Jeremy W. Hayward
Liebe, Wissenschaft und die Wiederverzauberung der Welt
• Das heute vorherrschende naturwissenschaftliche Weltbild lehrt, daß die uns umgebende Natur aus toter Materie besteht. Wir verstehen sie nicht mehr als belebt und beseelt, sondern als eine Anhäufung von Stoffen und chemischen Prozessen, deren Mechanismen wir zu ergründen versuchen, um sie uns zunutze zu machen. Wir leugnen vielfach, daß sie eine zutiefst lebendige Dimension hat. Und dies, obwohl nicht nur alle Religionen und Naturvölker, sondern auch die moderne evolutionäre Kosmologie von einer ganz anderen Erfahrung ausgehen: einer Welt nämlich, in der Materie und Leben keinen Gegensatz bilden.
Jeremy Hayward, selbst Physiker und Molekularbiologe, versucht in den »Briefen an Vanessa« seiner Tochter einen Ausweg aus den lebensfeindlichen Beschränkungen unseres materialistischen Weltbildes zu zeigen, indem er, ähnlich wie Jostein Gaarder dies für die Philosophie tat, auf zugängliche und leicht verständliche Weise die neuesten Erkenntnisse der Neurologie, der Kognitionswissenschaften, der Neuen Biologie und der Neuen Physik präsentiert.
Dies ist ein wichtiges und anschauliches Buch in einer Zeit des sich im Umbruch befindenden Wissenschafts- und Werteverständnisses. In spielerischer Form macht es deutlich, daß die Naturwissenschaften heute dabei sind, sich von dem Modell einer »toten Welt« zu verabschieden und zum Verständnis eines bis in die vermeintlich unbelebte Materie hinein von Bewußtsein durchdrungenen Kosmos zurückzufinden.
• Jeremy W. Hayward promovierte in Kernphysik an der Cambridge University. Nach einem anschließenden Studium der Molekularbiologie forschte er am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Tufts Medical School. 1974 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Naropa-Institute, einer auf buddhistische Philosophie gegründeten Hochschule, der er heute als Kurator angehört. Weitere Veröffentlichungen in deutscher Sprache: »Die Erforschung der Innenwelt. Neue Wege zum wissenschaftlichen Verständnis von Wahrnehmung, Erkennen und Bewußtsein« (1996); »Heilige Welt. Die Shambhala-Krieger im Alltag« (zus. mit Karen Hayward, 1997); »Die Shambhala-Mission. Spiritualität und Verantwortung im Alltag« (zus. mit Karen Hayward, 1999).
Jeremy W. Hayward
Liebe, Wissenschaft und
die Wiederverzauberung der Welt
Briefe an Vanessa
Aus dem Amerikanischen von Jochen Eggert
Copyright © 1997 Jeremy W. Hayward
Copyright © der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag, Freiamt, 2006.
Published by arrangement with Shambhala Publications, Inc.,
300 Massachusetts Avenue, Boston, MA. 02115, USA
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
Letters to Vanessa. On Love, Science and Awarness in an Enchanted World
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2018
Titelfoto: © blickwinkel, 2006
Lektorat: Maria Reuter
Gestaltung & Satz: Rosalie Schnell
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-244-3
Inhalt
Vorwort
1. Brief Die lebendige Welt unserer Kindheit
2. Brief Geschichten mit Gefühl, Geschichten mit Seele
3. Brief Die Geschichte von der toten Welt
4. Brief Wie unsere Welt entzaubert wurde
5. Brief Die verzauberte Welt existiert jetzt
6. Brief Erstes Intermezzo
7. Brief Sieht Dein Gehirn?
8. Brief Interpretation färbt unsere Welt
9. Brief Der schöpferische Tanz
10. Brief Sprache und ein Gefühl für die Welt
11. Brief Das Fühlen erwecken
12. Brief Kooperation in der Natur – wer hätte das gedacht?
13. Brief Zweites Intermezzo
14. Brief Der Stoff, aus dem die Welt gemacht ist
15. Brief Bewußtsein, Raum und Energie – endlich doch vereint
16. Brief Geist und Materie sind eins in der Weltseele
17. Brief Geist im Raum, und auch im Labor
18. Brief Wie haben wir die Dinge nun zu betrachten?
19. Brief Wie fühlt es sich an, ein Baum zu sein?
20. Brief Sprünge aufwärts, Sprünge abwärts
21. Brief Muster des Lebens und Schaltkreise des Denkens
22. Brief Drittes Intermezzo
23. Brief Himmel, Erde, Mensch – das verbindende Muster
24. Brief Wie Stimmgabeln auf dem kosmischen Klavier
25. Brief Unsere unendliche Geschichte
Dank
Postskriptum – Quellen und Lektüreempfehlungen
Vorwort
• Die gewöhnliche Welt ist schon verzaubert. Die verzauberte Welt ist kein Phantasiegebilde und keine Zukunftshoffnung; sie ist real, und sie existiert jetzt. Was uns daran hindert, die verzauberte Welt hier und jetzt wirklich zu sehen, ist die Tote-Welt-Geschichte, die wir uns selbst und einander erzählen. Wir nehmen diese Geschichte unbewußt in uns auf, wenn wir aufwachsen. Sie entspringt einer kleinmütigen Vorstellung, die meint, unsere Welt bestehe aus lebloser Materie. Diese Geschichte wurde im Laufe der letzten Jahrhunderte im Namen der Wissenschaftlichkeit ersonnen. Und diese Sicht der Dinge ist immer noch beunruhigend lebendig und wirksam. Sie bildet nach wie vor den Antrieb unserer Kultur.
Nach zwanzig Jahren, in denen ich Meditation praktiziert und gelehrt habe, weiß ich heute, daß der unbewußte Glaube an die tote Welt ein großes Hindernis sein kann, wenn man irgendeine Form der Meditation zu üben versucht. Vielen Menschen bleibt aufgrund dieses Glaubens sogar verborgen, daß Meditation ihrem Leben auf sehr praktische Weise nützen kann.
Vor zehn Jahren habe ich zwei eher technische und akademische Bücher geschrieben, um zu zeigen, daß die Wissenschaft die verzauberte Welt gar nicht leugnen muß, sondern sie ebensogut auf ihre Fahnen schreiben kann. Die Tote-Welt-Geschichte entstand ja nicht allein aus wissenschaftlichen Gründen, sondern hatte komplexe religiöse und politische Ursachen. Seit einigen Jahren versuchten meine Freunde und insbesondere meine Frau Karen mich dazu zu bewegen, in einfachen Worten, ohne jeden Fachjargon, zu beschreiben, was es mit den beiden Welten auf sich hat. Auch ich fand, daß es für die Menschen wichtig ist, nicht bloß an die verzauberte Welt zu glauben und damit einen alten durch einen neuen Glauben oder durch Wunschdenken zu ersetzen, sondern zu verstehen, wie unsere Konditionierungen unsere Vorstellungen von der Welt beherrschen und wie wir unsere Sicht korrigieren können.
Nachdem ich zwei Jahre um eine einfache Darstellung gerungen hatte, zog ich mich schließlich für drei Wochen zum Schreiben und Meditieren zurück. Vor dieser