Von Selbst zu Selbst. Martha Sweezy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Martha Sweezy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783867813471
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      Es ist keine leichte Aufgabe, zwei Menschen und ihre Teile dazu zu bringen, auf aufgeschlossene und befriedigende Weise zu interagieren, wenn ständig Verbannte getriggert werden und wenn die beschützenden Teile extrem wachsam und reaktionsfreudig sind. Wie im ganzen Buch deutlich werden wird, umfasst eine Paartherapiesitzung offenkundig mehr Teile und mehr Personen als eine Sitzung für Einzelpersonen. Es gibt natürlich Unterschiede zwischen den jeweiligen Sitzungen, aber im Allgemeinen geht es unter anderem darum, nach innen zu gehen. Das heißt, man richtet die Aufmerksamkeit auf Körperempfindungen, lauscht darauf, ob eine Stimme sich meldet und/oder ob bildliche Vorstellungen auftauchen. Dieser Fokus nach innen kann uns in einen fast schon meditativen Zustand bringen, in dem Empfindungen, Gefühle oder Gedanken einen Teil oder mehrere Teile offenbaren, die Aufmerksamkeit brauchen. Da es unsere Aufgabe ist, die Kooperation von Teilen zu fördern und ihnen dabei zu helfen, ihre Vorgehensweise grundlegend zu ändern, suchen wir nach verschiedenen Möglichkeiten, sie zu bitten, sich zu lösen und während des Prozesses in einer Beziehung zum Selbst zu sein. Kurz gesagt, nutzt die IFIO-Paartherapie die Techniken von IFS und fügt weitere hinzu, um den Bedürfnissen des größeren Beziehungssystems gerecht zu werden.

      Das Intrapersonelle und das Interpersonelle heilen

      Weil äußere Beziehungen ein Spiegel der inneren Beziehungen zwischen unseren Teilen und dem Selbst sind, integrieren wir das Interpersonelle und das Intrapersonelle. Während die beiden Personen sich mit der interpersonellen Aufgabe beschäftigen, die Beziehung zu erforschen, zu heilen und wieder eine Verbundenheit zueinander herzustellen, leisten sie zugleich die innere Arbeit, Verletzungen zu heilen und schädliche innere Beziehungen umzuwandeln. Diese beiden Ebenen des Prozesses verstärken und unterstützen sich gegenseitig. Verbundenheit wird von innen nach außen und umgekehrt geschaffen, wobei das Ziel darin besteht, liebevolle und authentische, aber auch anpassungs- und entwicklungsfähige Beziehungen herzustellen, sowohl in inter- wie in intrapersoneller Hinsicht.

      Wie in der Einleitung erläutert, besteht IFIO aus drei Behandlungsphasen. In der ersten Phase setze ich mich mit dem Paar zusammen, um den Grad seiner Differenzierung einzuschätzen (die Fähigkeit der beiden Personen, zu akzeptieren, dass sie verschieden voneinander sind). Ich erkundige mich nach ihren Hoffnungen und Zielen und erkläre ihnen, welche Möglichkeiten es aus meiner Sicht gibt. In der längeren mittleren Phase helfe ich den beiden, sich zu differenzieren, sowohl innerlich (von ihren Teilen) wie äußerlich (voneinander). Das ist meiner Ansicht nach entscheidend dafür, dass sie lieben und geliebt werden können, aber auch dafür, dass ich ihnen helfen kann, die Beziehung zu erschaffen, nach der sie sich sehnen. Dieser Prozess besteht aus mehreren Aspekten, die zu einer der folgenden Kategorien gehören: Verhaltensmuster beurteilen, neue Fähigkeiten vermitteln (darunter neue Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren und um etwas zu bitten) und die individuelle Arbeit des Entlastens leisten.

      Um Verhaltensmuster zu beurteilen und die Differenzierung zu unterstützen, fange ich damit an, die Verletzlichkeit zu erforschen, die dem Streit des Paares zugrunde liegt. Innerlich bedeutet dies jeweils, das Selbst von den Teilen zu unterscheiden, also sich von den Teilen zu lösen. Das hilft den beiden dabei, ihr vegetatives Nervensystem zu regulieren. Zu diesem Zweck bitte ich beide, für ihre Teile statt als oder aus ihnen heraus zu sprechen, was einen erheblichen Grad an Losgelöstheit von den Teilen erfordert. Außerdem unterstütze ich beide darin, ihre emotionalen Bedürfnisse zu erkennen und geschickter dafür zu sorgen, dass diese erfüllt werden. Wenn wir zur individuellen Arbeit kommen, helfe ich ihnen, ihre Kindheitswunden zu heilen, indem die Beschämung entlastet wird. Unabhängig davon, was gerade geschieht, gehe ich erfahrungsbezogen vor, um die beiden in ihren Körper zu holen, und ich fördere die Beziehungsentlastung, eine zwischen den Partner stattfindende Heilung, durch die sowohl innere wie äußere Beziehungen wiederhergestellt werden.

      Die dritte Phase der Behandlung ist erreicht, wenn die beiden fähig sind, sich gegenseitig als Ressource zu sehen statt als die Person, die verletzt, oder als Retter(in). Außerdem arbeiten wir daran, die Beziehung wiederherzustellen. Das erneuerte Gefühl der Verbundenheit, das dadurch entsteht, gibt dem Paar die Freiheit, das nächste Kapitel der Beziehung aufzuschlagen, in dem beide ihre Unterschiede akzeptieren (oder sogar begrüßen) und sich in Liebe verbinden.

      Negative Kreisläufe identifizieren, um den Streit zu begreifen

      Mit IFIO erforschen wir, auf welche Weise die emotionalen Reaktionen von jungen, verängstigten Teilen (in IFS als Verbannte bezeichnet) das Verhalten der beschützenden Teile im System beeinflussen. Anders ausgedrückt, regen wir in der therapeutischen Rolle die beiden Personen dazu an, zu begreifen, inwieweit das, was sie bei einem Streit tun oder sagen, durch Verletzlichkeit und Bedürftigkeit motiviert ist.

      Xander und Naomi

      Bei Naomi ist es in der Arbeit heute schlecht gelaufen, und als sie nach Hause kam, forderten die Kinder ihre Aufmerksamkeit. Obwohl Naomi erschöpft und überfordert war, hat sie getan, was getan werden musste. Sie hat überlegt, was sie zum Abendessen kochen soll, sie hat den Hund gefüttert und Karotten für die Kinder geschält, damit sie aufhören, Käse und Cracker zu futtern. Dennoch haben scheinbar weder ihr Mann Xander noch die Kinder wahrgenommen oder anerkannt, was sie alles getan hat. Ein Teil in ihrem Innern fühlt sich allein, nicht wertgeschätzt und wird immer ärgerlicher. Eigentlich will dieser Teil von Xander getröstet werden, aber Naomi ist mit einem Teil verschmolzen, den man als »Manager-Mama« bezeichnen könnte. Dann fällt ihr auch noch auf, dass Xander vergessen hat, den Abfall runterzubringen. Wieder einmal! Für den sich nicht wertgeschätzt fühlenden Teil, der Trost und Zuneigung bräuchte, ist das ein weiterer Beweis, dass niemand sich um ihn kümmert. Deshalb tritt ein wütender beschützender Teil auf den Plan. Und weil Naomis System mit Wut überschwemmt wird, nimmt sie die Bedürfnisse des Teils, der sich nicht wertgeschätzt fühlt, überhaupt nicht wahr. Stattdessen denkt sie, Xander müsste doch wissen, wie sehr sie es verabscheut, in der Küche mehrere stinkende Müllsäcke vorzufinden, wenn sie nach Hause kommt.

      Eigentlich will Naomi sich wertgeschätzt und geliebt fühlen, und ihr System war verständlicherweise der Ansicht, dass Xander das leisten könnte. Aber statt Xander mitzuteilen, dass sie seine Aufmerksamkeit und Unterstützung braucht, geht sie in die Luft. Ihr wütender Teil hofft dabei, dass Xander ihr Bedürfnis erkennt und sie rettet, aber das ist ihr nicht bewusst.

      Verständlicherweise ist Xander von Naomis Wut überrascht und verletzt. Auch er hatte einen langen Arbeitstag; er war gerade damit fertig, die Einkäufe einzuräumen, die er auf der Fahrt nach Hause besorgt hat. Ein Teil von Xander fühlt sich daher – wer hätte das gedacht? – ebenfalls überfordert und nicht wertgeschätzt. Jetzt leiden beide. Xander blafft zurück und beschuldigt Naomi, zu meckern und ihn anzugreifen. Der Streit untergräbt das Vergnügen daran, am Tagesende zu Hause zu sein, gemeinsam zu kochen, sich auf eine gute Mahlzeit mit den Kindern zu freuen und so weiter. Beide haben von der anderen Person nicht das bekommen, was sie wollten und brauchten.

      Weshalb ist es dazu gekommen? Weshalb ernten wir das Gegenteil dessen, was wir uns erhofft haben? Weil wir zu der Illusion neigen, unsere Entscheidungen wären bewusst, erwachsen und auf die aktuelle Situation angepasst, während wir in Wirklichkeit so reagieren, wie frühere Erfahrungen es uns gelehrt haben. Gegenwart und Vergangenheit sind im Gehirn eng miteinander verknüpft. Wenn wir uns bedroht fühlen, wird in der Amygdala, dem primitiven Teil des Gehirns, das sich um unser Überleben und unsere Sicherheit kümmert, eine Reaktion ausgelöst. In der Amygdala ist unser implizites Gedächtnis gespeichert, das existiert, ohne bewusst wahrgenommen zu werden. Zum Beispiel wissen wir ohne Beteiligung des Bewusstseins, wie man Rad oder Auto fährt. Implizite Gedächtnisinhalte, die unter anderem zum Selbstschutz verwendet werden, bilden sich hauptsächlich in der Kindheit, in Zeiten von starkem Stress und dann, wenn unser Überleben gefährdet ist. Wenn in der Gegenwart implizite Erinnerungen wachgerufen werden, reagiert das Gehirn so, als befände es sich in der Vergangenheit (Cozolino 2002).

      Wenn unser Gegenüber also etwas sagt oder tut, was uns an eine schmerzhafte frühere Erfahrung erinnert, kommt die Schutzreaktion oft ausgesprochen stark und blitzschnell. Als Naomi