Das Vermögensrecht der katholischen Kirche hat eine jahrhundertelange Tradition als ein weitestgehend autonomes Rechtsgebiet. Mit der Erhebung des katholischen Glaubens zur Staatsreligion im Imperium Romanum hat es der Staat der wachsenden Kirche überlassen, ihr eigenes Recht weitgehend ohne staatliche Eingriffe oder Überwachung auszubauen. Dabei ist es auch bis in die Neuzeit geblieben, insbesondere überall dort, wo Staat und Kirche eng miteinander verflochten waren. In Deutschland galt das insbesondere für die geistlichen Fürstentümer unter den die drei geistlichen Kurfürstentümer Köln, Mainz und Trier reichsrechtlich eine ganz besondere Rolle eingenommen haben. Die modernen Staaten haben in Ablösung der alten Ordnungen mehr oder weniger erfolgreich auf die kirchliche Vermögensverwaltung und das dem zugrunde liegende Recht Einfluss genommen, sich seiner aber nie vollständig bemächtigen können. Letztlich haben die meisten Staaten zumindest eine relative Autonomie der Kirche anerkannt, wie dies z. B. in Art. 137 Abs. 3 WRV i. V. m. Art. 140 GG zum Ausdruck kommt. Hier ist insbesondere die Klausel: „innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“ zu beachten, welche der kirchlichen Autonomie ebenso ihre Grenzen setzt, wie traditionell erhalten gebliebenes Staatskirchenrecht, das nicht unbedingt dem Staat und seinen Institutionen, wohl aber den Gläubigen, die zugleich Staatsbürger sind, Mitspracherechte bei der Verwaltung kirchlichen Vermögens einräumt. So hat es z. B. das preußische Kirchenvermögensverwaltungsgesetz von 1924 geregelt.5 Das kirchliche Vermögen und seine autonome Verwaltung erfahren in der Bundesrepublik Deutschland einen umfassenden verfassungsrechtlichen Schutz durch die Artt. 137 Abs. 5 u. 6, 138 Abs. 2 WRV i. V. m. Art. 140 GG. In Art. 138 Abs. 2 WRV wird die sog. Kirchgutsgarantie formuliert. Der Staat gewährleistet hier in umfassender Weise das Eigentumsund Vermögensrecht der Religionsgemeinschaften und schützt es, nach den historischen Erfahrungen des frühen 19. und 20. Jahrhunderts mit der ganzen Kraft der Verfassung gegen entschädigungslose Enteignungen.6 Da die Kirche in Deutschland als eine sog. altkorporierte Körperschaft des öffentlichen Rechts i. S. d. Art. 137 Abs. 5 WRV i. V. m. Art. 140 GG anerkannt ist, gesteht ihr der Staat Selbstverwaltungsrechte zu, wie sie ansonsten nur staatlichen Einrichtungen zukommen. Dieser Rechtsstatus ermöglicht der Kirche eine privilegierte Teilnahme am weltlichen Rechtsverkehr. Das bedeutet, dass der Staat seinerseits anerkennt, dass die Kirche eine eigene Rechtssetzungsbefugnis in ihren eigenen Angelegenheiten hat und dass, vice versa, die Kirche anerkennt, dass ihre Rechtsordnung dort wo sie am weltlichen Rechtsverkehr teilnimmt, zumindest mit dem weltlichen Recht kompatibel sein, wenn nicht sogar übereinstimmen muss. Bisweilen wird auch das weltliche Recht in das kirchliche integriert, wie z. B. hinsichtlich der Regelungen über das Vertragsrecht in c. 1290. Auf diese Themen wird noch zurückzukommen sein.
Das kooperative Verhältnis von Staat und Kirche hat in Deutschland eine feste Tradition. Daher treten neben die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorschriften auch solche aus den Verträgen zwischen Staat und Kirche, die auf der Ebene des völkerrechtlichen Vertragsrechts auch vermögensrechtliche Sachverhalte tangieren. An erster Stelle ist auf das Reichskonkordat (RK) von 1933 hinzuweisen. Art. 8 RK befreit das Amtseinkommen der Geistlichen in gleicher Weise, wie das der Beamten von der Zwangsvollstreckung. Art. 13 RK garantiert allen kirchlichen Rechtsträgern die Rechtsfähigkeit und damit ihre Teilnahme am Rechtsverkehr nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts. Art. 17 RK gewährleistet umfassend das Eigentum und Vermögen katholischer Institutionen, insbesondere sakraler Bauten. Art. 18 RK regelt grundlegend die Frage der Ablösung von Staatsleistungen in freundschaftlichem Einvernehmen von Staat und Kirche. Den vielen Länderkonkordaten, die weitgehend den drei aus der Weimarer Zeit überkommenen nachgebildet sind, befassen sich in vermögensrechtlicher Hinsicht mit den Staatsdotationen und weiteren vermögensrechtlichen Verpflichtungen, die entweder auf historischen Verpflichtungen beruhen oder neu vereinbart worden sind.7 Grundsätzlich ist gem. c. 3 festzuhalten, dass dem Staatskirchenvertragsrecht ein normativer Vorrang vor dem rein kanonischen Recht zukommt. Diese kirchenrechtliche Grundregel dient vor allem auch dem Grundsatz der Vertragstreue auf völkerrechtlicher Ebene.
In den meisten deutschen Bistümern ist das ortskirchliche Vermögensrecht durch kirchliche Vermögensverwaltungsgesetze geregelt, die in den jeweiligen kirchlichen Amtsblättern veröffentlicht wurden und dort auch gelegentliche Aktualisierungen erfahren.8 Um eine weitgehende Rechtseinheit in den deutschen Diözesen zu erreichen, haben sich vor allem nach der Zeit der Würzburger Synode die Bistümer darauf verständigt, das eigene kirchliche Vermögensverwaltungsrecht zu harmonisieren. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der Beteiligung von Laien an der kirchlichen Vermögensverwaltung. Insofern bildet das alte preußische Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens bis heute die Vorlage für das diesbezügliche autonome Kirchenrecht in den übrigen Diözesen.
3. Die Systematik des Buches V: De Bonis Ecclesiae Temporalibus (Die zeitlichen Güter der Kirche) im CIC/1983
Der CIC behandelt das Vermögensrecht nach fünf einleitenden und grundlegenden Canones über die Erwerbs- und Besitzfähigkeit der Kirche sowie einiger wichtiger präliminarischer Definitionen (cc. 1254-1258) in vier Titeln:
Tit. 1 Vermögenserwerb (cc. 1259-1272).
Tit. 2 Vermögensverwaltung (cc. 1273-1289).
Tit. 3. Verträge, insbesondere Veräußerungen (cc. 1290-1298).
Tit. 4 Fromme Verfügungen im allgemeinen sowie fromme Stiftungen (cc. 1299-1310).
Damit folgt der kirchliche Gesetzgeber in diesem Bereich der formalen Struktur des Vermögensrechts im CIC/1917. Anders verhält es sich mit den in das Verfassungsrecht (Buch II) aufgenommenen Vorschriften über die konkrete Durchführung und Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung auf ortskirchlicher Ebene. Diese Bestimmungen wurden in Buch II Titel III über die innere Ordnung der Teilkirchen systematisch am richtigen Ort eingefügt. Artikel 3 handelt hier, im Abschnitt über die Organisation der diözesanen Verwaltung, über den Vermögensverwaltungsrat und den Ökonom (cc. 492-494). Ein weiterer Unterschied in der Gliederung von altem und neuem Gesetzbuch liegt bei der systematischen Einordung der res sacrae vor. Während diese im CIC/1917 im Sachenrecht verankert waren, finden sie in der anderen, deutlich theologischer motivierten, Ordnung des CIC/1983 zum Abschluss des Buches IV in den cc. 1205-1213 über den Heiligungsdienst ihren richtigen Ort. Der Zuordnung entspricht es auch, dass die dortigen Normen nicht direkt, sondern eher mittelbar für das Vermögensrecht von Belang sind.
4. Das Verhältnis von universalem und partikularem Kirchenrecht
Für den Rechtsanwender ist es wichtig, die Hierarchie der Normen bei der Subsumption vermögensrechtlicher Lebenssachverhalte zu beachten. Dabei leuchtet es unmittelbar ein, dass dem universalen Kirchenrecht, als Rahmenrecht, ein Vorrang vor dem teilkirchlichen und ortskirchlichen Kirchenrecht zukommt. Universales Kirchenrecht ist hier umfassend zu verstehen. Es sind nicht nur die vermögensrechtlichen Bestimmungen des CIC, sondern auch alle Gesetze und Verordnungen, die vom Apostolischen Stuhl für diesen Rechtsbereich erlassen worden sind. Diese werden, soweit nicht etwas anderes verlautbart ist, gem. c. 8 § 1 in den Acta Apostolicae Sedis (AAS), dem amtlichen Publikationsorgan des Apostolischen Stuhls veröffentlicht. In den letzten Jahren hat der Apostolische Stuhl aber auch zunehmend kirchliche Gesetze und Verordnungen in der italienischen Ausgabe des Osservatore Romano veröffentlicht, um die Zeiträume bis zum Inkrafttreten der Vorschriften zu verkürzen.
Unter Partikularrecht wird kirchliches Recht verstanden, das vom universalen kirchlichen Gesetzgeber oder von der zuständigen kirchlichen Autorität für einen beschränkten Kreis von Gläubigen erlassen wird.9 Für die