Essentielle Schriften. Gregor der Große. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gregor der Große
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849660369
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Gesicht, sind aber geschminkt; sie lügen, da ihnen ein wirklicher Inhalt abgeht; sie sind nur eitle Wortbildungen und mit schönen Farben überzogen.“ 19 In dem Begleitbrief zu den Moralia an Bischof Leander verachtet Gregor die infructuosae loquacitatis levitas und schreibt: „Darum wollte ich mich nicht nach der Redeweise, wie sie die weltlichen Rhetoren lehren, richten, meide, wie auch dieser Brief zeigt, weder Metacismen noch Barbarismen und beachte nicht Wortstellung und Rhythmus und den Kasus der Präpositionen; denn ich halte es für ganz und gar unwürdig, daß ich die Worte des himmlischen Orakels unter die Regeln des Donatus beugen soll.“ 20 Wir werden auf diese vielzitierte Stelle weiter unten noch zurückkommen, wenn wir von der Sprache und vom Stil Gregors sprechen müssen; es sei aber schon hier gesagt, daß Gregor mit diesen stark übertreibenden Worten nicht eigentlich die Grammatik an sich verachten will, sondern daß er seiner ernsten Auffassung Ausdruck verleiht; ihm ist die Erfassung des göttlichen Lehrinhalts und dessen deutliche Wiedergabe die Hauptsache, so daß er sich der Arbeit des Feilens und Polierens, des äußeren Aufputzes und des beabsichtigten Glanzes entheben zu müssen glaubt. Mit dieser Anschauung berührt sich die Meinung Stuhlfaths, 21 daß die Ablehnung des ciceronianischen Lateins, das zur Manier geworden war, eine gesunde Reaktion verrät. Die strenge Auffassung, das Erfassen des Kernes einer Sache unter Preisgabe der kunstvollen äußeren Form bildete sich bereits in der Seele des Knaben, da die Beschäftigung mit geistlichen Dingen, vorab mit der Heiligen Schrift und den Vätern, die in der schweren Zeit allein Trost und Halt geben konnten, die Pflege der rein formalen Geistesbildung mehr zurücktreten ließ.

      Für das Gemüt des jungen Gregor blieb sicherlich die nähere Umgebung seines elterlichen Hauses nicht ohne Einfluß; sie war ja ganz dazu angetan, die ernste Sinnesrichtung zu fördern. Tiefe Melancholie herrschte ringsum; denn in der Niederung vor dem väterlichen Palaste entstand ein Sumpf, da die Aquädukte durch die Kriege Schaden litten; zur Rechten schaute das Flavische Amphitheater herüber, das zwecklos in die Lüfte ragte; vor ihm lag der Palatin mit den Kaiserpalästen, die, unbewohnt, geplündert und ausgeraubt, einen trostlosen Anblick boten; die Statuen waren umgestürzt und lagen auf dem Boden; niemand pflegte mehr die Garten- und Parkanlagen am Abhang des Palatin; zur Linken lag der Circus Maximus, in dem König Totila 549 die letzten Rennen veranstaltet hatte, verödet da und verwahrlost wie die übrigen Gebäude. Über den Circus Maximus hinweg schweifte der Blick auf den Aventin mit den vereinsamten Thermen des Caracalla; zwischen Palatin und Aventin dehnte sich in der weiten Ebene zu beiden Seiten des Tiber ein ausgestorbenes Häusermeer aus mit seinen leeren Tempeln und Theatern. Das sah der Knabe und Jüngling Tag für Tag; es bietet ihm keinen Reiz, sondern wendet seinen Geist dem Inneren und dem Ewigen zu. Darum sucht er auch den Verkehr mit älteren, erfahrenen, frommen Männern. Er erzählt selbst, daß er von Abt Konstantin von Monte Cassino, der 560 starb, die Lebensgeschichte des hl. Benedikt erfahren habe; auch mit Honoratus, dem Abt von Subiaco, verkehrt er. Wenn man bedenkt, wie anschaulich Gregor in wenigen Strichen die Örtlichkeit von Monte Cassino und Subiaco zeichnet, darf man sich fragen, ob er nicht etwa diese Männer, die zuweilen Gäste in seinem väterlichen Hause waren, in ihren Abteien besucht haben mag. Die unzähligen und treffenden Vergleiche, die er der Schiffahrt entnimmt, lassen endlich vermuten, daß Gregor mit dem Meere wohlvertraut war und wahrscheinlich öfter nach Sizilien gefahren ist, wo des Vaters Besitzungen lagen.

       3. Gregor als Stadtpräfekt

      Die Biographen gehen schnell über die Jugendjahre Gregors hinweg, ohne uns genaue Angaben zu hinterlassen. Wir sind nur auf Vermutungen und Schlüsse angewiesen, bis uns Gregor selbst ganz nebenbei eine wichtige Bemerkung macht. Er schreibt im Jahre 593 an Bischof Constantius von Mailand, daß er, als er noch Prätor war, eine Erklärung des Bischofs Laurentius im Dreikapitelstreit als Zeuge mitunterzeichnet habe. 22 Laurentius wurde 573 Bischof von Mailand und wird im Zusammenhang mit der Erwählung zum Bischof eine Erklärung darüber, wie er sich zu den drei Kapiteln stelle, abgegeben haben. Gregor bekleidete demnach zu diesem Zeitpunkte ein öffentliches Amt. Aber war dies die Prätur? Augustus hat die große Amtsbefugnis des Prätors an sich gerissen und ließ ihm nur noch untergeordnete Zweige des früheren Amtsbereiches. Später ging das Amt des Prätors auf den praefectus urbi über; er ist der Stellvertreter des Kaisers und im Besitz der höchsten Kriminalgerichtsbarkeit. 23 Wenn Gregor sich wirklich des Ausdrucks praetura bediente, so würde es zu seiner Bescheidenheit passen, daß er eine einfache Bezeichnung seiner Stellung wählte. Es ist aber anzunehmen, daß ein Lese- oder Schreibfehler vorliegt und mit Cod. Vat. B. überhaupt praefecturam gelesen werden muß; werden doch Prätur und Quästur überhaupt nicht mehr genannt. 24 Demgemäß nehmen fast alle neueren Gelehrten, welche das Leben Gregors behandeln, an, daß er Stadtpräfekt war. Justinian wird ihn zu dieser Würde ernannt haben, weil er einer der angesehensten Familien entstammte und neben andern empfehlenden Eigenschaften großen Reichtum besaß. Die Besitzungen der Familie lagen zum großen Teil in Sizilien, das noch dem oströmischen Reiche angehörte, und waren weder verwüstet noch gefährdet. Das aber war ein wichtiges Moment zu einer Zeit, wo bereits viele Senatorenfamilien verarmt waren.

      Als Präfekt nahm Gregor die höchste Stelle in Rom ein. Es unterstand ihm die ganze Zivil- und Kriminalgerichtsbarkeit, Verwaltung und Polizei. Mit dem Papste regelte er den Einkauf und die Verteilung des Brotgetreides, mit dem magister militum traf er die Maßnahmen zur Verteidigung der Stadt. So übte sich Gregor in der Verwaltung und Rechtsprechung; so lernte er die soziale Not kennen und Mittel zur Abhilfe suchen.

      Aber er fühlte sich nicht glücklich; während er im prächtigen Amtskleid durch die Stadt ritt und von dem Volke geehrt wurde, beschäftigte ihn der Gedanke, allem zu entsagen und sich von der Welt zurückzuziehen. Paulinus von Nola und Benedikt hatten es vor ihm getan; Cassiodor hat sich um 540 auf seine Besitzungen in Unteritalien zurückgezogen und das Kloster Vivarium gegründet; der Patrizier Liberius gründete ein Kloster in Kampanien. 25 Nach dem Tode seines Vaters Gordianus führte Gregor seinen Plan aus. Er scheint sich mit seiner Mutter Silvia dahin verständigt zu haben, daß sie in dem Palast auf dem Aventin, der ihr persönliches Eigentum war, Wohnung nahm, während er das väterliche Besitztum zu frommen Zwecken verwendete. Er gründete auf Sizilien sechs Klöster und verteilte an sie die dortigen Besitzungen; auch das väterliche Haus wandelte er in ein Kloster um und stattete es hinlänglich mit Gütern aus; den Rest verkaufte er, um den Erlös den Armen zu geben. Als alles das geregelt war, trat er selbst in das Kloster St. Andreas, das Kloster seines eigenen Hauses, ein, um das Jahr 574 oder 575. Auf diese Weise wollte er der Welt mit ihren Sorgen entfliehen, aber er sollte bald wieder zu ihr zurückkehren; der Schmerz darüber hat ihn niemals verlassen. Gregor läßt später seinen Freund, Bischof Leander, einen Blick in sein damaliges Seelenleben werfen, wenn er an ihn schreibt: „Es war mir schon klar, was ich bei der ewigen Liebe suchen müsse, aber die Gewohnheit ließ es nicht zu, meinen äußeren Beruf zu ändern. Während ich mich so zwang, der Welt noch dem äußeren Scheine nach zu dienen, gewannen die Verhältnisse mitten unter den weltlichen Sorgen allmählich eine solche Macht, daß ich nicht mehr bloß dem Scheine nach, sondern, was schon schwerer wiegt, auch der Seele nach in der Welt zurückgehalten wurde. Dem allem entfloh ich endlich und suchte den Port des Klosters auf, ließ alles, wie ich damals freilich irrig annahm, was der Welt gehörte, zurück und entging nackend und bloß dem Schiffbruch dieses Lebens.“ 26

       4. Gregor als Mönch

      Das Kloster auf dem Clivus Scauri wurde dem hl. Andreas geweiht. Die Ordensregel war die des hl. Benedictus. Der rege Verkehr Gregors mit Monte Cassino, mit Subiaco und mit Valentinian, dem Abte des lateranensischen Klosters, sowie seine unverkennbare Zuneigung zu Benedictus lassen es als sicher annehmen, daß Gregor die Regel des hl. Benedikt, den unvergleichlichen Ausdruck der Weltabgeschiedenheit, der Seelenruhe und der völligen Hingabe an Gott, befolgen wollte. 27 Die Verbindung, die Gregor so mit dem Orden einging, ist für ihn von größter Bedeutung geworden. Denn wie er im II. Buch der Dialoge der große Lobredner Benedikts wurde und den Geist Benedikts in der päpstlichen Tätigkeit entfaltete, so wurden die Klöster des hl. Benedikt die Träger der gregorianischen Tradition und die Verkündiger der Größe Gregors.

      Gregor war nun einfacher Mönch in seinem früheren Palaste. Immer wieder sagt er später, daß die ersten stillen