Der Ansatz, Wertschöpfung über die Wertschätzung der administrativen Produkte durch den Kunden zu definieren, ist so in der einschlägigen Fachliteratur kaum bekannt. Viel Sorgfalt wurde auch auf eine systematische Betrachtung der notwendigen Voraussetzungen verwendet. Bisher eher stiefmütterlich behandelt, rücken sie als Komplexitätstreiber der administrativen Prozesse ins Zentrum des Interesses. Denn nicht der Weg ist das Ziel, sondern das Ziel ist das Ziel – nachhaltig schlanke Prozesse auf den Teppichetagen.
Aachen im Januar 2012
Ingo Laqua
Geleitwort
Die Globalisierung, sich ändernde Märkte und veränderte ökologische Rahmenbedingungen zwingen produzierende Unternehmen, ihre bisherigen Strukturen zu überdenken. Die Wandlung zum Käufermarkt hat in nahezu allen Bereichen des industriellen Gewerbes dazu geführt, dass Unternehmen darauf angewiesen sind, schneller, flexibler und zu wettbewerbsfähigen Preisen der Konkurrenz gegenüberzutreten. Gleichzeitig belasten stetig steigende Rohstoffkosten und Ausgaben für zusätzliche gesetzliche Auflagen die Ertragssituation, so dass es zum konsequenten Handeln heute überhaupt keine Alternative mehr gibt.
Die Potenziale, die im Unternehmen zweifelsohne vorhanden sind, rücken also immer mehr in den Vordergrund. In der Produktion wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl von Maßnahmen mehr oder weniger erfolgreich umgesetzt, um die Herstellkosten als vermeintlichen Kostentreiber so weit wie möglich in den Griff zu bekommen. Da die Materialseite aber größtenteils extern beeinflusst wird und die Fertigungskosten häufig schon mit dem dritten Produktivitätsprogramm optimiert wurden, sind viele Unternehmen auf der Suche nach weiteren, vielversprechenden Optimierungsansätzen. Und da fällt das Augenmerk schnell auf die Gemeinkostenbereiche. Welcher Unternehmer hat nicht schon daran gedacht, dass in Abteilungen wie Vertrieb, Konstruktion oder Arbeitsvorbereitung effizienter gearbeitet werden könnte, ohne genau zu wissen, was konkret seinen Verdacht auslöst. Im Zweifelsfall ist dies der externe Kunde, der sich über lange Durchlaufzeiten bei der Angebotserstellung und fehlerhafte Auftragsbestätigungen beschwert. Oder er zahlt einfach nicht, weil zwar die bestellte Anlage geliefert wurde, nicht aber die technische Dokumentation. Jenseits der das Ergebnis aufzehrenden Gemeinkosten resultieren hieraus Probleme, die sich kein Unternehmen, das im Wettbewerb steht, heute noch leisten sollte.
Das vorliegende Buch beschreibt den pragmatischen Ansatz von CIM Aachen, mit dem administrative Prozesse systematisch optimiert werden. Dem Autor geht es dabei nicht darum, mit dem Begriff ‚Lean Administration‘ die Anpassung von Personalkapazitäten in administrativen Bereichen zu verklausulieren. Vielmehr stellt er mit dem Statement ‚Wertschöpfung ist Wertschätzung durch den Kunden‘ klar, worauf es bei Lean Administration ankommt: Mit den Augen des Kunden auf die eigene Arbeit zu sehen, und Kunde ist grundsätzlich die nachfolgende Abteilung.
Auch mit der Aussage ‚Erlaubt ist, was wirkt‘ macht der Autor deutlich, was bei Lean Administration im Vordergrund stehen sollte. Es zählt nicht, wie modern die Methoden sind, mit denen die verwaltenden Prozesse aufgeräumt werden, es zählt das Ergebnis. Simple Analogieschlüsse von der Produktion auf die Gemeinkostenbereiche greifen bei der Anwendung von Methoden des Lean Management zu kurz. Denn dass eine saubere Produktstruktur mit reduzierter Variantenvielfalt deutlich größere Auswirkungen auf alle Unternehmensprozesse hat als erfolgreich eingeführtes Büro-Kanban, mögen auch die fanatischsten Lean-Anhänger kaum bezweifeln. Neben den grundsätzlichen Ansätzen zur Erhöhung von Effektivität und Effizienz in den systematisch dokumentierten Prozessen der Administration erhält der Leser eine Vielzahl nützlicher Tipps, wie man den täglichen Büroärgernissen wie ineffizienten Besprechungen oder ausuferndem E-Mailverkehr gegenübertreten kann.
Zielgruppe des Buches sind Unternehmer, Führungskräfte vom Geschäftsführer bis zum Abteilungsleiter sowie interne und externe Berater. Mit dem forschen Titel macht der Autor (durchaus augenzwinkernd) klar, dass es sich bei dem vorliegenden Buch nicht um eine akademische Abhandlung handelt. Es wird Klartext gesprochen. Adressiert werden vorrangig Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe, wobei die dargestellte Vorgehensweise und die ausgewählten Beispiele auf das KMU genauso passen wie auf den Großkonzern. Bleibt zu wünschen, dass Sie die Anregungen aus diesem Buch aufgreifen und damit einen weiteren Schritt in Richtung Business Excellence machen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.
Guido Wey
Fränkische Industrial Pipes GmbH & Co. KG
Königsberg i. Bay. im Januar 2012
Kapitel 1:
Lean Administration
Bestandteil modernen Managements
Äußere Rahmenbedingungen zwingen die Unternehmen, nach der Produktion nun auch die administrativen Bereiche effizienter auszurichten. Lean Administration ist ein Führungsprinzip, mit dem die Mitarbeiter befähigt werden, ihre Leistung eigenständig zu organisieren und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
1.1 Lean Administration: Ein MUSS im modernen Management
Die Symptome: den Handlungsbedarf erkennen
Seit Anfang der ’90er Jahre wurden zahlreiche Unternehmen erfolgreich auf ‚Lean’ umgestellt. Auf Seminaren und Kongressen zum Thema Lean Management berichten gestandene Führungskräfte, wie durch die Anwendung intelligenter Tools aus dem Lean-Baukasten Durchlaufzeiten reduziert, Bestände gesenkt und die Produktivität gesteigert werden konnte. Viele Unternehmen haben dabei bereits die zweite und dritte Welle der Erhöhung der Wertschöpfung hinter sich gebracht und die letzten Prozente der Optimierung herausgeholt. Allerdings haben sich die meisten bisher nur an die Produktion herangetraut.
In den meisten Unternehmen ist der Ansatz, Verschwendung zu vermeiden, jedoch entweder an der Tür zur Verwaltung steckengeblieben, oder die Bemühungen in den administrativen Bereichen sind nicht über das Aufräumen der Büros hinausgekommen. Als Grund dafür benennen die betroffenen Unternehmen, dass es in der Verwaltung viel schwieriger ist als in der Produktion, Prozesse zu verschlanken. Als Grund wird gerne ‚schwieriger‘ genannt, obwohl eigentlich ‚unangenehmer‘ gemeint ist. Was an Lean Administration schwierig bzw. unangenehm ist, werden Sie in diesem Buch lesen. Das ist gut zu wissen, hilft aber nicht viel. Daher werden Sie auch erfahren‚ wie Sie diese Schwierigkeiten angehen und mit welchen Ansatzpunkten Sie die Effizienz auf den Teppichetagen nachhaltig erhöhen. Die ‚Teppichetagen‘ sind keineswegs despektierlich gemeint, sie beschreiben aber genau das, was viele Mitarbeiter allgemein immer noch unter ‚Administration‘ verstehen.
Dass in administrativen Bereichen viele Potenziale schlummern, werden nur die Wenigsten bezweifeln. Das wirkliche Ausmaß der Verschwendung ist aber selten offensichtlich. Denn hohe Gemeinkosten sind lediglich das Ergebnis ineffizienter Strukturen. Verschwendung ist mehr als unaufgeräumte Schreibtische, unübersichtliche Ablagestrukturen oder ausufernde Besprechungen. Verschwendung sind Fehler, unflexible Abläufe mit langen Liege- und Wartezeiten oder nicht definierte Schnittstellen. Wenn eines dieser Symptome auf Ihr Unternehmen zutrifft, sollten Sie über Lean Administration nachdenken.
Gemeinkosten im Blick
Wurden die Herstellkosten im Unternehmen in der Vergangenheit weitestgehend optimiert, rücken die Gemeinkosten zunehmend in den Fokus. Gemeinkosten sind die monetär bewerteten Aufwände in einem Unternehmen, die nicht unmittelbar einem Kostenträger zuzuordnen sind. Hierzu gehören Kosten für die IT, für den Personalbereich, die Unternehmensleitung, das Finanz- und Rechnungswesen oder der Einkauf. Dass das zunehmende Interesse an den Gemeinkosten nicht unbegründet ist, zeigt die Statistik des VDMA-Kennzahlen-Kompass, nach der 2009 nahezu 39% der Gesamtkosten im Maschinen- und Anlagenbau auf die Gemeinkosten entfielen (Bild 1-1).
Bild 1-1: Anteile der Gemeinkosten an den Gesamtkosten im deutschen Maschinen- und Anlagenbau im Jahr 2009 (Quelle: VDMA-Kennzahlenkompass 2009)
Der Anteil der Gemeinkosten ist dabei in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen, wofür im Wesentlichen die folgenden drei Gründe verantwortlich zeichnen:
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