Für die vorliegende Studie bedeutet dies beispielsweise, dass die Frage nach dem Recht auf ein kirchliches Begräbnis und dessen Verweigerung nicht allein im Licht der kirchlichen Normen beantwortet werden kann und darf. Sowohl das Recht auf das kirchliche Begräbnis als auch dessen Verweigerung sind nicht primär juridische, sondern theologische Sachverhalte, die der Gesetzgeber rezipiert und mit Normen ausgestaltet hat: Getaufte haben ein Recht auf ein kirchliches Begräbnis aufgrund ihrer Taufe, lediglich die rechtlichen Konsequenzen der Taufe hat der kirchliche Gesetzgeber normiert; die Begräbnisverweigerung ist die rechtlich normierte Konsequenz einer verborgenen theologisch-ekklesiologischen Spannung zwischen dem Vollzug einer objektiv wahrzunehmenden und subjektiv zurechenbaren sündhaften Handlung einerseits und dem Vollzug einer liturgischen Feier andererseits, in der die volle Gemeinschaft des Individuums mit Gott und der Kirche erneuert und vergegenwärtigt werden soll.
Daher erfordert die ausgewählte Methodik, die Komplexität der theologischen Problematik, die im Vollzug von Euthanasie und anderen, den Tod herbeiführenden medizinischen Handlungen für schwerkranke Menschen und der zeitgleich geäußerten Bitte um die Feier eines kirchlichen Begräbnisses begründet liegt, mit ihren Eigenheiten und Spezifika zu erfassen und die für die Fragestellung bedeutsamen Aspekte für die wissenschaftliche Reflexion zu sondieren. Diese wurden in der
- konkreten Situation schwerkranker Menschen mit ihren psychologischen Implikationen,
- im kirchlich-lehramtlichen Verständnis von Euthanasie und anderen medizinischen Handlungen am Lebensende sowie
- der theologisch-liturgischen Deutung des kirchlichen Begräbnisses
ausgemacht. Da sie die Grundlage für die anschließende Interpretation des kirchlichen Rechts bilden, bedarf es zu ihrer detaillierten Betrachtung lediglich einer deskriptiv-kritischen Methode, die die Thematik darstellt, ihre Problemfelder aufzeigt und eventuelle Erkenntnisse für die nachfolgende Rechtsinterpretation aufbereitet.
Im Rahmen dieser Rechtsinterpretation wurde zunächst mittels einer chronologisch-historischen Vorgehensweise eruiert, welche Erkenntnisse aus der Rechtstradition und der kirchlicher Historie als Interpretationszugänge und -kontexte verwendet werden können, um die derzeit geltenden Normen und deren Genese besser zu verstehen und ihre derzeitige Konzeption gegebenenfalls zu kritisieren. Anschließend wird zur Interpretation des kodikarischen Rechts eine systematisch-deduktive Methode verwendet, die einerseits Recht und Pflicht zur Feier des kirchlichen Begräbnisses im Horizont von Recht auf Empfang und Pflicht zu Spendung der geistlichen Güter der Kirche betrachtet, andererseits zunächst die allgemeinen Normen der Begräbnisverweigerung dargestellt, bevor abschließend auf die konkrete Fragestellung eingegangen wird.
Innerhalb der Conclusio wird mit Blick auf die Rechtsanwendung die Formulierung des konkreten Sachverhalts und deren Relevanz stark gemacht, da in ihr bereits theologische wie rechtliche Implikationen zum Tragen kommen, die den Entscheidungsfindungsprozess des Seelsorgers entschieden beeinflussen können.
Aus den Ausführungen zur Methodik erschließt sich eine Gliederung der Studie in insgesamt drei Hauptkapitel mit einer zusammenfassenden und ausblickenden Conclusio:
Im ersten Kapitel wird die Terminologie erarbeitet. Um Missverständnissen vorzubeugen und Verwirrungen über die thematisierten medizinischen Handlungen zu vermeiden, wird die Terminologie der Begriffe Euthanasie und Sterbehilfe vor dem Hintergrund ihrer historischen Genese dargestellt (2.1.) und um eine Betrachtung der verschiedenen sprachlichen Konzepte zur Bezeichnung der unterschiedlichen Handlungen in Politik, Gesellschaft und Kirche ergänzt (2.2.). Abschließend wird auf die vom Seelsorger geforderte terminologische Transferleistung eingegangen, die als Voraussetzung für eine ethische Beurteilung der vollzogenen Handlung gilt (2.3.).
Das zweite Kapitel befasst sich mit den Aspekten der theologischen Spannung der Forschungsfrage. In einem ersten Schritt wird die Situation von schwer- und unheilbarkranken Menschen im Kontext moderner Medizin betrachtet. Die stetig zunehmende Konfrontation mit der Erfahrung und den Konsequenzen von hohem Alter sowie physischem und psychischem Abbau wird ebenso thematisiert (3.1.). Mit Blick auf die geforderte Entscheidung seitens des Individuums werden der Fokus auf die psychologischen Implikationen schwerer Krankheit gelegt und die Konsequenzen für eine freiverantwortliche Entscheidung erforscht (3.2.). In einem zweiten Schritt wird die ethische Beurteilung der verschiedenen medizinischen Handlungen am Lebensende durch das kirchliche Lehramt in den Fokus der Betrachtung gestellt. Dabei wird zunächst auf die historische Verurteilung der Selbsttötung eingegangen, weil dieselben Argumente als normativer Maßstab zur Bewertung von Euthanasie und anderen medizinischen Handlungen am Lebensende herangezogen werden (4.1.). Daraufhin folgt die Darstellung der Beurteilung von Euthanasie und Anwendung therapeutischer und schmerzlindernder Mittel durch das kirchliche Lehramt und der dafür anzuwendenden Kriterien (4.2.). In einem dritten Schritt wird die Theologie der kirchlichen Begräbnisliturgie unter Einbezug der historischen Entwicklung und jeweiligen zeitgenössischen Auffassungen des theologisch-eschatologischen Gehalts und der liturgischen Ausrichtung des kirchlichen Begräbnisses erforscht (5.1.). Ausführlich wird auf die postkonziliare Begräbnisliturgie im Licht der vom II. Vatikanum geforderten Aufwertung des österlichen Charakters und ihre ekklesiologischen Implikationen eingegangen (5.2.). Jeweils am Ende eines Unterpunktes wird die Relevanz des Erarbeiteten für die Fragestellung und die folgende Rechtsinterpretation aufgezeigt (3.3., 4.3., 5.3.).
Das dritte Kapitel widmet sich dem kirchlichen Begräbnisrecht in Geschichte und Gegenwart. Dabei wird ein besonderer Fokus auf das Recht der Gläubigen auf ein kirchliches Begräbnis sowie die Pflicht der Kirche zur Feier desselben gelegt, da der Seelsorger in dieses reziproke System von Rechten und Pflichten eingebunden ist. In einem ersten Schritt wird ein historischer Überblick über die theologische Begründung der Begräbnisverweigerung nach Selbsttötung (6.1.) sowie ihre Übersetzung in kirchenrechtliche Normen gegeben