sind am Ende ihrer Kräfte, bleiben aber geduldig, auch wenn sie mir deutlich sagen, es war wieder zu lang. Christian will vorwärtskommen. Ihm wird es fast nie zu lang. Da ich die Strecke nicht kenne, können wir uns nicht trennen. Ich weiß nicht, welchen Treffpunkt wir benennen könnten. So heißt es beisammenbleiben, mindestens in Rufweite.

      In Sofia habe ich einen Tag am Computer verbracht, um die weiteren Etappen bis Istanbul im Detail zu planen. Die anderen konnten sich in der Zeit Sehenswürdigkeiten in der Stadt anschauen. Hildegard habe ich gebeten, mir wenigstens ein paar Fotos von den ausgegrabenen römischen Straßenstücken und den frühchristlichen Kirchen mitzubringen. Ich hätte sie gerne selber gesehen, aber die „Arbeit“ für unsere Wallfahrt hatte Vorrang.

      Ganz im Süden der Türkei haben wir uns das zweite Mal verlaufen, weil ein Steg über einen Kanal fehlte. Ansonsten sind wir ohne große Fehleinschätzungen durchgekommen. Am Abend mancher Tage spüre ich, dass die ständige Aufmerksamkeit auf den Weg anstrengt und ermüdet, sodass ich nicht mehr viel Kraft und Konzentration für weitere anstehende Aufgaben habe. (fm)

       Wallfahren heißt für mich: beständig dranbleiben

       An der Route dranbleiben, jeden Tag im Rhythmus, jeden Tag das Ziel mit den Abschnitten im Auge behalten. Keine unnötigen Ausflüge. Pausen sind da zum Entspannen, zum Ausruhen, aber das Weitergehen bleibt im Blick. Auch die Unterbrechung ist begrenzt und dient zum Auftanken für das nächste Stück Weg.

       Täglich hat für mich die Vorbereitung des Weges für den nächsten Morgen Priorität. Das Aufladen der Akkus für das GPS muss jeden Tag geschehen, auch wenn ich ein paar in Reserve bei mir trage. Die Wäsche ist jeden Tag zu waschen und aufzuhängen. Jeden Tag stelle ich eine Zeit für Gott, für das Gebet zu ihm und für die Menschen zur Verfügung.

       Treu bleiben im Kleinen, um dem Großen entsprechen zu können. (fm)

       Besuch beim Info-Team in Belgrad

       Wir haben Ruhetag in Belgrad. Diesen nutze ich dazu, im Büro der Firma, die die GPS-Geräte vertreibt, vorbeizugehen. Als ich in das Büro trete, werde ich von einem Mitarbeiter begrüßt mit: Hallo, Franz! Seit einem Jahr stehen wir in E-Mail-Kontakt und jetzt diese herzliche Begrüßung mit Kaffee und einem Glas Wasser! Das Gespräch entwickelt sich sofort. Es ist bekannt, dass wir eine Wallfahrt nach Jerusalem machen. Esther und ich werden nach unseren Erlebnissen in Serbien gefragt. Offenherzig erzählen wir von den Sonnen- und Schattenseiten. Auch von unserem Blog sprechen wir, dessen Link er seiner Frau nach Erfurt schickt. Sie verbringt dort gerade einen Studienaufenthalt für ihr Doktorat zum Thema „Verhältnis von Staat und Kirche in Serbien“. Er ermutigt uns, gibt uns einige Tipps und seine Natelnummer und sagt: Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie etwas brauchen, even in the middle of the night – don’t hesitate!

       Wir werden ihn auf unsere Liste von Menschen schreiben, die uns auf dem Weg etwas Gutes getan haben und für die wir auf dem Weg und in Jerusalem beten werden. Er ist gerührt und mir scheint, sowohl er als auch wir sind den Tränen nahe, als wir das Büro verlassen. So viel warmherzige Hilfsbereitschaft und Verstehen werden uns hier geschenkt. (fm)

       Planung der Tagesetappen

       Mit den Informationen, die ich hier in Plovdiv einholen konnte, habe ich unsere Route für die nächsten Tage umgestellt. Man sagte mir, dass die Autobahn quer durch Bulgarien Richtung Türkei nicht fertig gebaut sei. Deshalb wird sich der große internationale Schwerverkehr wohl auf der bisher als „alte Autobahn“ bezeichneten Hauptstraße südlich der Maritsa bewegen. Diese Straße ist wie eine Kantonal- oder Bundesstraße bei uns. Das Schlimmste für mich ist, dass wir meistens auf der linken Straßenseite gehen und den uns entgegenkommenden Verkehr sehen. Wenn allerdings ein Fahrzeug auf unserer Seite von hinten her überholt, bin ich immer überrascht, oft sehr erschrocken, weil ich es nicht kommen sehe noch höre und es mit hoher Geschwindigkeit knapp an mir vorbeirauscht. Diese Art Verkehr ist für uns der anstrengendste. Deshalb möchte ich ihn morgen vermeiden.

       Bei der Routenplanung versuche ich immer vier Kriterien zu berücksichtigen:

       1. die Wunschdistanz von 25 bis 30 km pro Tag.

       2. Wenn höhere Berge auf der Route sind, braucht das zusätzliche Kraft und die Kilometeranzahl soll aufgrund der zusätzlichen Leistung reduziert werden. (In der Türkei wird mir meine elektronische Karte keine Informationen mehr über Steigungen und Berge bieten …).

       3. Wir bevorzugen Nebenstraßen gegenüber Hauptstraßen, weil es weniger Verkehr gibt, weniger Lärm und mehr Sicherheit.

       4. In den Blick zu nehmen versuche ich, ob es am Zielort eine Unterkunft gibt oder geben könnte. Nur manchmal geben meine Karten dazu Auskunft. (fm)

       Der Weg durch die Türkei und Syrien

       Dieser Tag war kein freier Tag für mich. Vom Morgen bis zum Abend war ich daran, die Route durch Syrien und Jordanien für das GPS zu planen. Ich versuchte die kürzeste Strecke von Antakya in der Türkei nach Süden am Bergrücken entlang, am Libanon vorbei, durch Damaskus und Amman, über den Berg Nebo an das Tote Meer und Jericho zu beschreiben. Ich habe die üblichen Tagesetappen abgesteckt und eine Liste davon gemacht. Darin führe ich auch die kleinsten eingezeichneten Dörfer auf. Die Aufzählung soll möglichst dicht sein, damit wir notfalls auch ohne das Gerät gehen können – von Dorf zu Dorf. Ich weiß nicht, ob ich das Gerät über die türkische Grenze hinaus mitnehmen darf.

       Jetzt bin ich müde davon, den ganzen Tag vor dem kleinen Bildschirm des Netbooks zu sitzen. (fm)

       Unser Historiker Franz

       Die Gegend des heutigen Pilgertages ist geschichtsgeladen,