Religions-Philosophie. Josef Schmidt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Josef Schmidt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783831256044
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Gottesbegriff aus. Dieser Gottesbegriff ist allen anderen Gottesbegriffen, wo Gott nur eine regionale Macht ist und neben anderen Göttern steht, überlegen. Voll Einsicht kommen dann die großen Worte aus dem späteren Jesaja-Buch (das ist das Jesaja-Buch, das erst im Exil entstanden ist). Es heißt da: “So spricht der Herr: Ich bin der Erste, ich bin der Letzte. Außer mir gibt es keinen Gott. Erschreckt nicht und fürchtet Euch nicht. Gibt es einen Gott außer mir? Es gibt keinen Fels außer mir”.

      Das heißt: Fürchtet euch nicht, ihr steht auf einem letzten Grund, und dieser letzte Grund ist der eine wahre Gott. Von diesem Gottesbegriff her ergibt sich eine Religionskritik, die ähnlich ist wie die Religionskritik, die wir bei Xenophanes kennengelernt haben. Sie beginnt im Jesaja-Buch und findet sich dann auch in späteren Schriften des Alten Testaments, auch in den Schriften, die griechisch geschrieben sind und die aus einem hellenistischen Kulturkreis kommen, ein Bereich, in dem auch die griechische Philosophie bekannt war. Nun verbindet sich die Religionskritik, die aus dem Glauben an den einen wahren Gott kommt, mit einer Religionskritik, die aus dem griechischen Kulturbereich kommt.

      Im „Buch der Weisheit“ im 13. Kapitel heißt es: “Töricht waren von Natur alle Menschen, denen die Gotteserkenntnis fehlte. Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen, ohne den Seienden erkennen zu können”. Ohne „den Seienden“ erkennen zu können, heißt es. “Sein”, “seiend”, sind philosophische Begriffe. Für Parmenides ist “Sein” letzte arché, reines „Sein“.

      Es wird also gesagt: Diese Menschen haben das wahre Sein nicht erkannt, wenn sie in ihren Religionen herumirrten. In gewisser Weise heißt das auch, dass sie nicht entsprechend philosophisch gedacht haben. Der Begriff des Seienden ist der Bibel keineswegs fremd, sogar als griechischer Begriff nicht.

      Man las die Bibel nämlich weitgehend nicht mehr nur in Hebräisch, sondern auch in der griechischen Übersetzung, und da heißt es in der berühmten Szene, wo Gott sich dem Mose am brennenden Dornbusch offenbart, folgendermaßen: Gott antwortet auf die Frage des Mose an ihn: “Wer bist du eigentlich, wen soll ich verkünden?” mit den Worten: “Ich bin, der ich bin”. In der griechischen Übersetzung heißt es: “Ich bin der Seiende”.

      Einerseits ist dies ein Wort, in dem sich Gott in ein letztes Geheimnis zurückzieht. Man könnte es so verstehen: Ich bin eben der, der ich bin, und das muss genügen. Man kann es aber auch so verstehen, dass er sagt: Ich bin der Seiende schlechthin. So konnte man einen Gottesbegriff bilden und sich in eine Übereinstimmung bringen mit philosophischen Aussagen aus der griechischen Welt.

      Ich lese den Text weiter. “Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen, ohne den Seienden erkennen zu können. Beim Anblick der Werke erkannten sie den Meister nicht, sondern hielten das Feuer, den Wind, die flüchtige Luft, den Kreis der Gestirne, die gewaltige Flut oder die Himmelsleuchten für Welt beherrschende Götter”.

      Die Gestirne wurden von den Babyloniern, wie von den Griechen als Götter verehrt. Feuer, Luft, Wasser, die Flut werden da genannt.

      Das kommt uns bekannt vor. Das waren die philosophischen Begriffe, mit denen man die letzte arché zu begreifen versuchte. Was hier gesagt wird, ist also auch eine Kritik an diesen Philosophien, die die arché, den letzten Ursprung, in einer nicht adäquaten Weise zum Ausdruck brachten. Denn Feuer, Wasser, Luft usw., das sind Elemente dieser Welt, die zwar auf einen Ursprung verweisen, diesem aber wegen ihrer Verschiedenheiten nachgeordnet sind.

      Und dann heißt es weiter: “Wenn sie diese Werke entzückt über ihre Schönheit als Götter ansahen, dann hätten sie auch den erkennen sollen, der all dies gemacht hat. Wie viel besser ist also ihr Gebieter? Denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen. Und wenn sie über ihre Macht und über ihre Kraft in Staunen gerieten, (also über die Macht dieser welthaften Schönheiten), dann hätten sie auch erkennen sollen, wie viel mächtiger jener ist, der sie geschaffen hat. Denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf ihren Schöpfer in Analogie schließen”.

      Analogie, das ist ein Begriff, der in der Philosophie eine wichtige Rolle spielt, wo man in Entsprechungen denkt, also in Zuordnungen, die eine Ähnlichkeit bedeuten, also eine Übereinstimmung, aber auch eine Differenz.

      Das ist die Lehre von der Analogie, die dann von Platon entwickelt wurde. Sie hatte eine große Tradition in der ganzen mittelalterlichen Philosophie. Sie wurde dort vor allem angewandt auf das Verhältnis von Welt und Gott, weil diese in einer Entsprechung stehen, aber doch radikal voneinander unterschieden sind. In diesem Unterschied sind sie aufeinander bezogen und haben etwas Gemeinsames. So wird es möglich, von den Werken, also von der Welt, d.h. von der Schöpfung aus, auf den Schöpfer, auf den Ursprung von allem, Bezug zu nehmen.

      Wir haben hier also ein philosophisches Wort, einen philosophischen Begriff in diesem alttestamentlichen Text. Weiter heißt es: “Sie verdienen jedoch nur geringen Tadel. Vielleicht suchen sie Gott und wollen ihn finden. Gehen aber dabei in die Irre”. Das heißt, es wird diesen Vorstellungen zugestanden, dass sie auf der Suche sind nach dem, was sie nicht ganz begreifen. Die Antwort auf diese Suche gibt erst die Lehre von dem einzig allein wahren Gott, der aber genau dem entspricht, was die Philosophen die letzte arché oder „das Sein“ oder „den Seienden“ nennen.

      Wir haben einen Text aus dem Alten Testament betrachtet. Im Neuen Testa ment wird diese Anknüpfung an philosophische Gedanken bei Paulus deutlich.

      Im Römerbrief, im 1. Kapitel, nimmt er Bezug auf den Text, den wir eben aus dem Buch der Weisheit vorgelesen haben. Es wird da im „Römerbrief“ über den Glauben der Heiden gesprochen. Und dann heißt es: “Das Erkennbare an Gott ist ihnen eigentlich deutlich. Gott hat es ihnen sichtbar gemacht. Denn das Unsichtbare an ihm wird seit der Erschaffung der Welt durch seine Werke mit der Vernunft erfasst, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar”.

      Sie konnten also nachdenken. Dass sie nachdenken konnten, zeigt ihre Philosophie. Dann hätten sie aber auch zu dem einen Gott gelangen müssen und ihn als den einen Gott erkennen und benennen müssen. Das würde dann dem Gott entsprechen, den Paulus verkündet.

      In Athen, so hören wir in der Apostelgeschichte, lässt Paulus sich in einen Streit mit epikureischen und stoischen Philosophen ein. Diese schleppen ihn auf den Areopag wo er sich näher erklären soll. Paulus legt sein Gottesverständnis vor. Es heißt im Text: “Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Er lässt sich auch nicht von Menschen bedienen, als brauche er etwas”. Wenn er nämlich der wahre Gott ist, braucht er keine Opfer. Er muss nicht gespeist und getränkt werden, wie die Götter. Weiter heißt es: “Er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt, er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat bestimmte Zeiten und Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. So sollten sie Gott suchen, bis sie ihn ertasten und finden könnten”.

      Ähnlich wie im Text aus dem Weisheitsbuch ist hier von einem Suchen Gottes die Rede. Und dieses Suchen sieht Paulus in den Religionen und in dem Glauben der Religionen, denen er hier in Athen begegnet, gegeben. Weiter heißt es: “Denn keinem von uns ist er fern”. Dieser jenseitige, nicht in Tempeln wohnende Gott, ist so jenseitig, dass er auch ganz da sein kann. Er ist nicht in der Weise jenseitig, dass er an einem fernen Ort eingeschränkt wäre, irgendwo ganz fern. Sondern er ist auch über alle solche Einschränkungen noch einmal jenseitig. Er ist überall, in mir, keinem ist er fern.

      Paulus: “Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir. Wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben, wir sind von seiner Art”.

      Damit sagt er: Wir alle haben etwas Göttliches in uns, wenn Gott uns so nahe ist. Damit knüpft Paulus an die stoische Philosophie an. Er diskutiert zwar auch mit epikureischen Philosophen, für die das Höchste die Lust ist, vor allem aber wendet er sich an die stoischen Philosophen, die eine hoch entwickelte Gotteslehre haben.

      An sie kann Paulus anknüpfen. Er sagt gewissermaßen: Wovon ihr da redet, das ist eigentlich auch der Gott, von dem ich spreche.