Im Stammmarkt Europa kann durch Liefertreue, Schnelligkeit und herausragender Qualität ein Lohnkostennachteil mehr als ausgeglichen werden. Voraussetzung ist hier allerdings das Streben nach Perfektion und Effizienz. Im Gegensatz hierzu suchen viele Unternehmen aus meiner Sicht viel zu früh das Heil im Niedriglohnland.
Die steigende Quote der „enttäuschten Rückverlagerer“ zeigt allerdings: wer Kosten auf der Basis nicht optimierter Prozesse und instabiler Abläufe vergleicht, wer Standortverlagerungen vorrangig unter Kostengesichtspunkten plant, hat keinen Erfolg. Kurzfristig möglicherweise schon – aber langfristig und nachhaltig eher selten…
Hohe Zusatzaufwände für Qualität und Logistik bringen die ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen schnell zum Kippen. Nichtsdestotrotz erfordert Stabilität am Standort Deutschland auch, neue Wachstumsmärkte zu erschließen. Wer beispielsweise in China Fuß fassen möchte, muss auch in China Produkte adaptieren und dort produzieren. Die Basis wird aber, davon sind wir zutiefst überzeugt, weiter die Exzellenz am Standort Deutschland sein (Quelle: PRODUKTION Nr. 32/2005).
Was spricht für den Industriestandort D?
Sicherlich sind die Menschen der größte Standortvorteil. Denn hinter vielen leistungsstarken Produkten stehen erfahrene, hochqualifizierte Mitarbeiter, die eng mit dem Unternehmen verbunden sind – Garant für den Unternehmenserfolg. Darüber hinaus verfügt Deutschland über eine hervorragende Infrastruktur und sehr große Innovationskraft. Allerdings dürfen sich Unternehmen nicht auf ihren Lorbeeren ausruhen und müssen mit Innovationen als Differenzierungsmerkmal neue Geschäftsfelder erschließen und ertragsbringende weiter kultivieren.
Leitsatz 5:
Exzellente Unternehmen beziehen ihre Lieferanten, die gesamte Supply-Chain, in alle Überlegungen mit ein.
Ganzheitliche Optimierung der Supply Chain
„Eine Kette ist genau so stark wie das schwächste Glied.“ Dieser Satz gilt auch für die industrielle Lieferkette von den Lieferanten des Lieferanten bis zu den Kunden des Kunden. Kurz: für die Supply Chain. Wer glaubt, das Thema Supply Chain Management sei weitgehend abgehandelt, befindet sich im Irrtum. Noch immer bleibt die Liefertreue, gemessen entlang der gesamten Kette, in den meisten Fällen weit hinter dem zurück, was man als „exzellent“ bezeichnen könnte. Eine Ursache dafür ist, dass der Anspruch, ganze Lieferketten auf einmal zu betrachten, an der Wirklichkeit vorbeigeht. Konsequent wäre, wenn sich jedes Unternehmen zunächst um seine Kunden und die Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten kümmert. Und da gibt es genug zu tun.
Lieferanten – Partner im Exzellenz-Prozess
In den letzten Jahren sind Beschaffungsanteile an der Gesamtwertschöpfung kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig ändert sich die Qualität der Zusammenarbeit – hoffentlich. War eine Lieferbeziehung traditionell geprägt durch Verhandlungen zwischen Einkauf einerseits und Vertrieb andererseits, so wird sich künftig jeder wertschöpfende Bereich für ein konstruktives Miteinander öffnen müssen. Bisher standen hauptsächlich Kosten und Preise im Zentrum der Diskussion, künftig aber wird der Fokus stärker auf der Schaffung gemeinsamen „Mehrwerts“ liegen. Unternehmen, die die Kreativität ihrer Lieferanten in gemeinsamen Verbesserungsprojekten nutzen, erzielen damit zudem größere Kostensenkungen, als sie über harte Einkaufsverhandlungen je erreichen könnten.
Abb. 9: Entwicklung von Lieferanten zur Exzellenz
Allerdings lässt sich eine solche Partnerschaft nicht von heute auf morgen „per Dekret“ verordnen. Vielmehr führt eine stufenweise, gemeinsame Entwicklung zur langfristigen Partnerschaft. Und zur Exzellenz (vgl. Abb. 9).
Wir zitieren: „Denken in ganzheitlichen Prozessen macht nicht vor Werkstoren Halt. Will man seine Lieferanten integrieren, so erfordert dies übergreifende Management- und Gestaltungsansätze, neue Konzepte zur Prozessoptimierung sowie durchgängige Abläufe und Verfahren im gesamten Produktlebenszyklus. Auf diesen wichtigen Punkt kam auch Ernst Baumann, Vorstandsmitglied der BMW AG, (Baumann 2002) zu sprechen, als er 2002 bei einem Vortrag sagte: ‚Was wir für einen solchen Beschaffungsprozess vor allem brauchen, ist die eigene Kompetenz, Zulieferer in unsere Prozesse zu integrieren. Die Zulieferer müssen deshalb genauso wie die Hersteller entscheiden, in welchem Umfang sie sich spezialisieren und bestimmte Segmente bedienen. Auch ein dynamischer Markt bietet nicht immer exakt das, wonach wir suchen. Lösungen und Entscheidungs-Freiräume werden dann dadurch geschaffen, dass beide Partner, die Zulieferer wie wir als Hersteller, ihre Eigenleistung flexibel definieren. Dafür muss jedes Unternehmen wissen, wo seine Ressourcen liegen und seine Kernkompetenzen.’ Ergänzend wollen wir anmerken, dass es sicherlich elementar wichtig ist, auch die Kernprozesse zu beherrschen. Und weiterzuentwickeln.
Das Ziel der Integration lautet, die Zusammenarbeit im Netzwerk zu optimieren – und zwar durch eine integrative Gestaltung des kompletten Wertschöpfungsnetzwerkes. Daraus ergibt sich wiederum eine Reihe von Forderungen:
Produktions- und Logistikstrategie müssen übereinstimmen.
Prozesse müssen optimiert werden.
Information und Kommunikation müssen verbessert werden – gerade unternehmensübergreifend.
Aufgaben- und Kompetenzverteilung müssen optimiert werden. Hier gilt es, das spezifische Know-how der Lieferanten maximal zu entwickeln und zu nutzen.
Das Innovationspotenzial im Netzwerk muss besser genutzt werden.
Die Effizienz des Entwicklungsprozesses muss gesteigert werden.
Das Änderungsmanagement muss dringend professionalisiert werden. Denn Änderungsmanagement ist unternehmensintern bereits eine gewaltige Herausforderung – und noch mehr, wenn es um einen unternehmensübergreifenden Ansatz geht“ (Haas, Romberg 2005).
Leitsatz 6:
Exzellente Unternehmen beherrschen und managen Komplexität gemäß der Erkenntnis „Die Steigerung von intelligent ist… einfach!“
Die Steigerung von intelligent ist… EINFACH
Wir sprachen bereits über Komplexität und die Gefahr, sie mit Kompliziertheit zu verwechseln. Dabei wussten die Philosophen schon immer, dass „das Einfache Zeichen der Wahrheit“ ist. Dieses Diktum gilt unverändert. Im Zusammenhang mit der betrieblichen Wertschöpfung heißt das, dass man bestrebt sein sollte, klare, transparente Strukturen zu schaffen. Unser Handlungsumfeld ist unübersichtlich genug, wir müssen diese Komplexität nicht noch dadurch steigern, dass wir intern Verwirrung stiften. Aber: Einfachheit braucht Mut. Wer sich nicht hinter pseudo-komplizierten Nebelschwaden verbirgt, macht sich sichtbar und angreifbar. Trotzdem oder gerade deshalb: organisatorisch und technisch ist die einfache Lösung fast immer die bessere. Das gilt für Prozessgestaltung oder Automatisierung in besonderem Maße. Nicht das Machbare sollte hier im Vordergrund stehen, sondern das Sinnvolle. Man kann nicht behaupten, dass diese Sicht in unserem Selbstverständnis eine lange Tradition hat: noch immer werden Verrichtungen durch Technikeinsatz eher verkompliziert, statt sie konsequent zu vereinfachen. Dadurch erschwert man nicht zuletzt die Möglichkeit zur Verbesserung. Man denke beispielsweise an das Thema Rüstzeiten, nach Ansicht vieler Experten eine Achillesferse der deutschen Industrie auf dem Weg zur wirtschaftlichen Fertigung kleiner Lose. Hohe technische Integration ist fast immer gleichzusetzen mit langen Rüstzeiten. Die gefeierten Maschinenstars der Massenfertigung, hoch komplexe, technisch ausgefeilte Automaten, stehen heute in den Fabrikhallen wie Dinosaurier: nicht intelligent genug, sich der veränderten Umwelt anzupassen und zu groß, um übersehen zu werden.
Vereinfachung durch prozessorientierte Fabrikstrukturen und Segmentierung
Die Bildung kleiner unternehmerischer Einheiten trägt wesentlich zur Vereinfachung bei – allerdings nur dann, wenn man die Prozesse durchgängig betrachtet und die Schnittstellen minimiert. Innerhalb dieser „small factory units“ gilt das Fließprinzip, steuerungsseitig zusätzlich vereinfacht durch Pull-Systeme wie Kanban. Das Layout ist am Wertstrom ausgerichtet, die Fabrikstruktur