Statt einer simultanen Personalentwicklung, die versucht, für den Arbeitsmarkt adäquat ausgebildetes Personal zeitnah bereitzuhalten, steht heute der antizipierende Aspekt von Personalentwicklung im Vordergrund. Personalentwicklung hat weniger eine konsekutive und reaktive Ausrichtung; Ziel ist es, Personal auf Zukunft hin zu befähigen, in komplexen Alltagssituationen Problemlösungen selbstständig zu planen und durchzuführen. In Zeiten rasanten Wandels greift eine reaktive „Know-how-Anpassung“ durch Erlernen entsprechender Fähigkeiten nicht mehr. Im Vordergrund steht die Frage nach den „weichen Faktoren“ wie Kreativität, Sozial- und Persönlichkeitskompetenz, Flexibilität und die Fähigkeit, eigenständige Lern- und Entwicklungsprozesse zu organisieren. Personalentwicklung steht nicht im Dienst der Anpassung, ist keine Strategie zur Personalbedarfsdeckung. Personalarbeit wird zum Baustein von Veränderungsgestaltung. Die Grenzziehung zwischen zweck- und verwendungsorientiertem Lernen in Betrieben einerseits und Bildung und Persönlichkeitsentwicklung in außerbetrieblichen Bereichen andererseits ist heute nicht mehr möglich. Die klassische Personalentwicklung hat sich in hohem Maße zur Persönlichkeitsentwicklung gewandelt.
Vom Ansatz des Lehrens und Führens geht die Entwicklung hin zur Moderation betrieblicher Selbstorganisation. Nicht mehr der „Vor-Gesetzte“ ist Leitbild von Führung, sondern der Lenker und Moderator von Lern- und Veränderungsprozessen. Lösungsvorgaben sind weniger gefragt; Führung bedeutet, „die Eigenkräfte und Ressourcen, die Eigeninitiative, Selbstgestaltungs- und Selbstregulierungsfähigkeit der Organisation, ihrer Subsysteme (Arbeitseinheiten) und Elemente (Mitarbeiter) zu erkennen und zu entwickeln, zu mobilisieren und auf die Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben hin auszurichten.“106 Betriebliche Selbstorganisation bedeutet auch zunehmende Dezentralisation der Personalentwicklungsfunktionen. Weder Personalleitung noch Fortbildungsabteilungen können Kriterien und Wege der Wissensvermittlung und Kompetenzaneignung vorgeben. Die Leitungspersonen vor Ort sind darauf vorzubereiten, dass Lernen und Kompetenzmanagement in den kleinsten Organisationseinheiten für alle Mitarbeiter gewährleistet werden.
Zusammenfassend lässt sich der Wandel im Selbstverständnis von Personalarbeit skizzieren als Weg von der verwaltenden Personalarbeit der fünfziger Jahre über die betreuende Personalarbeit zur Personalentwicklung bis hin zum Verständnis von Personalarbeit als unternehmerische Gestaltung.
3.1.7 Von der mechanistischen zur humanistischen Konzeption
Organisationstheorien beinhalten Annahmen über Werte und Einstellungen der Mitglieder zur Organisation. Verschiedene Entwürfe von Personalentwicklung lassen sich nach Zink K. J. auf im Wesentlichen zwei – von McGregor bereits in den sechziger Jahren zusammengestellte – unterschiedliche Grundannahmen über den Menschen zurückführen, die als „Theorie X“ und „Theorie Y“ bezeichnet werden.107
Unterschiedliche Annahmen über Bedürfnis- und Motivationsstruktur des Menschen determinieren auch unterschiedliche Management- und Organisationsstrukturen. Das Menschenbild und die daraus resultierende Unternehmenskultur prägen auch Inhalte und Didaktik einzelner Weiterbildungsmodule, bestimmen Lehr- und Lernvorgänge und beeinflussen das Bildungsmanagement einer Organisation.
Die Grundeinstellung einer Führungskraft zieht entsprechendes Führungsverhalten nach sich und jedes Verhalten einer Führungskraft ruft entsprechende Reaktionen beim Mitarbeiter hervor. Reaktionen der Mitarbeiter bestätigen wiederum die Einstellung der Führungskraft. Diese Grundannahmen über den Mitarbeiter müssen auch Raster für die „Gewissenserforschung“ Personalverantwortlicher sein. Im Anschluss an die „Gewissenserforschung“ und Reflexion könnte sich vor allem der gute Vorsatz anschließen, sich um ein Y-theoretisches Verhalten zu bemühen. Über eine Änderung des Verhaltens und das Registrieren der Auswirkungen kann sich auch die Einstellung verändern.
Auf strukturell organisatorischer Ebene müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine Y-theoretische Einstellung fördern. Im Laufe der Berufsjahre muss sich jeder Personalverantwortliche die Frage stellen, ob sich seine Grundeinstellungen verändert, in Richtung Theorie X verhärtet haben und ob die eigene Menschenliebe und Visionen noch stark genug sind. Ein im Laufe der Berufsbiographie zunehmendes negatives Menschenbild, Misstrauen und pessimistische Einstellung gegenüber Mitarbeitenden könnte bei Personalverantwortlichen Ursache sein für Überlastungsgefühle und Erschöpfung (Burn-out).
3.2 Strategische Personalentwicklung – Kennzeichen einer Organisation mit hohem Reifegrad
In Abgrenzung zu einem kurativ-administrativen Verständnis der Personalverwaltung ist Personalentwicklung heute strategisch ausgerichtet. Strategische Personalentwicklung korrespondiert mit einem hohen Reifungsgrad einer Organisation. Im Unterschied zu auf die Person zugeschnittenen, gelegentlichen oder zufälligen Fortbildungsmaßnahmen oder individuellen Unterstützungsangeboten meint strategisches Vorgehen ein proaktives und antizipierendes Aufnehmen gegenwärtiger und zukünftiger Veränderungen. Strategische Personalentwicklung ist mehr als die planlose Zusammenfassung einzelner Maßnahmen zur Förderung von Mitarbeitern. Einzelmaßnahmen werden vernetzt im personenbezogenen Interesse einer möglichst hohen Arbeitszufriedenheit und Motivation der Mitarbeiter. Zum anderen geht es um die Belange der Organisation im Hinblick auf eine erfolgreiche Personalbesetzung aktueller und zukünftiger Positionen. Strategische Personalentwicklung ist immer auch integrierte Personalentwicklung. Das bedeutet, dass Organisationsstrukturen und Arbeitsbedingungen auf allen Ebenen zu den zugrunde liegenden Inhalten und Visionen passen. Integriert ist dabei eine Personalentwicklung, welche „aus einem Guss“ ist. Die Vorstellungen und Erwartungen, die man bezüglich der Kompetenzen der Mitarbeiter vertritt, müssen in den Inhalten der Ausbildung und Weiterbildung vorkommen, in der Führungsebene vorgelebt und in betrieblichen Kommunikationsstrukturen wieder erkennbar sein. Eine Unternehmensleitung muss Auskunft geben können, welche Mitarbeiter für welche Bereiche sie gewinnen möchte. Indem eine Organisation beginnt, über diese Frage systematisch nachzudenken, versteht sie Personalentwicklung strategisch. Am Beginn jeder Strategie steht die Klärung dessen, um was es geht.
Strategische Personalentwicklung beinhaltet Strategieentwicklung durch Analyse von Ist-Zuständen, wie z.B. Rahmen- und Umweltbedingungen, aber auch Analyse der internen Situation einer Organisation. Veränderungen z.B. in den Lebenswelten von Menschen haben Einfluss auf Inhalte und Methoden der Aus- und Weiterbildung. Umgekehrt verpflichtet sich eine strategische Personalentwicklung, ihre eigenen Maßnahmen nach den Prinzipien der Zweckmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit effektiv zu koordinieren.
Eine Strategieformulierung klärt die Vision und Grundsätze eines Unternehmens, um daraus Handlungsleitlinien festzulegen. Im Handlungsleitbild einer strategisch ausgerichteten Personalentwicklung geht es um einen Paradigmenwechsel und nicht einen Austausch von Begriffen oder darum, eine unverändert fortdauernde Praxis theoretisch neu zu verkleiden. Schließlich hat sich strategische Personalentwicklung auch zu befassen mit der Umsetzungsstrategie: Einführung von Aktionsplänen und Reformen, Bereitstellung von organisatorischen, personellen und technischen Rahmenbedingungen. Konkrete Umsetzungsschritte, wie z.B. die flächendeckende Einführung des Mitarbeiterjahresgespräches, müssen nachvollziehbar und kontrollierbar sein. Strategisches Controlling analysiert die Ist-Soll-Abweichungen und prüft, warum Projektziele nicht erreicht wurden.
3.3 Instrumente einer strategisch ausgerichteten Personalentwicklung
Der Begriff der Personalentwicklung umfasst sowohl Konzepte wie Instrumente und Bildungsmaßnahmen zur Steuerung und Förderung der personellen Ressourcen von