Mit dem Mut einer Frau. Jane Pejsa. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jane Pejsa
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783865064493
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      Schlesien war ein entlegenes fürstliches Besitztum an der Grenze des polnischen Königreiches, das im Süden von der Hohen Tatra und im Westen von der Neiße begrenzt wurde. Die Oder durchquerte dieses Gebiet in nördlicher und westlicher Richtung auf ihrem Weg von der Quelle zur Ostsee. Das Land war reich an Wäldern und fruchtbaren Feldern und es wurde behauptet, es lägen dort riesige Schätze an Mineralien unter der Erde. Wen wundert es daher, dass sowohl die Tataren als auch die europäischen Herrscher gleichermaßen an Schlesien – Slansk – interessiert waren.

      Aus dem Süden und vom Westen kamen deutsche Ritter nach Osten an die Oder geritten, um die Invasion der Mongolen zu stoppen. Mit ihrer schweren Rüstung überquerten sie die Neiße und kämpften sich durch heimtückische Sümpfe und endlose Wälder, um den Soldaten Heinrichs zur Seite zu stehen. Die polnischen Ritter, in ebenso schweren Rüstungen, zogen in südlicher Richtung durch ihnen vertraute Sümpfe und Wälder. Sie überquerten die Oder von Osten kommend.

      Am ersten klaren Morgen im April stießen die vereinten Armeen auf die eingedrungenen Tataren in den feuchten Nie­derungen Schlesiens. Unter kampferprobter Führung preschten die Ritter in ihren Rüstungen, wie sie es häufig geübt hatten, in enger Formation mit gezückten Schwertern vorwärts. Dahinter folgte das Fußvolk mit langen, unhandlichen Speeren, halb im Schlamm versinkend. Die gegnerischen Linien wurden immer wieder durchbrochen, jedoch unter hohen Verlusten. Pferde und Männer stürzten und versanken im Morast. Bald überstieg die Zahl der Verwundeten und Sterbenden die der noch Kämpfenden. Wieder und wieder formierten sich die Armeen unter ihren Bannern, schlossen die Lücken der gefallenen Pferde und Männer und griffen erneut an. Am Ende siegten die christlichen Armeen.

      Unter den deutschen Bannern in dieser Schlacht waren auch diejenigen der Ritter von Burg Zedelic. Sie wurden geführt von einem Nachfahren des treuen Untertans Barbarossas, Zedlitz, und die Soldaten stammten aus dem Dorf Zedelic an der Ostgrenze Thüringens. Nachdem die erschöpften Ritter und Soldaten aus Zedlitz ihre Toten begraben hatten, überquerten sie die Neiße in westlicher Richtung, um in die Heimat zu ihrer Burg und ihrem Dorf zurückzukehren.

      In den Jahrhunderten nach dem historischen Sieg über die Tataren ging die Herrschaft über Schlesien an den König von Böhmen, danach durch sorgfältig arrangierte Heiraten an die österreichische Dynastie der Habsburger.

      Im 18. Jahrhundert war die Stauferdynastie Barbarossas und seiner Nachfahren längst verschwunden. An ihre Stelle trat als treibende Kraft unter den Fürsten und Prinzen des Nordens das Haus Hohenzollern, das das Fürstentum Brandenburg regierte und später die Könige Preußens stellen sollte. Zentrum seiner Macht war die Stadt Berlin.

      Im April 1741, genau 500 Jahre nach dem Sieg über die Tataren, eroberten die Armeen des Preußenkönigs Friedrich des Großen das gesamte, zum Habsburger Reich der Kai­serin Maria Theresia gehörende Land zwischen Oder und Neiße. Sieben Jahre später, nach zahlreichen Gefechten, unterzeichneten Österreich und Preußen einen unsicheren Friedensvertrag. Maria Theresia behielt zwar ihren Thron, Friedrich jedoch behielt Schlesien. Die Kaiserin soll sich beklagt haben: »Er hat mir meinen herrlichen Garten weggenommen.«

      Der Friede dauerte nicht einmal zehn Jahre, und als der Krieg erneut ausbrach, erreichte er bald die Dimension eines Weltkonflikts, in den sowohl alle Großmächte Europas als auch weit entfernt liegende Länder wie Nordamerika und Indien verwickelt wurden. Da dieser dritte schlesische Krieg sieben Jahre dauerte, wurde er als der Siebenjährige Krieg bekannt. Nach seinem Ende war Schlesien fest im Besitz des preußischen Königs.

      Das Land war nun von Nachfahren der Familie Zedlitz aus Zedelic bewohnt, die, genau wie ihre Vorfahren vor vielen Jahrhunderten, ihrem König dienten. Unter diesen Nachkommen befanden sich auch Ernestine und Gottlieb von Trützschler, miteinander verheiratete, weitläufig verwandte Vetter und Cousine. Im Jahr 1800 brachte Ernestine auf dem Familienschloss der Trützschlers in Thüringen ihr erstes Kind, Karl Eduard, zur Welt.

      Es war die Zeit nach der Französischen Revolution mit all ihren Grausamkeiten und nicht eingehaltenen Versprechen. Napoleon Bonaparte hatte in Frankreich die Macht übernommen und sich sofort in militärische Konflikte mit den Nachbarländern Preußen, Österreich und Russland gestürzt. Als Karl Eduard fünf Jahre alt war, hatte Napoleon bereits den Höhepunkt seiner militärischen Stärke erreicht und die verbündeten Armeen Österreichs und Russlands in der Schlacht von Austerlitz besiegt. Von seinen Erfolgen beflügelt, nahm er sich als Nächstes Preußen vor. Das Trützschlersche Schloss wurde belagert, weshalb Karl Eduard und seine Mutter beim Großonkel, Baron von Zedlitz, auf Schloss Schwentnig in Schlesien in Sicherheit gebracht wurden.

      Wenige Jahre später starb der alte Baron und Schwentnig ging in den Besitz von Gottlieb von Trützschler, Karl Eduards Vater, über. Gottlieb stellte beim preußischen König den Antrag, künftig beide Namen Zedlitz und Trützschler führen zu dürfen. Der König genehmigte nicht nur diesen Antrag, sondern erhob ihn auch in den erblichen Grafenstand. Im Register der preußischen Aristokratie wurde ein neuer Eintrag vorgenommen: Gottlieb Graf von Zedlitz und Trützschler. Seit dieser Zeit besteht das Familienwappen aus der rot-silbernen Schwertgurtschnalle der Familie Zedlitz und dem schwarz-gelb uniformierten Soldaten der Trützschlers.

      Karl Eduard, der zweite Graf von Zedlitz und Trützschler, war der Erste seiner Familie, der die Universität besuchte – die Friedrich-Wilhelm-Universität (seit 1945 Humboldt-Universität) in Berlin. Dort lernte er die Baronin Ulrike von Vernezobre de Laurieux, eine außergewöhnliche Schönheit französisch-hugenottischer Abstammung, kennen, die er später heiratete. Aus dieser Ehe gingen sechs Kinder hervor, das letztgeborene, Sohn Robert, kam im Jahr 1837 auf Schloss Schwentnig zur Welt. Kurz nach seiner Geburt erkrankte Ulrike an Tuberkulose und starb.

      Karl Eduard wurde einige Zeit später in die schlesische Hauptstadt Breslau versetzt, wo er einen Posten in der Verwaltung übernahm. Im Alter von 13 Jahren trat Robert in das Gymnasium zu Breslau ein. Schloss Schwentnig wurde zu einem Landsitz, auf den sich der Graf mit seiner Familie nur an Festtagen und während des Urlaubs zurückzog. Für Robert begann eine Zeit der Unruhe und Zerstreuung; für ihn waren weder der akademische Unterricht am Gymnasium noch die Gemeinschaft mit den anderen Schülern von Interesse.

      Es war das Jahr 1853 und in ganz Preußen – von den anderen deutschen Staaten ganz zu schweigen – begannen die Ideale des Nationalismus und modernen Liberalismus Fuß zu fassen. Tatsächlich bedrohten sie die bestehenden Institutionen von allen Seiten. In den Städten organisierten sich die Arbeiter zum Kampf gegen die mit der industriellen Revolution einhergehende Ausbeutung. Zum ersten Mal gesellten sich zu den Arbeitern auch Intellektuelle und Kaufleute im Kampf für das allgemeine Wahlrecht. Die alten preußischen Institutionen, die sich jahrhundertelang auf drei unterschiedliche, jedoch miteinander verflochtene Klassen stützten, wurden langsam, aber sicher untergraben.

      Die Französische Revolution und die Dekade der Triumphe Napoleons hatten eine zweifache Wirkung auf diese Entwicklungen. Seine Reformen bei der Ausübung der Regierungsgewalt und dem Militär beeindruckten diejenigen, die Reformen in Preußen für nötig erachteten. Die Ernied­rigung Preußens jedoch bewegte Deutsche aller politischen Richtungen und sozialen Klassen. Es entwickelte sich neues Gedankengut: die Idee des befreienden Nationalismus, der in einer Föderation deutscher Staaten zum Ausdruck kommen sollte.

      Diese Idee fand Robert im Alter von 16 Jahren äußerst attraktiv. Ohne seine akademische Bildung abzuschließen, verließ er daher das Gymnasium und wurde Offiziersanwärter im 6. Preußischen Kürassier Regiment. Mit 19 Jahren ­erhielt er sein Leutnantspatent im preußischen Offizierskorps und wurde zu dem begehrtesten aller preußischen Regimenter versetzt – der Garde du Corps.

      Später schickte ihn der König nach Frankreich, wo er den Aufbau und die Ausbildungsmethoden studieren sollte, mit denen die Franzosen die stärkste militärische Macht in Euro­pa aufgebaut hatten. In Paris lernte er Otto von Bismarck, den preußischen Botschafter in Frankreich, kennen, der später die deutsche Politik und eigentlich fast ganz Europa beeinflussen sollte. Durch seine Freundschaft mit Bismarck wurde Robert in die französische Gesellschaft eingeführt. So begann, im Bewusstsein seiner französischen Herkunft mütterlicherseits, seine große Vorliebe für die französische Kultur. Robert war von der Lebensqualität des Landadels fasziniert und begann