Selige Gestalt.
Manche würden sie nicht kennen,
Ach, ihr schwand der Leib,
Doch ich weiß sie dir zu nennen:
Itha ist’s, dein Weib!«
Neubelebt, sie zu begrüßen,
Stürzt der Graf hinzu,
Knieet nieder ihr zu Füßen,
Flehet: »Heil’ge du,
Unwert bin ich, zu berühren
Deines Kleides Saum,
Dir zu richten muß gebühren,
Und ich hoffe kaum.
Kannst du dennoch mir vergeben
(Selig ist Verzeihn),
Als dein Diener will ich leben,
Will dein Knecht nur sein.
Ja, ich les’ in deinen Augen,
Daß du mild vergibst;
Aber soll mir Gnade taugen,
Sprich, ob du mich liebst?«
»Ritter, treue Schwesterliebe
Widmet Euch dies Herz;
Fordert keine andre Liebe,
Denn es macht mir Schmerz.
Ruhig mag ich Euch erscheinen,
Ruhig gehen, sehn:
Eurer Augen stilles Weinen
Kann ich nicht verstehn.«
usw.
Vorarlberg
Gleich hinter der Grafschaft Vaduz stößt das österreichische Vorarlberg an den Rhein und weiterhin an den Bodensee, der von dessen Hauptstadt Bregenz den ältesten seiner vielen Namen herleitet. Die wichtigsten Punkte, die uns hier begegnen, sind Feldkirch an der Ill, die aus dem Montafoner Tal herkommt und bei der Rothau in den Rhein fällt, Rankweil, ein uralter Ort, dessen Gerichtsbarkeit sich einst bis nach Säckingen erstreckte, Hohenems mit dem gleichnamigen Bad und den Schlössern Alt-und Neuhohenems, von denen jenes einst für unüberwindlich galt. Merkwürdig ist darin, außer seiner herrlichen Lage, ein Felsenbrunnen, dessen Wasser, wenn es verunreinigt oder zu unsauberem Gebrauch verwandt wurde, sich auf vierzehn Tage verlor, was sonst bei der höchsten Dürre nicht zu geschehen pflegte. Als unsauber soll ihm aber auch der Gebrauch zum Waschen gegolten haben. Hierüber wird es sich mit den Frauen, die glücklicherweise die Reinlichkeit in einem anderen Sinn verstehen, überworfen haben.
In der Nähe liegen endlich auch die Trümmer von Montfort, zu deutsch Starkenburg, dessen Grafen einst als mächtige Dynasten die Gegend weit umher beherrschten.
Wir sahen erst den Mittelrhein, dann den Glenner und die Rabiusa, zuletzt den Hinterrhein dem Vorderrhein zufließen; dem vereinten Strom zollte dann die Plessur, hierauf der Landquart, endlich der Illfluß. Alle diese Gewässer kommen von der rechten Seite her; wir hörten nicht, daß das linke Ufer seine Wasser vermehrt habe. Auf dieser Seite ist die wütende Tamina, die aus dem Calfeusertal kommt, an der Heilquelle und der berühmten, jetzt vielleicht schon aufgehobenen Abtei von Pfäfers vorbeibraust und sich bei Ragaz, Maienfeld gegenüber, mit ungestümer Heftigkeit in den selbst noch stürmischen Rhein wirft, das einzige namhafte Wasser, das auf der ganzen Strecke von der Quelle des Vorderrheins bis zum Bodensee in den Rhein mündet. Alle anderen dem Rhein links entspringenden Quellen scheidet von ihm das ihm gleichlaufende, nur in der Ebene von Sargans sich senkende Gebirge. Dieses bildet jedoch nur die Wasserscheide zwischen dem Rhein und dem Rhein, und alle jene Flüsse, die ihn erst zu meiden schienen, die Linth, die Sernft, die Seez, die Thur, die Sitter, fallen ihm doch endlich zu. So die Seez, die sich dem Rhein bei Mels oberhalb Sargans nähern zu wollen schien, sich aber plötzlich wendet und dem Walensee zufließt, dessen Wasser durch den Linthkanal mit dem Zürichsee, wie dieser durch Limmat und Aar mit dem Rhein, in Verbindung stehen. Ein weiter Umweg! Doch diese Flüsse tun weise, sie sehen, daß es dem Rhein bei seiner bevorstehenden Mündung in den Bodensee an Wasser nicht fehlen werde, und ersparen ihm das Ihrige für eine Zeit, wo er es mehr bedürfen wird. Welchen Glauben aber die von einigen ausgesprochene Vermutung verdiene, daß der Rhein einst nicht durch den Bodensee geflossen sei, sondern sich in der Ebene von Sargans links gewendet und den Weg wie heute die Seez durch den Walen-und den Zürichsee genommen habe, das mögen Naturkundige entscheiden.
Der oberste Rheingau
Über dem Städtchen Werdenberg liegt das gleichnamige Schloß, der Stammsitz des Grafengeschlechts, dessen wir in der Geschichte des Grauen Bundes gedacht haben. Von Werdenberg gelangt man in dreieinhalb Stunden nach Wildhaus, dem höchstgelegenen toggenburgischen Ort, am Fuße des Säntis, bei den Quellen der Thur. Hier wurde 1484 Ulrich Zwingli geboren.
Der auf dem linken Rheinufer von Hohensax in der Grafschaft Werdenberg bis zum Bodensee Vorarlberg gegenüber gelegene Landstrich wird im engsten Sinn das Rheintal (Vallis rheni) genannt. Als ein schönes und fruchtbares Weinland führt es auch den Namen Rheingau, obwohl es mit dem unter Mainz nicht zu verwechseln ist, ein Irrtum, in den doch wirklich ein Schriftsteller verfallen sein soll.
Der Hauptort dieses obersten Rheingaus ist Rheineck, welcher Name uns gleichfalls noch öfter begegnen wird. Von ihm wird es auch das Rheineck genannt. Dieses Tal, das nur wenige Stunden Breite hat und allmählich gegen den See absteigt, genießt ein mildes Klima und blüht den warmen Küssen der Sonne mit üppigem Pflanzenwuchs entgegen. Dies sind nicht mehr die undankbaren Felsen des hohen Rätien, wo es nur Wiesen und Weiden gab, hier reifen in Fülle Weizen und Korn, Haine von Obstbäumen umgeben jede Ortschaft, ein süßer Most springt von der Kelter, und hoch über den Weingärten findet die Herde noch reichliche Weide. Ein Kenner des Schönen, des landschaftlichen insbesondere, der selbst bis jetzt eine der reizendsten Gegenden bewohnte, Herr Joseph von Laßberg auf Eppishusen, urteilt von diesem Rheintal, es sei das schönste Tal Deutschlands. Wirklich liegt es den Wundern der Alpenwelt noch nahe genug, um entzückte Blicke hinein zu gestatten, und doch in behaglicher Ferne von ihren Schrecken. Die lauen Lüfte des Rheintals, die im Lenz manche Nachtigall wecken mögen, säumten nicht, auch menschliche Kehlen zum Gesang zu stimmen. Hier nicht minder als in den benachbarten Tälern der Schweiz blühten schon im dreizehnten Jahrhundert das Minnelied und die erzählende Poesie. Zwei Glieder des Hauses Hohensax, bei dessen Stammburg das Rheintal beginnt, Herr Heinrich von Sax und Bruder Eberhard von Sax, ein Mönch des Ordens der Prediger, sowie Konrad von Altstetten, der freundlichen Stadt in der Mitte des Tals, finden wir unter den besseren Liederdichtern jener Zeit. Ferner soll der Hardegger aus einer der Burgen über Marbach stammen. Die Heimat Friedrichs von Husen, nach der er, vielleicht im Gelobten Land, so manches Lied voller Sehnsucht sang, sucht man im Rheintal in der Nähe der Felsen, wo König Dagobert als Grenzzeichen seines Reiches einen Halbmond einhauen ließ.
Hier öffnet sich bei der Au ein liebliches Tal, in welchem oberhalb Bernang die alte Burg Husen lag. Die Lieder dieser ritterlichen Sänger sind uns in der sogenannten »Manessischen Sammlung« erhalten, welche selbst lange Zeit im Besitz des freiherrlichen Hauses von Hohensax gewesen ist. Wäre jener Hans Philipp von Hohensax, dessen unverweste Leiche noch heute in der Kirche zu Sennwald den Reisenden gezeigt wird, nicht 1559 von seinem Neffen Ulrich Georg meuchlerisch ermordet worden, so würde wohl jene kostbare Handschrift Deutschland nicht entfremdet und nach Paris verschleppt worden sein. Die verwitwete Freiherrin konnte dem dringenden Verlangen des Kurfürsten von der Pfalz, den Kodex für seine Bibliothek zu gewinnen, in Berücksichtigung der Verhältnisse ihres Mannes zum pfälzischen Hofe, nicht widerstehen, und so blieben die Bemühungen des gelehrten Schobinger, der den Liederschatz seiner Heimat zu erhalten wünschte, erfolglos; der Versuch aber, wenigstens eine Abschrift zurückzubehalten,