Die Mitarbeiter zur Wertschöpfung befähigen
Lean als Führungsprinzip bedeutet, die Mitarbeiter zu einem Ergebnis und zu der Einsicht zu führen, dass ein unzufriedener Kunde nicht alleine ein Problem des Vertriebs ist. Wenn die Mitarbeiter hinterfragen, ob ihr Handeln wertschöpfend im Sinne des Kunden ist (unabhängig davon, ob dieser extern oder intern ist), und Verschwendung selber identifizieren, dann ist Lean Administration auf der Erfolgsspur. Es ist Aufgabe des Managements, den Mitarbeitern dies zu vermitteln, sie zu motivieren und sie zu befähigen.
Lean Administration wird nicht ‚verkündet‘
Mit einem Statement ‚Ab heute machen wir Lean Administration, weil die Gemeinkosten zu hoch sind‘ werden Sie nicht viel bewegen. Im Gegenteil: Erstens wissen die Mitarbeiter nicht genau, worum es geht und zweitens werden sie allein schon aus Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes eine Blockadehaltung einnehmen oder paralysiert beobachten, was um sie herum geschieht. Das ist übrigens ähnlich wie bei den beschriebenen Produktivitätsprogrammen, die rein auf das Ergebnis ausgerichtet sind, jedoch keinen ganzheitlichen Ansatz zum Change Management verfolgen.
Lean Administration ist ein Appell an die Mitarbeiter
Es geht um einen systematischen und für die Mitarbeiter nachvollziehbaren Ansatz, der an das Können und das Wollen der Mitarbeiter appelliert. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich die Mitarbeiter am Verhalten ihrer Führungskräfte orientieren können und in dem Lean Administration zum Selbstläufer wird. Die Mitarbeiter zu ‚befähigen‘ heißt deshalb deutlich mehr als sie in den Grundlagen des Lean Management zu schulen. Es heißt, ihnen eine andere, kundenorientierte Sicht auf die Prozesse zu vermitteln und sie von der Änderung der Unternehmensphilosophie zu überzeugen. Kompetenz meint aber viel mehr als formale Qualifikation und angehäuftes Fachwissen. Es geht um die Fähigkeit, Leistung in der Berufspraxis eigenständig zu organisieren und sich aktiv, motiviert und selbstkritisch in die Arbeit einzubringen (Wittenstein 2010).
Lean Administration ist kein neues Führungsprinzip. Es liefert die Klammer, um die betriebswirtschaftliche Logik begreifbar, lehrbar und damit erlernbar zu machen. Es appelliert an die Mitarbeiter und befähigt sie, dieser Logik zu folgen.
1.3 Was ist der Erfolgsmaßstab?
Woran Sie merken, dass Sie alles richtig gemacht haben!
In diesem Buch lesen Sie, was aus Sicht des Praktikers notwendig ist, um Lean Administration zum Erfolg zu führen. Sie werden lernen, welche strukturellen Voraussetzungen im Unternehmen vorhanden sein sollten, welche Vorgehensweise sich in einer Vielzahl von Projekten bewährt hat und wie Sie es schaffen, die Mitarbeiter für Lean zu begeistern. Wenn Sie das alles befolgt haben, werden Sie zu Recht die Frage stellen, woran Sie merken, dass Sie alles richtig gemacht haben.
Aufgeräumte Büros: Schon mal ganz gut – aber nicht alles
Viele denken: Büros aufzuräumen, Ordnung zu schaffen und damit schneller benötigte Dokumente zu finden, sei der Kern von Lean Administration. Diese landläufige Meinung werde ich an diversen Stellen widerlegen, auch wenn der Nutzen solcher Aktionen unbestritten ist. 5S ist geeignet, um die Mitarbeiter zu Beginn abzuholen und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Auch ist es eines der (wenigen offensichtlichen) Zeichen, dass sich im Unternehmen etwas geändert hat. Wenn sich an der inneren Einstellung der Mitarbeiter jedoch nicht grundsätzlich etwas ändert, werden die Büros nach kurzer Zeit wieder so aussehen wie vorher und es besteht die Gefahr, dass auch 5S das gleiche Schicksal ereilt wie die o.g. Produktivitätsprogramme, sie müssen in regelmäßigen Abständen wiederholt werden. So gesehen sind 5S-Aktionen im Büro ein Symbol für Nachhaltigkeit. Unternehmen, die Lean Administration verinnerlicht haben, werden 5S-Aktionen genau einmal je Bereich durchführen. Danach wird es nicht mehr notwendig sein, da die Mitarbeiter von sich aus überzeugt sind, dass ein permanentes Aufrechterhalten von Ordnung und Sauberkeit sinnvoll und notwendig für strukturiertes Arbeiten ist.
Veränderte Strukturen: Extrem wichtig und häufig unterschätzt
Eine Veränderung von Strukturen ist in nahezu allen Unternehmen notwendig, um schlanke Prozesse in der Verwaltung nachhaltig zu verankern. Diese Strukturen lassen sich grob in zwei unterschiedliche Aspekte unterteilen: Einerseits müssen die aufbauorganisatorischen Rahmenbedingungen für prozessorientiertes Handeln gegeben sein. Stark ausgeprägte, funktionale Strukturen werden keinen Beitrag dazu leisten, einen administrativen Prozess zum Fließen zu bringen und Durchlaufzeiten zu reduzieren. Prozessorientierte Strukturen müssen sich deshalb im Organigramm wiederfinden, beispielsweise durch die Bildung von Auftragszentren oder einer Projektorganisation.
Andererseits geht es bei der Veränderung von Strukturen um die Reduzierung von Komplexität. Diese entsteht durch die Produkte der Administration und durch Aufwandstreiber. Erstere sind die Ergebnisse, die durch eine Abteilung erzeugt werden und die vom nachgelagerten Prozessschritt für die weitere Bearbeitung benötigt werden. Produkte der Administration können sowohl für externe Kunden (Auftragsbestätigungen, Rechnungen etc.) als auch für interne (Zeichnungen, Arbeitspläne etc.) erzeugt werden.
Aufwandstreiber verursachen ebenfalls einen zeitlichen Aufwand, der aber nicht der unmittelbaren Wertschöpfung, also der Erstellung eines administrativen Produktes, zuzurechnen ist. Hierzu gehören beispielsweise die Aktivitäten im Rahmen des Lieferantenmanagements, bei der die Anzahl der Lieferanten Aufwandstreiber ist, oder Abteilungsbesprechungen. Administrative Produkte sind deshalb grundsätzlich Aufwandstreiber, umgekehrt gilt dies nicht. In diesem Zusammenhang geht es bei der Reduzierung von Komplexität also darum, die Anzahl der Aufwandstreiber soweit wie möglich zu reduzieren. Dies gelingt, indem man sich von nicht notwendigen Aufwandstreibern schlicht verabschiedet (beispielsweise Besprechungen) oder einen höheren Standardisierungsgrad anstrebt (beispielsweise durch eine modulare Produktstruktur). Beide Ansätze weisen in der Praxis enorme Potenziale auf, die in vielen Unternehmen immer noch ungenutzt sind.
Das Erreichen von Kennzahlen: Ein erster Schritt
Lean Administration beruht wie alle (guten) Führungsprinzipien auf der Vorgabe von Zielen, die hierdurch erreicht werden sollen. Hierbei geht es nicht um die klassischen und allseits bekannten Bereichsvorgaben wie Umsatzziele, Einkaufspreisreduktionen etc. Die haben auch weiterhin ihre Gültigkeit. Es geht um die Zielerreichung von Parametern aus dem Lean Management-Umfeld, die sich aus den Verschwendungsfaktoren der Administration ableiten. Hierzu gehören die Reduzierung von Durchlaufzeiten und Fehlerquoten oder die Erhöhung des Flussfaktors. Welche Kennzahlen sich anbieten hängt von unterschiedlichen Parametern ab, auf die ich in Kapitel 3.7 eingehen werde.
Das Erreichen solcher (quantifizierbarer) Ziele ist ein wichtiger Schritt, zeigt es doch, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist. Aber genau wie umgesetzte 5S-Aktionen ist die Erreichung solcher Hard Facts kein alleiniger Bewertungsmaßstab, über den sich der Erfolg von Lean Administration definiert. Ich werde im Verlauf des Buches darauf zu sprechen kommen, dass Zielvereinbarungen beispielsweise ein adäquates Mittel sind, um die Nachhaltigkeit von Lean Administration sicherzustellen. Wenn diese aber dadurch ad absurdum geführt werden, dass aus monetären Beweggründen Einzelner ihre persönlichen Ziele zu erreichen, die falschen Entscheidungen getroffen werden, ist dem Unternehmen wenig geholfen.
Unternehmerisch denkende Mitarbeiter: Dann haben Sie es geschafft
Wenn Sie kumulativ zu den oben genannten Aspekten zu der Erkenntnis gelangen, dass Ihre Mitarbeiter sich so verhalten, wie es der Unternehmer im Zweifelsfall selbst tun würde, haben Sie es geschafft. Wenn Sie feststellen, dass Denken und Handeln der Mitarbeiter darauf ausgerichtet sind, Verschwendung von Wertschöpfung zu unterscheiden und erstere soweit wie möglich zu vermeiden, sind sie auf dem richtigen Weg. Und wenn Sie sicher sind, dass all dies keine zeitlich limitierte Blase ist, wird sich Lean Administration als Philosophie in Ihrem Unternehmen durchsetzen.
Woran Sie merken, dass ‚Lean‘ noch nicht vollständig angekommen ist
Wenn Sie den Empfehlungen dieses Buches folgen, werden Sie Lean Administration erfolgreich umsetzen. Es kann aber sein, dass Sie einzelne Mitarbeiter mental noch nicht abgeholt haben. Und je nachdem, welche Position