»Keine Ahnung, wie lang so was dauert. Sag du’s mir. Du hast ja schon ein bisschen mehr Erfahrung.«
Liz humpelt voraus und ich folge ihr. Die kleine Stadt ist zum Glück schon in Sichtweite, sonst würde ich aus Solidarität vermutlich bald auch das Hinken anfangen.
»Du musst rausfinden, was dein Herz nicht heilen lässt.«
»Äh, vielleicht der Vertrauensmissbrauch? Das Lachen der anderen? Dass alles kacke läuft seither? Dass ich Jonas mit ’nem anderen Typen gesehen habe, gerade als ich bereit war, uns noch mal eine Chance zu geben. Das alles?«
»Das kapiere ich jetzt nicht.«
Liz bleibt stehen und blitzt mich unangenehm durchdringend an. Man kann dieser Frau einfach nichts vormachen.
»Was?« Ich will nur noch meinen Rucksack abnehmen, duschen und mich aufs Bett legen. Ohne reden zu müssen.
»Das mit der zweiten Chance.«
Ohne mit der Wimper zu zucken, hat sie den Knackpunkt meiner Geschichte entdeckt, weil ich selber nicht mehr genau weiß, warum ich vor einigen Wochen nach Köln gefahren bin und mich dadurch noch verletzlicher gemacht habe.
Meine Schultern sinken nach unten und schleifen wie bei einer Comicfigur auf dem Boden hinter mir her. So fühlt es sich jedenfalls an. Es ist einfach alles eine verquirlte Scheiße. Und es ist noch beschissener, dass diese Scheiße ausgerechnet hier in Italien von dieser fremden Person als Scheiße identifiziert wird.
»Du bist doch hierhergekommen, um es zu verstehen. Oder?«
Liz nimmt meine Hände in ihre und ich lasse es zu. Vermutlich sieht es aus, als würde ich ihr oder sie mir einen Heiratsantrag machen, aber im Augenblick ist mir selbst das egal.
»Jeder, der so einen Weg geht, will etwas verstehen. Auch wenn er sich selbst als Nicht-Pilger bezeichnet. Das sind nur Worte, das macht keinen Unterschied.«
Aus irgendeinem Grund schießen mir Tränen in die Augen. Tränen, obwohl ich heute jeden Tropfen Körperflüssigkeit ausgeschwitzt habe. Tränen, obwohl ich die seit damals so gut es geht unterdrücke. Zum Glück bleiben sie im Auge und laufen mir nicht total peinlich über die Wange. Eine 19-jährige Heulsuse zu sein, das fehlt mir gerade noch zu meinem Glück.
Aber natürlich werden sie von Liz bemerkt. Und ich merke, dass sie es bemerkt, weil sie meine Hände fester drückt.
»Ich bin hierhergekommen, um rauszufinden, was ich mit meiner Zukunft anfangen soll«, antworte ich trotzig und nur halb ehrlich, »sonst nichts.«
Und das in Ruhe, denke ich mir noch dazu, spreche es aber nicht aus.
»Aber wie soll das denn funktionieren, wenn du vor so vielen Dingen, die dich ausmachen, davonläufst. Tu das nicht. Stell dich ihnen, erst dann kann es nach vorne gehen. In deine Zukunft.«
Mir schwirrt der Kopf. Liz hat scheinbar den Beschleunigungshebel meines Gedankenkarussells gefunden, das jetzt dabei ist, mit unkontrollierbarer Geschwindigkeit komplett aus der Verankerung zu fliegen. Und eins ist mir auch in diesem Zustand klar: Wenn ich nicht sofort die Notbremse reinhaue, durchlöchern die durch die Gegend schießenden Schrauben meine Schädeldecke. Ich lasse ihre Hände los und blinzle meine Tränen weg.
»Darum meinte ich ja das mit dem Knopf. Wäre doch alles viel einfacher, wenn ich den jetzt drücken könnte.«
Sie nimmt den letzten Schluck Wasser aus ihrer Trinkflasche und schaut mich nachdenklich an. Stumm nachdenklich, was jetzt nicht gerade zu meiner Beruhigung beiträgt, weil ich ahne, dass gleich wieder was kommt.
Um ihr zuvorzukommen, versuche ich, meine These weiter zu untermauern. »Meinst du nicht, dass Helmut den in seiner Situation auch benutzt hätte?«
Liz verstaut ihre Flasche und strafft sich für den Endspurt.
»Hat er gemacht. Und leider mehr als einmal.«
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