Da IFIO von den Konzepten und dem Modell der Psyche ausgeht, die von Richard C. Schwartz im Rahmen von IFS entwickelt wurden, soll zuerst darauf eingegangen werden. Fangen wir mit den Teilen an. Alle Modelle der Psyche, die sich mit innerpsychischen Konflikten beschäftigen, gehen von mehreren psychischen Anteilen aus. Freud (2000) spricht von Es, Ich und Über-Ich, Jung (1991) von Archetypen und Komplexen, Assagioli (2004) von Unterpersönlichkeiten; von Watkins und Watkins (2019) stammt die Ego-State-Therapie. Dazu kommen verschiedene Ansätze, die mit dem inneren Kind arbeiten. Laut Schwartz (2018) denken und fühlen unsere Teile, sie haben Überzeugungen, führen alltägliche Handlungen aus und wirken in komplexer Weise auf unsere Beziehungen ein. Jeder Teil besitzt seinen eigenen Erfahrungsschatz. Wenn es den Teilen überlassen bleibt, ihre Erfahrungen ohne Führung einer zuverlässigen Elternfigur zu bewältigen, können sie von Emotionen überflutet, kognitiv verwirrt und mit untragbaren Überzeugungen belastet werden. Ist das der Fall, übernehmen manche Teile eine beschützende Rolle und entwickeln Überlebensstrategien, die dem Augenblick und der Entwicklungsstufe der Person angepasst sind. In dem Moment sind diese Strategien zwar nützlich, aber sie sind oft alles andere als optimal, was die spätere Lebensqualität und ein langfristiges inneres Wachstum angeht.
Egal, wie dysfunktional das Verhalten solcher beschützender Teile wirkt, sobald die Krise vorüber ist, vertreten sie eine altruistische Motivation, wenn wir mit ihnen sprechen (was wir tun können). Sie handeln im Dienste des Überlebens und nach besten Kräften. Daher besteht das Ziel der Behandlung nicht darin, sie zu kontrollieren oder loszuwerden, sondern sie zu befreien. Glücklicherweise können wir unseren verletzlichen, konfliktträchtigen Teilen helfen, weil wir ein Selbst besitzen. Das Selbst in jedem von uns ist fähig, verwundete Teile zu heilen und unser inneres System mit Mut, Weisheit und Mitgefühl zu führen (Schwartz 2018). Die Vorstellung eines Selbst ähnelt dem, was in verschiedenen spirituellen und philosophischen Traditionen als Buddha-Natur, Seele, inneres Licht, Tao oder Flowzustand bezeichnet wird. Es handelt sich um einen energetischen Zustand, der uns allen verfügbar ist und der weder verwundet noch beschädigt werden kann. Dennoch kann es schwierig sein, Zugang dazu zu finden, vor allem, wenn in der Kindheit problematische Umstände geherrscht haben. Der IFIO-Ansatz hilft einem Paar, Zugang zum Selbst beider Personen zu erhalten. Dadurch wird diese wirksame Ressource – zusammen mit dem Konzept der Teile – im Rahmen der Beziehung zu einem Instrument, das zu Wachstum und Heilung der beiden Individuen und des Paares beiträgt.
Die Teile
Was sind unsere Teile überhaupt? Jenseits der subjektiven Erfahrung wissen wir das nicht. Aber wenn bestimmte Glaubenssysteme (darunter verschiedene Religionen, Psychotherapiemodelle und Selbsthilfemethoden) unsere Teile als unerwünschte negative Impulse betrachten, animieren sie uns dazu, diese Teile zu ignorieren, zu beschämen oder aus dem Bewusstsein zu verbannen. Richard Schwartz berichtet, dass die Arbeit mit seinen Klientinnen und Klienten ihn gelehrt hat, das Gegenteil zu tun, nämlich alle Teile willkommen zu heißen und ihnen zuzuhören. Unsere Teile helfen uns zu überleben; sie bereichern unser Leben mit ihrem Verstand, ihren Gaben und Talenten, und sie reagieren entsprechend, wenn sie gehört werden und Wertschätzung erfahren.
Obwohl wir nicht wissen, was Teile sind, können wir sie entdecken, wenn wir in unserem Innern auf unsere Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und Handlungsimpulse achten. Tun wir das, so merken wir, dass sie unsere Selbstidentität formen und unser Verhalten beeinflussen. Und wenn wir mit ihnen sprechen, antworten sie (oder kommunizieren in irgendeiner Weise mit uns). Teile können beschreiben, was sie durch zwischenmenschliche Beziehungen gelernt haben und wie sie in Beziehung zueinander existieren. Zum Beispiel hören wir, dass ein Teil eine aus einer Beziehung stammende Verletzung als Identität angenommen hat (Ich bin unsympathisch, ich bin ein schlechter Mensch), was andere Teile dazu gebracht hat, eine beschützende Rolle zu übernehmen. Die erste Kategorie von Teilen bezeichnet Schwartz als verbannte, die zweite als beschützende Teile. Außerdem unterscheidet er die Taktik beschützender Teile in das aktive Verhalten von Managern und das reagierende Verhalten von Feuerbekämpfern (mehr über die IFS-Begrifflichkeit im Glossar).
IFS stellt uns ein Gerüst und eine Sprache zu Verfügung, um jeden Teil kennenzulernen, egal welche Rolle er in der inneren Familie spielt, und um die Beziehung zwischen den Teilen zu verstehen. Bei der Arbeit mit Paaren gehen wir ebenso vor wie bei der Einzelarbeit – wir würdigen die Entscheidungen, die alle Teile angesichts der Umstände getroffen haben, wir nehmen die guten Absichten ihrer Bemühungen wahr, und wir versichern ihnen, dass wir sie im Verlauf des Therapieprozesses nicht beseitigen werden. Laut den Grundsätzen des IFS-Modells, die sich nach unserer Erfahrung als valide erwiesen haben, verfügen alle Teile über eine ihnen eigene Gabe, die sie dem System zu bieten haben, sobald sie entlastet wurden. Diese Therapieform heißt alle Aspekte von uns willkommen, vor allem jene Teile, die verbannt wurden, und fügt sie wieder zu einem Ganzen zusammen.
Die Optionen der Teile: Verschmelzen und Lösen
Weil die Beziehung zwischen den Teilen und dem Selbst Klarheit fördert und sowohl schwierige wie traumatische Erfahrungen heilt, besteht das wichtigste Ziel der IFS-Therapie darin, diese Beziehung zu entwickeln. Alles, was sie beeinträchtigt, kann für die Behandlung fruchtbar sein, und das ist für Paare wie für das Individuum in erster Linie das Verschmelzen.
Vom Verschmelzen spricht man, wenn ein Teil die Führung über das Bewusstsein übernimmt. Nehmen wir an, wir fahren an einem wunderschönen Frühlingstag mit dem Auto nach Hause. Das Fenster ist offen, im Radio läuft Musik; wir singen mit und freuen uns darauf, den Abend zu Hause zu verbringen. Plötzlich überholt uns ein anderer Wagen und schneidet uns. Wir treten fluchend auf die Bremse, wir sind wütend und verspüren den Impuls, diesen Trottel, der da davonrast, zu verfolgen, um ihm ordentlich die Meinung zu sagen. Aus der Perspektive von IFS hat dabei gerade ein wütender Teil die Führung übernommen; er ist mit uns verschmolzen. Wo ist nur das unbeschwerte Gefühl von vorher geblieben? Ist es für immer verschwunden? Richard Schwartz würde sagen, dass dieses Gefühl von einem Teil stammte, der momentan in unserem Bewusstsein durch etwas anderes ersetzt worden ist. Sobald sich der wütende Teil beruhigt hat, kann der unbeschwerte Teil allmählich zurückkehren und wieder Freude verbreiten.
Ein solcher Vorgang stellt die natürliche Aktivität unserer Teile dar. Sie verschmelzen mit uns und lösen sich von uns. Sie üben Einfluss auf unser Bewusstsein aus und ziehen sich dann wieder zurück, was der in der Achtsamkeitsliteratur beschriebenen Dezentrierung entspricht (Kabat-Zinn 2019). Wenn alles gut läuft, ist ihre Rolle zeitlich und räumlich ausgewogen; sie erhalten Unterstützung durch die Führung des Selbst und tragen dazu bei, dass das gesamte System optimal funktioniert. Steht die Sorge um die eigene Sicherheit jedoch an erster Stelle und hat man wenig eigene Erfahrung mit Selbstführung (und auch kein Vorbild in dieser Hinsicht), so verwenden die beschützenden Teile das, was sie gelernt haben, um zurechtzukommen und Sicherheit herzustellen. Oft ist das jedoch genau die Taktik, der sie selbst auf schädliche Weise ausgesetzt waren. Die erste Phase der IFS-Therapie widmet sich daher der Aufgabe, Freundschaft mit unseren beschützenden Teilen zu schließen und ihnen zu vermitteln, dass sie sich gefahrlos von uns lösen können. Wenn ein Teil sich weigert, sich zu lösen und dem Selbst von Klientin oder Klient die Führung zu überlassen, kann unser eigenes Selbst in der therapeutischen Rolle, in der wir immer ein Beispiel an Selbst-Führung sein sollten, vorläufig als Vertretung dienen.
Das IFS-Verfahren mit den zusätzlichen Dimensionen von IFIO
IFIO ist eine erfahrungsorientierte Methode der Paartherapie, die im Lauf der vergangenen zehn Jahre entstanden ist, während ich die Konzepte von IFS verwendet habe, um sowohl dem Paar als auch den beiden Individuen zu Wachstum und Heilung zu verhelfen. Meine Verfahrensweise in der Paartherapie ist dazu gedacht, die Stärken und Ressourcen beider Personen und des Paares zu entdecken, um Wunden zu heilen, die frisch entstanden sind, aus früheren Beziehungen herrühren oder aus der Kindheit stammen.