Impuls
Vor einiger Zeit feierten Freunde von uns ihre goldene Hochzeit. Sie baten uns, zu diesem Anlass eine religiöse Feier mit allen Gästen mitten in der Natur zu gestalten. Dabei entstand zu einer bekannten Melodie ein Text, also ein Lied, das wir gemeinsam singen konnten. Es greift das Anker- und Netz-Symbol auf und verhilft Ihnen vielleicht zu einem tieferen Verständnis … Eine Einladung zur Meditation.
Du bist unser Leben, du bist unser Strom,
Du bist unser Grund im Ozean der Zeit.
Du bist unser Anker, Netz, das trägt und hält,
dir vertrau’n wir, wenn auch Wind und Wellen uns bedroh’n.
Mit dir gibt es keine Angst; denn du hältst uns fest.
Sei uns nahe, bleibe bei uns, Gott!
Du gibst uns den Atem, schenkst uns Raum und Zeit.
Danke für die Zeit des Miteinander-Seins,
Danke für die Menschen, die uns anvertraut.
Licht und Dunkel wechseln, doch dein Netz umfängt uns sanft.
Dank für deine Liebe, für Geborgenheit.
Danke für dein Dasein Tag und Nacht.
Du bleibst unsre Hoffnung auf dem Weg ans Ziel, für die Zahl der Jahre, die noch vor uns steh’n.
Jenseits aller Grenzen halte uns dein Netz fest zusammen im Vertrauen auf das Wiedersehn.
Schenk uns deinen Frieden, Frieden für die Welt.
Segne uns mit deiner Liebe Kraft!
Gertrud und Norbert Weidinger
Ausdrucksformen des christlichen Glaubens
Sich Jesus annähern
Wer Gott sein könnte, erahnen wir zunächst im täglichen Leben mit allen Aha-Erlebnissen und Rätseln, allen Freuden und Nöten, die uns von Tag zu Tag erwarten, sowie aus den Antworten, die wir darauf suchen und finden. Christen haben jedoch ein Vorbild für ihren Glauben: Jesus von Nazareth. Er muss in der Geschichte der Menschheit eine große Rolle gespielt haben. Wie sonst käme es zu unserer offiziellen Zeitzählung seit 2020 Jahren, die mit seiner Geburt beginnt? Wer war und wer ist er? Welches Bild haben Sie von ihm?
Schon als Zwölfjähriger nahm Jesus wie alle frommen Juden an der jährlichen Wallfahrt zum Paschafest im Tempel von Jerusalem teil. Er besuchte auch die Synagoge in Nazareth und feierte mit seiner Glaubensgemeinschaft z. B. das Laubhüttenfest mit den vorgeschriebenen Ritualen und Bräuchen. Doch mit der Taufe im Jordan durch Johannes änderte sich sein Leben. Sie muss eine tief greifende Erfahrung, eine Art Berufung für ihn gewesen sein mit einer ihn verwandelnden Kraft. Von da an zog er sich des Öfteren zum Gebet in die Einsamkeit zurück, wurde Wanderlehrer und -prediger. Er scharte Jünger, auch Jüngerinnen um sich. Jesus muss aus einer ganz einzigartigen Beziehung zu Gott gelebt haben. Die wiederum gab ihm eine kaum beschreibbare Ausstrahlung.
Als zentrale Botschaft verkündet dieser Jesus in starken Bildern das Kommen des Reiches Gottes und behauptet, dass es mit ihm angebrochen sei. Viele Leute, die ihn hören, rätseln und kommen zu dem Schluss: Er redet anders von Gott als unsere Priester. Er redet wie einer, der Macht hat.
Je mehr Leute ihn sehen und hören wollen, desto mehr gerät er in Konflikt mit der Priesterschaft, die um ihre Autorität fürchtet. Am Ende wird er vom römischen Statthalter Pilatus – gegen dessen eigene Überzeugung – als Aufwiegler unschuldig zum Tod am Kreuz verurteilt. Wie Jesu Jünger glauben wir Christen noch heute an seine Auferweckung durch Gott. Im Sturm und an Feuerzungen erkannten seine Jünger und Jüngerinnen die von Jesus verheißene Sendung des Heiligen Geistes, der Christen seither beisteht, tröstet, inspiriert und den Glauben stärkt in allem Suchen, Fragen und Zweifeln – auch in Zeiten von Krankheit, innerer Not und schicksalhaften Verstrickungen. Für Christen ist Gott dreifaltig-einer: Vater – Sohn – Heiliger Geist.
Christliche Symbolik in Jesu Worten
Auch Jesus stieß mit seiner Botschaft an die Grenze, die Schallmauer des Unsagbaren. Deshalb spricht er von Gott und seinem Reich in Gleichnissen und in Ich-bin-Worten, wenn er seinen Gottesglauben zum Ausdruck bringen will.
Um seinen Zuhörern, vor allem den Kranken und Gekränkten, Freunden und Gegnern seinen Glauben an das Anbrechen des Reiches Gottes zu verdeutlichen, erzählt Jesus Gleichnisse wie zum Beispiel: Mit Gottes Reich ist es wie …
• … mit der Saat, die der Sämann auf den Acker streut … (Mk 4,1–9)
• … mit dem entdeckten verborgenen Schatz … (Mt 13,44–46)
• … mit dem barmherzigen Samariter … (Lk 10,25–37)
• … mit dem verlorenen Schaf (Lk 15,1–10) oder dem verlorenen Sohn … (Lk 15,11–32)
Manchmal reicht ein einziger Satz, und schon erwachte in seinen Hörern und Hörerinnen eine neue, ganz andere Vorstellung von Gott und seinem Reich, und es geht uns heute noch so.
Impuls
Lesen Sie doch für sich einmal eines der Gleichnisse in der Bibel. Jedes sagt sehr viel aus über den Glauben Jesu und seine Vision von Nächstenliebe, von einer Welt, in der einer dem anderen zum Nächsten wird.
Man mag solche Gleichnisse als Metaphern, Parabeln oder Bildreden deuten. Immer beschreiben sie einen Vorgang, einen Prozess. Immer greifen sie auf alltäglich Erlebbares zurück, erzeugen so Interesse und – im positiven Fall – ein Aha-Erlebnis, eine sich plötzlich einstellende neue Einsicht. Sie bringen darunter oder dahinter Liegendes zum Vorschein, nämlich Gott als
• geduldigen Sämann, der nicht jedes Unkraut ausreißt.
• gütigen Vater, der für den verloren geglaubten Sohn ein Fest initiiert.
• guten Hirten, der seine Schafe bewacht und dem verirrten Schaf nachgeht.
Fast alle Bibelforscher kommen zum Ergebnis: Nirgends sind wir heutige Menschen der originalen Stimme Jesu so nahe wie in den Gleichniserzählungen. Jesus sprengt damit die Grenze zum Un-Vorstellbaren und Un-Sagbaren, überbrückt den Graben, der uns von ihm und seiner Zeit trennt, knüpft auch für Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, eine neue Beziehung zu Gott, ermutigt, stiftet Vertrauen – die Grundlage jeglicher heilsamen Verwandlung oder Heilung.
Im Johannesevangelium erfahren die Gleichnisse noch eine Steigerung und theologische Überhöhung durch Jesu Ich-bin-Worte:
Ich bin das Brot des Lebens.
Ich bin das Licht der Welt.
Ich bin der gute Hirt.
Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Ich bin der wahre Weinstock, ihr seid die Reben.
Joh 6,35; 8,12; 10,11; 10,14; 11,25; 15,5
Ohne Zweifel verweist der Evangelist damit auf den alttestamentlichen Gottesnahmen: Jahwe (hebr.: Ich bin, der ich bin). Die Ich-bin-Worte schlagen also eine Brücke vom Alten zum Neuen Testament. Sie offenbaren sowohl seine Einheit mit dem Vater als auch die radikale Hingabe seines Lebens für die Rettung der Ausgestoßenen und Verlorenen. Jesus gibt sich selbst hin für das Leben der Welt. Er schenkt seinen Jüngern die Kraft, die sie brauchen – auch uns heutigen. Er ist die Tür zum himmlischen Vater. Deshalb kann er sagen: »Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und es in Fülle haben.«14
Impuls
Beim