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Verstehen und Integration
Wirkliches Verstehen ist mehr als eine intellektuelle Übung, die uns Informationen liefert. Es ist eine Angelegenheit des Herzens, und es berührt und transformiert uns auf eine Weise, die Verbundenheit entstehen lässt. Im Kinderbuch Der kleine Kuschelhase hat der Kuschelhase, das neue Lieblingsspielzeug des Kindes, Mitleid mit dem schäbigen Plüschpferd, das vorher das Lieblingsspielzeug des Kindes war. Das weise Plüschpferd erklärt dem Kuschelhasen jedoch, dass es so aussieht, weil es sehr geliebt wurde, und fügt hinzu: „Hässlich kannst du nur in den Augen desjenigen sein, der nicht versteht.“ Diese tiefgründige Aussage trägt dazu bei, alle scheinbar negativen Verhaltensweisen in die richtige Perspektive zu rücken.
Wir verstehen einfach nicht, denn wenn wir es täten, würden wir Mitgefühl und den Wunsch verspüren, dem betreffenden Menschen zu helfen. Alle unsere Konflikte rühren daher, dass wir nicht verstehen und über einen anderen Menschen urteilen, statt uns in ihn hineinzuversetzen. Unser Urteil erklärt mehr oder weniger: „Ich bin nicht so. Ich bin besser. Ich würde das niemals tun.“ Wir trennen uns und erklären, dass wir dem Menschen, den wir verurteilt haben, überlegen sind. Urteile sind eine Waffe des Egos, die dafür sorgt, dass alle leiden. Unsere Hartherzigkeit und unser Geiz haben zur Folge, dass wir später im Leben selbst einen Mangel an Liebe und an Verstehen erfahren, und wir erkennen nicht, dass dieses Muster durch unser eigenes Handeln in Gang gesetzt wurde.
Unser Unterbewusstsein offenbart, dass es sich bei jeder Opfersituation, die wir erlitten haben, in Wirklichkeit um einen Ort handelt, an dem wir hartherzig und geizig gewesen sind. Wir hätten helfen können. Wir hätten die Rettung bringen können. Wir hätten die Seelengaben öffnen können, die wir in uns tragen und die wir für genau diese Situation mitgebracht hatten. Wir haben uns von der Seelenlektion abgewandt, die der HIMMEL für uns vorgesehen hatte – von einer Gabe, die es uns ermöglicht hätte, einen Schritt hin zu einem besseren Leben zu gehen. Weil wir diese Prüfung nicht bestanden haben, haben wir ein dunkles, schmerzhaftes Muster der Niederlage in Gang gesetzt. Unser Unterbewusstsein offenbart, dass wir es zugunsten armseliger Ziele unseres Egos getan und Selbstkonzepte geschaffen haben, die auf Ungerechtigkeit beruhen und sie kompensieren. Diese Selbstkonzepte sind zudem von Todesversuchungen durchzogen. Hinzu kommt, dass wir einen anderen Menschen als Sündenbock benutzt haben, damit wir den Groll, den wir gegen ihn hegen, als zukünftige Waffe einsetzen können, um zu rebellieren, vor unserer Lebensaufgabe und unserer Bestimmung davonzulaufen und uns von genau dem Weg abzuwenden, der zu unserem Glück führt. Wir haben uns von bestimmten Aspekten unserer Lebensaufgabe und unserer Bestimmung abgewandt, die uns die Rettung gebracht und uns die Möglichkeit gegeben hätten, unser Licht leuchten zu lassen.
Der Wunsch unseres Egos, sich zu verstecken, ist nicht Demut, sondern Arroganz. Unser Groll zeigt, dass wir spektakulär darin versagt haben, einen anderen Menschen zu verstehen und ihm hilfsbereit die Hand zu reichen, statt sein Verhalten zu verurteilen. Wenn wir urteilen, schließen wir das Verhalten, das wir verurteilt haben, in uns selbst ein. Dann müssen wir es entweder kompensieren, um es zu verbergen, oder es selbst ausagieren, bis wir verstehen, was derjenige, den wir verurteilt haben, durchgemacht hat. Wenn wir erkennen könnten, was der betreffende Mensch durchgemacht hat, um an den Punkt zu gelangen, an dem er sich so verhalten hat, wie er es getan hat, dann würde sich unser Herz öffnen und wir würden ihm eine helfende Hand reichen. Wenn wir urteilen, haben wir unsere eigene innere Schuld für dieses Verhalten dissoziiert. Wir sind eher bereit, einen anderen Menschen zu beschuldigen, als uns mit unserer Schuld zu befassen und an unserer Heilung zu arbeiten, weil wir glauben, dass unsere Schuld wirklich und nicht nur eine Illusion ist, die das Ego benutzt, um seine Macht zu stärken. Nur das Ego sucht nach jemandem, dem es eine Schuld zuweisen kann, weil es vergisst, dass der Finger, den wir auf einen anderen Menschen richten, in Wirklichkeit auf einen Spiegel gerichtet ist.
Wir sind nicht zufällig in die Situation geraten, in der wir uns befinden. Sie ist nur die Wiederholung eines Films, den wir selbst gedreht haben und in dem unsere eigenen Selbstkonzepte die Hauptrolle spielen. Sie gibt uns die Gelegenheit, die Anteile unserer selbst zurückzugewinnen, die wir verurteilt, abgespalten, verdrängt und nach außen auf die Welt projiziert haben. Das gibt uns die Gelegenheit, uns selbst in anderen Menschen zu vergeben und die Schuld aufzulösen, die diese Selbstkonzepte getrennt und in einem Konflikt gefangen gehalten hat, der sich nicht nur in uns, sondern auch außerhalb von uns abspielt. Je größer die Trennung ist, umso größer ist auch das Maß an Urteil und Projektion. Umgekehrt ist es umso leichter, einen anderen Menschen zu verstehen, je näher wir ihm sind. Wenn wir ihm vergeben, wird die Verbundenheit erneuert, und wir verstehen ganz von selbst. Wenn wir verstehen, erkennen wir, dass keine Notwendigkeit zur Vergebung besteht, weil die Verbundenheit wiederhergestellt wurde. Frieden ist an die Stelle des Konflikts getreten.
Wenn wir begreifen, dass äußere Situationen die Unvereinbarkeit unserer eigenen inneren Wirklichkeit widerspiegeln, kann dieses Verständnis uns dazu bringen, uns für die Integration zu entscheiden. Es ist die Entscheidung, die Situation auf einer anderen Ebene der Ganzheit wieder neu zusammenzuführen, statt beweisen zu wollen, dass wir Recht haben, und unser eigenes Verhalten vor uns selbst und vor anderen Menschen zu rechtfertigen. Es gibt viele Möglichkeiten, Integration auf ganz mühelose Weise zu erreichen.
1. Wir können uns dafür entscheiden, die Situation zu integrieren.
2. Wir können die Situation in die Hände des HIMMELS legen, um die Dinge, für die alle an der Situation beteiligten Menschen stehen, und auch die Situation selbst zu integrieren.
3. Wir können uns vorstellen, dass wir die Hauptakteure schmelzen lassen, bis nur noch ihr reines Licht und ihre reine Energie übrig sind, und dann das Licht und die Energie in uns aufnehmen, um neue Ganzheit zu erlangen.
4. Wir können das Verhalten jedes an der Situation beteiligten Menschen oder ein Bild aus der Situation vor dem Spiegel dramatisch ausagieren, um auf diese Weise unseren Widerstand zu überwinden. Wir können das Verhalten der betreffenden Menschen vor unserem inneren Auge immer mehr übertreiben, bis wir schließlich zu Frieden und neuer Ganzheit durchbrechen. Dann können wir das nächste Bild oder das Verhalten der nächsten Person ausagieren, die ein in uns verborgenes Selbstkonzept verkörpert.
5. Wir können in einem größeren Raum für jede an der Situation beteiligte Person eine Markierung auf dem Boden platzieren. Jede Markierung sollte im Raum den korrekten emotionalen Abstand zwischen den beteiligten Personen zeigen. Gehe zur Markierung der Person, mit der du dich am wenigsten identifizierst. Sprich dann so, als wärest du die betreffende Person, bis dieser Selbstanteil nichts mehr zu sagen hat. Gehe einen Schritt auf die Mitte zu, indem du die Markierung einen Schritt zur Mitte hin versetzt. Gehe weiter zur Markierung der nächsten Person, zu der es dich hinzieht. Sprich auch für dieses Selbst, bis es nichts mehr zu sagen hat. Gehe wieder einen Schritt auf die Mitte zu, indem du die Markierung für das betreffende Selbst einen Schritt zur Mitte hin versetzt. Setze die Übung fort, indem du durch den Raum gehst und für jedes Selbst sprichst, bis alle Selbste einander berühren, miteinander verschmelzen und schließlich eins werden. Sprich dann für die vereinten Selbste und gehe einen weiteren Schritt nach vorn. Wiederhole den Prozess, bis alle Seiten ihre Meinung gesagt und sich in der Mitte des Raums in Ganzheit miteinander verbunden haben. Diese Übung nimmt zwar eine geraume Zeit in Anspruch,