Eine Reform des kirchlichen Vermögensrechts ist schon lange vor dem 2. Vatikanischen Konzil aus Teilen der Weltkirche gefordert worden. Immer wieder wurde darauf abgestellt, dass das Recht des CIC/1917 das mittelalterliche Vermögensrecht insbesondere hinsichtlich des Benefizialwesens konserviere und dass eine Anpassung dieses Rechtsgebiets an die Rechtswirklichkeit moderner Wirtschafts- und Vermögensverwaltung anzupassen sei.1 Der kirchliche Gesetzgeber folgte nach dem Konzil diesen Desideraten. Die Relatio von 1982 zum Gesamtentwurf des CIC reflektiert diesen Diskussionsstand.2 Warum, so mag man im 21. Jahrhundert weiter fragen, braucht es überhaupt ein universalkirchliches Vermögensrecht, insbesondere wenn man bedenkt, dass die staatlichen Rechtsordnungen, mit denen die Kirche sich in vielen Bereichen zu arrangieren hat, weltweit doch höchst unterschiedlich und zugleich von einer erheblichen Veränderungsdynamik geprägt sind und zudem die Kirche in ihren Beziehungen zu den Staaten ganz unterschiedliche Rechtspositionen einnimmt? Sie reichen von einer weitgehenden Ignoranz der kirchlichen Sozialnatur in nationalen Rechtsordnungen bis zu einem fein abgestimmten Staat-Kirche Verhältnis in Deutschland. Eine erste Antwort ergibt sich aus der ekklesiologischen Konzeption der katholischen Kirche, wie sie das 2. Vatikanische Konzil formuliert hat. Die katholische Kirche als Universalkirche mit ihrer zentralen Organisation besteht in und aus Teilkirchen (LG 23, siehe auch c. 368). Dieses ineinander Verwobensein der beiden Strukturen erstreckt sich in rechtlicher Hinsicht auf alle Regelungsbereiche des kirchlichen Lebens. Der CIC von 1983 dekliniert diese Einheit in der Vielheit in all seinen Rechtsgebieten durch, nicht nur aber auch, um einheitliche strukturelle und rechtliche Standards in der weltweiten katholischen Kirche zu besitzen, die freilich nach der jeweiligen Notwendigkeit durch partikulares Recht ergänzt und bisweilen auch verändert werden. So zeigt sich im kirchlichen Vermögensrecht, das mit nur 57 (!) Canones eines der kleinsten Bücher des CIC ist, auf engem Raum die Dynamik und Flexibilität kirchlicher Gesetzgebung. Allerdings steht das 5. Buch des CIC in einem inneren Sinnzusammenhang mit dem übrigen CIC, denn alle Selbstvollzüge der Kirche in der Verkündigung, dem Heiligungsdienst und auch der Strukturiertheit in der kirchlichen Verfassung und Organisation bedürfen zu ihrer Ermöglichung finanzieller Mittel. Aus systematischen Gründen hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden einige Normen, die das Vermögensrecht unmittelbar betreffen, strukturell aber doch eher zum kirchlichen Verfassungsrecht oder zum Heiligungsdienst gehören, dort zu regeln. Das gilt etwa für die Organisation der Vermögensverwaltung in den Religioseninstituten (cc. 634-639), die Bestimmungen über die Verwaltungsorgane auf diözesaner und pfarrlicher Ebene, genauerhin den Vermögensverwaltungsrat, das Konsultorenkollegium (cc. 502 § 3, 494 §§ 1 u. 2) und den Pfarrvermögensrat (c. 537). In weiten Teilen der Kirche bilden die Messstipendien (cc. 945-958) das Grundeinkommen vieler Priester. Obwohl es sich dabei eindeutig um eine vermögensrechtliche Kategorie handelt, hat der Gesetzgeber sie aktuell im Sakramentenrecht verortet, vor allem, damit der geistliche Charakter deutlicher hervortritt und jede Geschäftemacherei mit „sakramentalen Dienstleistungen“ (vgl. c. 947) zurückgedrängt wird.
Merke:
Das Vermögensrecht des CIC/1983 ist ein Rahmenrecht, das allein der Komplexität vermögensrechtlicher Wirklichkeiten nicht genügen kann.
Universalkirchliches Vermögensrecht findet sich in den Büchern II, IV und V des CIC.
Partikulares Vermögensrecht findet sich in den Amtsblättern der deutschen Diözesen.
1. Grundlegende Begriffe des kirchlichen Vermögensrechts
Als die drei wesentlichen Grundfunktionen der Kirche werden mit Blick auf das Lebensbeispiel Jesu Christi die Verkündigung des Glaubens, die Feier des Gottesdienstes und die Ausübung der Nächstenliebe qualifiziert. Um diese Aufgaben in der real existierenden Welt zu erfüllen, bedarf die Kirche seit jeher irdischer Güter (mobiles und immobiles Vermögen), so wie sich auch Jesus selbst dieser nach seinem Bedarf bedient hat. Insofern besteht kein prinzipieller, wohl aber ein durchaus erheblicher gradueller Unterschied zwischen der biblischen, nachbiblischen und institutionell kirchlichen Zeit. Die hauptsächlichen Ausgabenposten entstehen für die Finanzierung der Personalausgaben und der Sachausgaben in den drei kirchlichen Grundfunktionen. Daher formuliert der Einleitungskanon in das kirchliche Vermögensrecht, c. 1254 § 2 die Hauptzwecke des Kirchenvermögens entsprechend: Durchführung des Gottesdienstes, sowie Ausübung der kirchlichen Sendung und der Caritas. Für alle diese Aufgaben bedarf es Menschen, die sich ganz oder teilweise in Dienst nehmen lassen. Insofern ist die Sicherstellung des Unterhalts von Geistlichen und anderen kirchlichen Bediensteten ein weiterer Hauptzweck des kirchlichen Vermögens.
Der kirchliche Gesetzgeber wählt seit jeher die lateinische Bezeichnung bona temporalia für zeitliche Güter, die kirchlichen Rechtspersonen gehören. Die Bezeichnung bona temporalia wird als Gegenüber zu den bona spiritualia verstanden, über die vor allem die Bücher III und IV des CIC/1983 handeln. Der Begriff der Temporalien umfasst nicht nur dingliches und monetäres Vermögen im engeren Sinne, sondern traditionell die Gesamtheit der Güter, die kirchlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind.3 Das Kirchenvermögen im engeren Sinne hingegen bezeichnet die Vermögenstücke und Ver- mögensrechte, die kirchlichen Rechtsträgern gehören. Dabei kommt es entscheidend auf das Rechtsverhältnis der Sache zu einem kirchlichen Vermögensträger, nicht jedoch die ursprüngliche oder gegenwärtige Zweckbestimmung derselben, an. Das gilt sowohl hinsichtlich des Eigentums als auch des tatsächlichen Besitzes, mindestens aber der rechtlichen Herrschaftsmacht an der vermögenswerten Sache. Daher ist mit Blick auf den betreffenden Vermögensgegenstand zu unterscheiden zwischen dinglichen Rechten (ius in re), als das Eigentum und den Besitz der Sache selbst und Forderungsrechten (ius ad rem), also dem rechtlichen Anspruch an einen Dritten, eine vermögenswerte Leitung zu erbringen. Ein dingliches Recht ist z. B. das Eigentum an einer Kirche oder einer anderen Immobilie, oder aber auch an Geldvermögen. Forderungsrechte sind z. B. Mieten, Pachten, Zinsen und Erträge aus Verträgen, die Rechtspersonen mit einer kirchlichen Rechtsperson eingegangen sind. Bei beiden Vermögensformen kommt es nicht auf die Zweckbestimmung des Gegenstandes an, sondern auf das Recht daran, welches die kirchliche Rechtsperson hat. Der kirchliche Zweck an nicht originär kirchlichen Vermögensstücken besteht darin, dass diese der Bestandssicherung oder Erweiterung des kirchlichen Vermögens dienen und in zweiter Linie so einem der genannten kirchlichen Zwecke zufließen können.
Als kirchliche Rechtspersonen sind in den c. 1257 für die lateinische Kirche sowohl öffentliche (§ 1) als auch private (§ 2) juristische Personen gemeint. Demgegenüber kennt das katholischen Ostkirchenrecht in can. 1009 § 1 CCEO ausschließlich die öffentlichen juristischen Personen. Gem. c. 115 § 1 bezeichnen juristische Personen in der Kirche entweder Personen- oder Sachgesamtheiten, die gem. c. 116 § 1 dann als öffentliche juristische Personen qualifiziert werden, wenn sie rechtsförmlich von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtet worden sind. Freilich werden auch die privaten juristischen Personen von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtet. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die öffentlichen juristischen Personen namens der Kirche handeln, während die privaten ausschließlich nach Maßgabe ihrer Satzungen ohne Autoritätsanspruch aktiv werden.
Definitionen:
Kirchgut bezeichnet die Gesamtheit der Güter, die eine kirchliche Zweckbestimmung haben. Es muss sich aber nicht um einen unmittelbar kirchlichen Zweck handeln.
Kirchenvermögen umfasst die Summe der Vermögenstücke und der geldwerten Rechte, die im Eigentum öffentlicher kirchlicher Rechtssubjekte stehen. Hier wird näher zwischen dinglichen Rechten an der Sache und Forderungsrechten aus Vertrag oder Herkommen unterschieden.
2. Kirchliche und staatliche Rechtsquellen
Die universalen kirchlichen Bestimmungen über das Vermögensrecht finden sich im Wesentlichen in Buch V (Kirchenvermögen cc. 1254-1310), in Buch II (Volk Gottes cc. 492-502) und mit gewissen Einschränkungen in Buch IV Teil III (Heilige Orte und Zeiten, cc. 1205-1243) des CIC. Parallele Bestimmungen enthält auch das Recht für die katholischen Ostkirchen im Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium, das