44 Dieses Verständnis vom Verhältnis von Theologie und kanonischem Recht geht grundsätzlich zurück auf die niederländische Kanonistin und Theologin Myriam Wijlens [Vgl. M. Wijlens, Sharing the Eucharist. A Theological Evaluation of the Post Conciliar Legislation, Lanham 2000, 1-16.].
45 Vgl. ebd., 3.
46 Vgl. ebd., 4.
47 Nach Ansicht von Wijlens muss diese Hermeneutik des Verhältnisses von Theologie und Recht nicht nur in der Rechtsinterpretation und -anwendung, sondern auch in der Gesetzgebung das leitende Prinzip sein, wenn, wie der kirchliche Gesetzgeber selbst normiert hat, „das Heil der Seelen […] in der Kirche immer das oberste Gesetz“ [Vgl. ebd., 5.] ist.
48 Vgl. ebd., 6.
49 Ioannes Paulus PP. II., Constitutio apostolica Sacrae disciplinae leges (25.01.1983), in: AAS 75/II (1983) VII-XIV, XI. Dt. Übersetzung in: Ioannes Paulus PP. II. - Johannes Paul II., Constitutio Apostolica Sacrae disciplinae leges – Apostolische Konstitution zur Promulgation des CIC, in: Codex Iuris Canonici auctoritate Ioannes Pauli PP. II. promulgatus – Codex des kanonischen Rechts. Lateinischdeutsche Ausgabe mit Sachverzeichnis. Im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz, der Schweizer Bischofskonferenz, der Erzbischöfe von Luxemburg und von Straßburg sowie der Bischöfe von Bozen-Brixen, von Lüttich und von Metz, Kevelaer 52001, X-XXIII, XIX. (Im Folgenden wird die Apostolische Konstitution in deutscher Übersetzung unter Verwendung der Initialen SDL und der römischen Seitenangaben zitiert.)
50 Der systematische Aufbau wurde mit Blick auf den CIC/1983 an die Konsequenzen der Theologie und Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils als hermeneutischer Schlüssel der Codexreform und der Codexinterpretation angepasst (8.1.).
51 Zur Debatte um den befürchteten Slippery-Slope- bzw. Dammbruch-Effekt siehe G. v. Loenen, „Das ist doch kein Leben mehr!“ Sterbehilfe in den Niederlanden, in: R. Beckmann/C. Kaminski u.a. (Hg.), Es gibt kein gutes Töten. Acht Plädoyers gegen Sterbehilfe (Edition Sonderwege), Leipzig 2015, 159-169; J. Römelt, Christliche Ethik in moderner Gesellschaft. Bd. 2: Lebensbereiche, Freiburg/Br. 2009, 292; R. Kipke, Schiefe-Bahn-Argumente in der Sterbehilfe-Debatte, in: ZME 54 (2008) 135-145; H. Schlögel/M. Hoffmann, Passive und aktive Sterbehilfe. Neuere Definitions- und Unterscheidungsprobleme, in: StZ 225 (2007) 89-99, 93-94; G. Klinkhammer, „Ohne Dialog gibt es keine guten Entscheidungen.“ Interview mit Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio, in: DÄ 104 (2007) A224-A226, A225; F. Thiele, Aktive Sterbehilfe. Eine Einführung in die Diskussion, in: F. Thiele (Hg.), Aktive und passive Sterbehilfe. Medizinische, rechtswissenschaftliche und philosophische Aspekte (Neuzeit und Gegenwart), München 2005, 9-29, 16.
I. TERMINOLOGISCHE ABGRENZUNGEN
2. Begriffsbestimmung
Dem Betrachter der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurse, der staatlich-gesetzlichen Regelungen sowie der kirchlich-lehramtlichen Aussagen über (ärztliche) Handlungen am Lebensende, die mit der Intention vollzogen werden, entweder den Tod von schwerkranken Menschen herbeizuführen oder diese sterben zu lassen, zeigt sich eine ambivalente Terminologie: erstens wird im internationalen Kontext vorwiegend von euthanasia gesprochen und somit an die antike Verwendung des Wortes angeknüpft, während im deutschsprachigen Raum wegen der historischen Ereignisse und der euphemistischen Karikatur des Euthanasiebegriffs durch das NS-Regime vor allem der Terminus Sterbehilfe Verwendung findet; zweitens werden die beiden Oberbegriffe und die verschiedenen darunter subsumierten Handlungen unter Zuhilfenahme von Adjektiven (wie aktiv – passiv, direkt – indirekt, freiwillig – unfreiwillig – nichtfreiwillig, etc.) inhaltlich ausgestaltet; drittens gibt es Konzepte, die auf diese Terminologie vollkommen verzichten und gänzlich andere Termini verwenden (Tötung auf Verlangen, Schmerzenslinderung, Sterbenlassen). Diese terminologische Ambivalenz erschwert eine einheitliche Diskussion und führt oftmals zu Missverständnissen und divergierenden moralischen Bewertungen, weshalb es für die vorliegende Studie aus Gründen der Wissenschaftlichkeit und der Versachlichung der Materie unerlässlich erscheint, den inhaltlichen Ausführungen eine Begriffsbestimmung voranzustellen.1
Zur Differenzierung der geläufigen Terminologie für die bewusste Herbeiführung des Todes, Behandlungsabbruch bzw. -verzicht und Todeseintritt nach Schmerzmittelgabe wird in einem ersten Schritt ein Überblick über die historische Genese sowohl des Euthanasie- als auch des Sterbehilfeterminus ‘ gegeben, ohne dabei in eine normative Beurteilung zu verfallen. Abgeschlossen wird dieser Punkt mit einer kritischen Analyse der beiden Termini. In einem zweiten Schritt wird der Betrachtungshorizont durch die unterschiedlichen Differenzierungen erweitert und zugrunde liegende Handlungen näher spezifiziert. Positionen, die eine gänzlich andere Terminologie vorschlagen, können aufgrund ihrer Fülle nicht vollständig aufgeführt werden. In einem dritten Schritt werden die in der Gesellschaft gängigen Begriffe zu der Terminologie des kirchlichen Lehramtes ins Verhältnis gesetzt.
2.1. Begriffsgenese – Euthanasie und Sterbehilfe
Die Begriffe Euthanasie und Sterbehilfe begegnen im gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurs zur Bezeichnung der verschiedenen (medizinischen) Möglichkeiten zur Herbeiführung des Todes, zur Schmerzlinderung und zur Ermöglichung des Sterbens am häufigsten. Auch der Seelsorger vor Ort wird mit ihnen konfrontiert und muss um deren inhaltliche Konnotationen und terminologische Probleme wissen, da er für die Ausübung seines Dienstes die bezeichnete Handlung auf ihren moralischen Gehalt hin prüfen muss.
2.1.1. Zum Euthanasiebegriff
Griechische und römische Antike
Das in der griechisch-hellenistischen Antike gebräuchliche Wort εὐθάνατος entstand aus der Verbindung des griechischen Präfixes εὐ (gut, schön) mit dem Nomen Θάνατος (Tod). Seine ursprüngliche Bedeutung ist guter Tod.2 Der früheste Beleg für den Begriff εὐθάνατος findet sich beim griechischen Dichter Kratinos (um 500-um 420 v. Chr.),3 der darunter einen leichten Tod verstand und eine in der damaligen Gesellschaft und unter den Gelehrten für gut befundene Art des Todeseintritts beschrieb: ohne vorhergehende langwierige Krankheit. In ähnlicher Weise verwendete der Dichter Menandros (342/341-293/292 v. Chr.) den Begriff εὐθάνατος, um einen rechtzeitigen Tod zu beschreiben, da der zunehmende Alterungsprozess kritisch betrachtete wurde.4 Die substantivierte Form εὐθανασία verwendete erstmalig der Komödiendichter Posidipp (um 300 v. Chr.) als Form eines leichten und rechtzeitigen Todes.5 Die Stoiker bewerteten nicht den Eintritt des Todes, sondern die Einstellung