MICHAEL CENCIG:
Es hat bei Ihnen den Moment gegeben, wo Sie sich und Ihren Körper „Gott übergeben“ haben …
SAMUEL KOCH:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Pläne schmiedete, meine Vorstellungen hatte, wie mein Leben laufen könnte. Ich hatte das Privileg, dass alles, was ich so angepackt habe, in der Umsetzung oder im Ergebnis noch besser war, als ich’s mir erträumt hatte: sei es bei der Bundeswehr, wo ich einen Spitzenposten hatte, im Sport, bei Wettkämpfen, später bei Filmproduktionen oder beim Fernsehen, wo ich überraschend schnell aufsteigen konnte. Oder auch, dass ich so schnell einen Studienplatz gefunden habe. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, es geht immer noch besser, als ich es mir vorgestellt habe. In so einer Situation sagt man leicht: „Lieber Gott, mach, so wie du willst, nicht wie ich will!“, wobei man trotzdem ein ehrgeiziger Mensch ist, der selbstbestimmt und frei sein will, und oftmals nicht erkennt, dass er eigentlich überhaupt nicht frei ist. Der Unfall hat mir gezeigt, dass ich überhaupt nicht frei bin. Dass keiner frei ist, der nicht wirklich erkennt, dass er abhängig ist. Allein die Erkenntnis der Abhängigkeit hat mich ein Stück unabhängig oder frei gemacht.
Um den Bogen zu schließen: Nach dem Unfall – in der misslichen Lage, in der alle Pläne, Ziele, Hoffnungen zerplatzt waren, zerplatzt sind – fiel mir das ein. Ich hatte keine Freiheit mehr in dem Sinne, wie ich sie mir vorstellte. Ich hatte gerade keine Hoffnung mehr – da fiel es mir relativ leicht zu sagen: „Gott, hier ist mein Körper. Hier ist mein Geist. Ich habe keinen Plan mehr. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Mich nervt das alles. Der Einzige, der jetzt was machen kann, bist du. Bitte mach! Es kann nur besser werden!“ Also keine wirklich tugendhafte Aussage verglichen mit den Jüngern zu Zeiten des Evangeliums, die wirklich aus dem Boot gestiegen sind und gesagt haben: „Tschüss, Frau, tschüss, Arbeit, tschüss, Freunde, ich schließ mich jetzt Jesus an und widme mich fortan ganz was anderem!“ und alles zurückgelassen haben. Ganz nach dem Prinzip: „Ein Reicher, der ins Himmelreich kommt, ist wie ein Kamel, das durchs Nadelöhr muss.“ Jemandem, der viel hat und viel erreicht hat, fällt es logischerweise wesentlich schwerer, alles aufzugeben, als jemandem, der nichts hat. So konnte und kann ich immer noch sagen: „Gott, deine Pläne sind besser als die, die ich jemals denken oder planen könnte.“
MICHAEL CENCIG:
Sie glauben an Weihnachten – an die Menschwerdung Gottes. Welche Bedeutung hat dieses Fest für Sie?
SAMUEL KOCH:
Jesus ist geboren und damit ist Gott Mensch geworden, um den Menschen zu helfen, sie zu retten. Ich denke, es ist eine Antwort Gottes auf einen Notstand, den die Menschen auf der Welt hatten und haben. Wenn heute Menschen in Not leben, ist das auch heute noch die Antwort. Diese Menschwerdung, an die man sich wenden kann. Bei der Kreuzigung Jesu ist dann der Vorhang gerissen im Heiligtum. Damit ist der Zugang offen zum Himmel – wenn man will. Wenn man sich darauf einlässt und danach fragt. Das glaube ich.
Dass Gott Mensch wird, ist das Nahbarste, was Gott machen konnte. Ich habe nach meinem Unfall auch überlegt: „Oh, ich bin der ärmste Kerl, es gibt nichts Schlimmeres.“ (muss lächeln) Auf der Intensivstation habe ich dann viel gesehen, was viel schlimmer ist. Sei es nur der Nachbar, den keiner besucht. Ich bin recht schnell darauf gekommen, dass es mir wesentlich mehr wehgetan hätte, wenn eines meiner Geschwister hier liegen würde – oder meine Mutter oder mein Papa sterben würden. Ich bin zum Schluss gekommen: Das Schlimmste, was eigentlich passieren kann, ist, wenn der Sohn oder die Tochter stirbt. Dass Gott seinen Sohn geschickt hat, ihn leiden und töten lässt, ist das Größte und Schlimmste, was man machen kann. Damit machte sich Gott dem Menschen extrem nahbar.
Und wenn es jetzt um Nähe oder Ferne geht: Jeder, der sich einmal mit dem Christsein versucht hat, weiß, dass das ein dynamischer Prozess ist. Dass man Gott nicht immer spürt oder bei sich im Herzen trägt. Dass Gott auch auf Distanz ist, dass er ganz fern ist und man sich alleingelassen und schlecht fühlt. Dann gibt es wieder Momente, wo man – na ja – fast überschäumt vor Kraft und Liebe. Als ich einmal in Rom war, habe ich mich inspirieren lassen von einem römischen Brunnen. Da kommt oben das Wasser heraus und fließt in ein Becken. Das Wasser läuft über in diesem Becken und läuft ins nächste Becken. Das geht immer so weiter. Das ist das Bild für ein Gebet, das ich eigentlich immer in mir trage: „Gott, schenk mir Liebe oder Kraft. Aber am liebsten so viel Liebe, dass ich davon überlaufe und sie weitertragen kann. Und diese Liebe dann wieder weitergetragen werden kann.“
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