26.11. Eine Frau will wissen, ob die weit über 100 Corona-Todesfälle pro Tag die Intensivstationen entlasten, denn so werden ja regelmäßig wieder viele Intensivbetten frei, oder? Ich weiß nicht, wen ich da fragen kann. Trau mich gar nicht.
27.11. Eine andere Kollegin sagt, Gesundheitsminister Anschober habe Tränen in den Augen gehabt & gesagt, dass jetzt durch die Impfung die Hilfe für die Österreicherinnen & Österreicher komme. Die Frau will aber wissen, ob die Menschen unmittelbar vor der Corona-Impfung auf Corona schnell getestet werden & ob man vor der Impfung kurz auf den Gesundheitszustand untersucht werde, damit es keine Komplikationen & ungewollte Nebenwirkungen gibt. Sie sei niemals gegen Impfungen gewesen, aber überzeugt, es müsse mit größter Sorgfalt voruntersucht werden & dass eben der Staat hafte. Bei jeder Impfung sollte das so sein, dann wäre nämlich immer alles ganz einfach. Mit Impfgegnerschaft habe, was sie wolle, nichts zu tun, sondern es gehe um Gewissenhaftigkeit & Professionalität. Dauernd auch sage jetzt irgendein Politiker, dass er sich selbstverständlich gegen Corona impfen lasse, zumal er zu Vorbildlichkeit verpflichtet sei. Sie beeindrucke das nicht & sie verstehe das Argument nicht. Es sei denn, die Politiker lassen sich experimentell als Erste impfen & die Bevölkerung schaut, was dann geschieht. Andererseits, denke ich mir, wäre es nicht gut, würden die Systemerhalter systematisch weggeimpft werden. Wenn die also ausfielen! Das Gesundheitspersonal hierzulande hat jedenfalls verlauten lassen, sie sehen sich als Versuchskaninchen & seien sehr skeptisch! Aufgrund der Verantwortung für die anderen & für sich selber. (Was es alles gibt!)
28.11. Einer sagt, dass er sich bei Fernsehfilmen oft schreckt, weil weder Abstand gehalten noch Masken getragen werden. So weit ist es schon mit mir, lacht er, & weil im Radio jetzt einmal Die Luftqualität in Österreichs Städten hat sich dramatisch verbessert gesagt worden ist. Dass Wirtschaftskammerpräsident Mahrer gefleht habe, ohne Weihnachtsgeschäft können wir uns alle in Leintücher einwickeln & auf den Zentralfriedhof spazieren, sei auch witzig. Dann lacht er mich aus: Und du versagst sowieso völlig! Nämlich weil ich entgegen meiner Ankündigung (er sagt Propaganda) in den Coronatagebüchern das Sozialstaatsvolksbegehren nicht erkläre, z. B. im Zusammenhang mit den Folgen des, meint er, die Wirtschaft & die Existenzen zerstörenden Lockdowns. Kannst nicht, gell? Ich sag was betreffend Jonathan Franzen, Fridays for Future, Freire, Bourdieu, Felber, Schulmeister, Werner Vogt. Nämlich dass ich’s Sozialstaatsvolksbegehren nächste Woche probieren werde zu erklären. Kopfschütteln.
29.11. Ich find’s lustig, was das Bundesheer alles können soll. Mir fällt da immer ein, wie heuer im Sommer die Frau Militärministerin in der Obersteiermark von leitenden Soldaten mittels Körperwackeln darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Ausrüstung, die sie am Leib tragen, sofort auseinanderfällt; zahlen müssen die sich auch die selbstverständlichsten Sachen selber.
30.11. Die Rosen um diese Zeit heuer; blühen von neuem, duften; & die vielen Knospen, Farben. Freundlich. Übermorgen ist wirklich Winter. Da sind die dann weg. Fehlen. Einmal ein Rosenwunder. Zwei Liebende, die sich trennen. Wann werden wir einander Wiedersehen? – Wenn die Rosen im Winter blühen. War dann der Fall.
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1.12. Einer zurück aus der Internen nach etlichen Wochen; immer dünn gewesen, dennoch noch 10 Kilo abgenommen; hat zum Glück keinen Krebs. Sich vormals lustig gemacht & geärgert, wie viel hintangestellt wird wegen Corona. Im Spital dann plötzlich 3 Zusatzzimmer für Coronakranke, auf demselben Gang, da in den vorgesehenen Krankenhäusern kein Platz mehr. Er habe diese Menschen schreien & weinen gehört aus den Zimmern heraus seinem gegenüber. (Österreich.)
2.12. Eine Lehrerin in Istanbul; geträumt, sie halte es nicht mehr in der Wohnung aus, gehe irrtümlich zur falschen Zeit aus der Haustür. Ein Polizist hält sie sofort auf. Sie stößt ihn weg & läuft davon. Schlägt sich zu Fuß zu einer Freundin am Stadtrand durch. Ist jetzt dort. Wie jetzt zurück? Braucht Zugang zu ihrer Arbeit. Hat auch nichts bei sich.
3.12. Einer ruft mich an, sagt, derjenige, mit dem ich soeben telefoniert habe, lasse sich vielmals bei mir entschuldigen, das Ganze sei ein Missverständnis gewesen. Ich glaube nicht, dass sich da wer wirklich entschuldigt hat. Der Freundliche jetzt am Telefon will m. E. (mit allen Mitteln, u.a. durch Erfindung) vermitteln. Gelingt ihm sofort. Toller »Dolmetsch«! Entschuldige mich auch.
4.12. Einer regt sich über die Lehrer auf, die sollen sich, wenn’s ihnen wirklich um die Kinder geht, die Masken notfalls selber kaufen. Verdienen eh so viel. Ich dann: 1 Maske für 3 Stunden = 2–3 Masken pro Arbeitstag; eine kostet zwischen 7 & 9 €, = ca. 400 € im Monat. Viel, oder? Geht nicht durch, mein Argument. Er, Betriebsrat, kein Lehrer, sollte, sag ich dann, schnell im eigenen Dienstleistungsbetrieb schauen, dass seine paar 100 Leute FFP2-Masken bekommen vom Arbeitgeber.
5.12. Wohnhaus, 5 Stockwerke, alle Türstöcke & Türen werden zugleich herausgerissen & ausgetauscht & stehen die gesamte Arbeitszeit lang offen, je Etage 10–12 Stunden; 4 Wohnungen, Gang davor & dazwischen insgesamt keine 3 Meter; Luftzirkulation (inkl. Stiegenhaus) eher 0 oder saukalt; 2–3 Handwerker, eher ohne Masken (wenn unter sich & infolge Anstrengung); Beginn: im sog. harten Lockdown. Sozialarbeiterin in Sorge um ihre Klientin, diese aus verschiedenen Gründen Risikogruppe. Hausverwaltung, bester Ruf, der Sozialarbeiterin gegenüber korrekt & sehr entgegenkommend. Sozialarbeiterin weiterhin unruhig: Just, weil alle Personen & Einrichtungen, an die sie sich vor & nach der Einigung mit der Hausverwaltung gewandt hat, sagen, das Ganze sei kein Problem. Ist es aber. Dass Arbeit & Einkommen vor Schutz & Gesundheit gehen, solle wenigstens offen gesagt werden, meint die Sozialarbeiterin. Aber so jetzt werde immer versucht, etwas einzureden, das nicht die Realität ist. Mit Pragmatik habe das nichts zu tun, sondern die Menschen können sich im Arbeitsalltag nicht selber schützen, muten den Pallawatsch, dem sie nicht auskommen, dann auch den anderen zu. & die, denen selber nicht so viel geschehen kann oder auf die gut aufgepasst wird, sagen ohnehin, es passe so & gehe nicht besser. Die Sozialarbeiterin hat ihrer Schutzbefohlenen wegen Angst vor der kommenden Woche.
6.12. Eine Lehrerin sagt, das Positive heute sei, dass sie in der Kaserne auf Negativ getestet worden sei. Organisationsablauf dort optimal. Aber dass ihre Schule aufsperrt, sei falsch. Über 550 Kinder & Jugendliche normalerweise, jetzt dann über 400. Nahezu kein Unterschied, die Klassen überfüllt. Auch beginne der Unterricht in vielen Schulen erst am Mittwoch, bis dahin massenweise Infektionsmöglichkeiten beim Weihnachtseinkauf (Eltern & Kinder). Die Lehrerin ist wegen ihres substanziellen Unterrichtes beliebt & viel bedankt. Lobt die Kinder (& Jugendlichen) vor allen für deren Fleiß & wirkliches Interesse & für die Lebhaftigkeit. Doch das Öffnen vor Weihnachten führe zwangsläufig ins Chaos usw.
7.12. Einer, der sich jetzt nicht testen lässt, sagt, er habe kein Vertrauen und da sei er ja ganz offensichtlich nicht der Einzige. / Habe in den letzten Wochen aus den Einträgen der anderen Corona-Tagebuchschreiber*innen Wichtiges gelernt; habe diesmal mittels meiner Assoziationen, Einträge, endlich ein bisserl was dazutratschen wollen. Geht wieder nicht. (Ort & Zeit.) Das Sozialstaatsvolksbegehren anno 2002 habe ich auch (wieder) nicht explaniert. – Einer der namhaften Virologen sagt seit vorigem Winter, wir erleben eine Naturkatastrophe in Zeitlupe. Diese Woche auch hat andererseits eine Fernsehmoderatorin in Gegenwart eines hochoffiziellen Genies lebensfroh geschwärmt, wir alle seien ja vielleicht mitten in einem Live-Experiment. Mit Verlaub: gewiss. Aber es sind Dörner-, Milgram- & Zimbardo-Experimente. Was soll da denn jetzt nützen inmitten selbiger & der Naturkatastrophe in Zeitlupe, wenn nicht eine Art & Weise von wiederholtem Sozialstaatsvolksbegehren? (Jede nach ihren Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen. Jeder nach seinen Fähigkeiten, jede nach ihren Bedürfnissen. Auf Deutsch: Was braucht wer, was vermag wer?)
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7.12. Ein Kollege sagt zu mir: Du steckst dich