deren Geist und Herz solchermaßen
kultiviert worden ist?16
(BUDDHA)
Wie die Lebensgeschichte des Buddha können auch die der großen Meditierenden und Heiligen in seiner unmittelbaren Umgebung für unser Leben inspirierend und bereichernd sein: Ananda, sein Cousin, langjähriger Diener und Begleiter; Sariputta und Moggallana, die beiden Hauptschüler des Erwachten, sowie Mahakassapa, der große Asket, von dem der Buddha gesagt hat, dass er ihm in der Tiefe der Verwirklichung ebenbürtig sei. Mit diesen Männern beginnen die Übertragungslinien der Lehren des Buddha, welche auf ihren langen, manchmal verschlungenen Wegen durch Jahrtausende und verschiedenste Kulturen, heute, immer noch intakt, lebendig, befreiend und inspirierend, auch bei uns im Westen angekommen sind.
Ananda, Beschützer der Buddha-Lehre – Liebenswürdigkeit und Hilfsbereitschaft
Wer das Dhamma nicht hört und auch nicht versteht,
der altert töricht wie ein Ochse.
Sein Bauch nimmt zu, sein Magen wächst,
nur die Erkenntnis tut es nicht.17
(ANANDA)
Evam me sutam – So habe ich’s gehört
So oder ganz ähnlich beginnen die 84 000 Lehrreden des Buddha. »So habe ich’s gehört«, das ist die Stimme eines seiner engsten Schüler und Begleiter – die Stimme Anandas.
Auch Ananda gehört wie der Buddha zum Clan der Sakyas. Sein Vater ist ein Bruder des Königs; Ananda und der Buddha sind also Cousins – und sie sind am selben Tag geboren. Mit 37 Jahren tritt Ananda in den Orden des Erwachten ein, und Belatthasisa, ein höchst verwirklichter Mönch, wird sein Lehrer. Ananda erweist sich als ein guter Schüler und erreicht innerhalb eines Jahres die erste Stufe des Erwachens. Diese beinhaltet eine befreiende Einsicht in die wahre Natur aller Dinge, ein erstes Erkennen von Nibbana.18 Dadurch werden die falsche Überzeugung bezüglich eines unabhängig existierenden Selbstes, jeglicher Zweifel über den Weg zur Befreiung und der irrige Glaube an die befreiende Wirkung von Riten und Ritualen für immer aufgelöst.
Als Mönch ist Ananda sehr beliebt. Seine Qualitäten als Mensch und als Mönch werden weithin gepriesen, er erhält viel Lob und Anerkennung vom Buddha, von seinen erleuchteten Mönchskollegen und später auch von den vielen Menschen, die den Buddha aufsuchen oder von Ananda selbst belehrt werden. Doch all dies macht Ananda nie und zu keiner Zeit stolz. Er weiß, dass er alles, was »gut« in ihm ist, der Wirkung der Lehre und Praxis zu verdanken hat.
Es ist nicht bekannt, dass Ananda irgendwelche Feinde oder Rivalen gehabt hat, nicht einmal Neider. Auch später, als er als Buddhas »rechte Hand« täglich mit zahllosen Menschen jeder Art und Herkunft in Kontakt steht, ist nie von Konflikten, Spannungen oder Unstimmigkeiten die Rede. Das drückt sich auch in seinem Namen aus: »Ananda« bedeutet »geschätzt«, »liebenswürdig«, »angenehm«.19
Mit 55 Jahren sucht der Buddha, er ist mittlerweile bereits seit zwei Jahrzehnten als Lehrer auf Wanderschaft, einen neuen Diener, eine »rechte Hand«. Verschiedene Menschen haben ihm über die Jahre zur Seite gestanden, doch keiner hat sich als der ideale Helfer erwiesen. Was der Erwachte braucht, ist ein absolut integrer und verlässlicher Begleiter, einer, der ihm nahe ist und ihn in allem unterstützt, eine Art Sekretär. Vor allem aber braucht er jemanden, der zwischen ihm und der großen Zahl von Besuchern und Anhängern souverän vermitteln kann. Alle Mönche halten Ananda für die am besten geeignete Person, diese Aufgabe wahrzunehmen, und auch der Buddha ist einverstanden. Zu diesem Zeitpunkt ist Ananda bereits 18 Jahre lang Mönch in der Sangha20 des Buddha.
Ananda stellt Bedingungen
Obwohl Ananda diese große Aufgabe gerne übernehmen möchte, stellt er zunächst acht Bedingungen; werden sie ihm erfüllt, ist er bereit, für immer des Erwachten Begleiter und Diener zu werden. Zu diesen Bedingungen gehört, dass der Buddha eine geschenkte Robe oder Unterkunftsangebote oder persönliche Einladungen nie an Ananda weitergeben soll. Umgekehrt will Ananda immer dann, wenn er zu einem Mahl eingeladen wird, diese Einladung an den Buddha weitergeben dürfen. Ananda will damit dem Verdacht entgegenwirken, dass er den Job nur annimmt, um persönlich davon zu profitieren.
Zudem verlangt Ananda, dass er Menschen, die aus abgelegenen Gebieten gekommen sind, zum Buddha bringen kann. Dass er, wann immer er Fragen zur Lehre hat, sie dem Buddha jederzeit stellen kann. Und dass der Buddha, wann immer er in Anandas Abwesenheit eine Belehrung gibt, diese für ihn wiederholt. Diese Bedingungen sind Ananda wichtig, um auf seinem spirituellen Weg voranzukommen. Der Buddha erklärt sich bereit, alle seine Bedingungen zu akzeptieren.
Die Zustimmung zur letzten Bedingung ist nicht nur für Ananda selbst von größter Tragweite, sondern auch für alle nachfolgenden Generationen, bis zu uns heute. Denn von diesem Zeitpunkt an hat er jede Belehrung und Lehrrede des Buddha – ohne Ausnahme – gehört. Und er besitzt die außergewöhnliche Fähigkeit, sich an alles, was der Erwachte je gelehrt hat, aufs Wort genau zu erinnern – auch noch viele Jahre nach dessen Tod. Auf dem ersten Konzil, der Versammlung aller vollständig befreiten Schüler des Buddha, etwa ein Jahr nach dessen Hinscheiden, werden alle Lehrreden rezitiert und bestätigt, und es ist Ananda, der sie als Erstes wiedergibt: »So habe ich’s gehört …« Folgerichtig lautet auch einer seiner Ehrentitel: »Der, der viel gehört hat.«
Wir können die Bedeutung der Lehrreden des Buddha und deren spätere Auslegungen für uns heute kaum überschätzen. Wer der Dharma-Praxis und der Entfaltung von Weisheit und Mitgefühl einen zentralen Platz in seinem Leben einräumt, kann wohl kaum zu viel von dieser Lehre hören. Meine Lehrer und Lehrerinnen, von denen manche außergewöhnlich verwirklichte Menschen waren, saßen ihr Leben lang ihren Lamas, Ajahns oder Sayadaws unermüdlich zu Füßen, um ihnen zuzuhören. Diejenigen, welche noch leben, tun dies bis heute. Und wenn ihre Lehrer gestorben sind, empfangen sie die Belehrungen gegenseitig voneinander.
Es ist ein großes Privileg, Dharma-Vorträge hören zu können. Diese mögen interessant und unterhaltsam, eintönig oder gar langweilig sein. Aber immer ist es bereichernd, sie zu hören. Denn sie machen nicht nur mit der Lehre und der Praxis bekannt und vertraut, sondern erinnern immer wieder unmissverständlich daran, diese Lehre auch anzuwenden und konkret umzusetzen.
Der Prozess des Lernens wird in der tibetischen Tradition mit thö – sam – gom umschrieben. Dies bedeutet so viel wie zuhören, darüber nachdenken und meditieren. Das wache Zuhören ist dabei das Erste und Grundlegende. Dann wird über das Gehörte reflektiert und kontempliert. Erst auf dieser Grundlage folgt das Meditieren, das sich mit dem Gehörten, Reflektierten und Kontemplierten Vertraut-Machen, das Umsetzen und Anwenden.
»So habe ich’s gehört«, berichtet Ananda. Und wir können ihm unendlich dankbar sein – ihm, dem ersten Ohrenzeugen in der ununterbrochenen Kette von Menschen, die diese kostbaren Lehren über viele Generationen bis zu uns überliefert haben.
Von ihm selbst ist wenig überliefert. In den Theragata, den gesammelten Versen der Älteren (Thera heißt »Älterer« im respektvollen Sinne), gibt es einige wenige Verse, die Ananda zugeschrieben werden.
Aus des Erhabenen Mund hört’ ich zweiundachtzigtausend Lehrreden.
Und zweitausend mehr aus dem Mund seiner großen Schüler.
Von vierundachtzigtausend Reden die Bedeutung ich nun kenn’.
Wer das Dhamma nicht hört und auch nicht versteht,
Der altert töricht wie ein Ochse.
Sein Bauch nimmt zu, sein Magen wächst,
Nur die Erkenntnis tut es nicht. (…)
Folgst du jenen, die viel Dhamma hörten,
Wird die Lehre nicht versiegen.
Die Wurzel des vortrefflichen Lebens ist es,