Es waren lediglich Zeitgründe und zu große Entfernungen, die mich davon abhielten, die anderen Enkelkinder von Ruth von Kleist aufzusuchen. Mit Sicherheit wären sie ebenso hilfsbereit gewesen.
Tiefe Dankbarkeit empfinde ich für Friedrich Carl Graf von Zedlitz und Trützschler, Patensohn und einziger noch lebender Neffe Ruth von Kleists. Graf Zedlitz wohnt derzeit in Argentinien und verbringt den Sommer in der Schweiz. Auf dem Weg dorthin macht er gewöhnlich Station in den Vereinigten Staaten. In Briefen, Telefongesprächen und vor allem während eines denkwürdigen Mittagessens in Rochester/Minnesota stellte er mir Familieninformationen, Bilder und Erinnerungen seiner Kindheit in Großenborau/Schlesien zur Verfügung, jenem Ort, an dem seine Tante Ruth ihre Kindheit verbracht hatte.
Mit Dankbarkeit möchte ich auch die Beiträge zahlreicher anderer erwähnen, deren Lebensweg den Ruth von Kleists kreuzte: Eberhard Bethge und Renate Bethge (geborene Schleicher) aus Wachtberg, die mit Ruth von Kleist während ihres letzten Lebensjahrzehnts in enger Verbindung standen und die mir außer ihren Erinnerungen an Tante Ruth auch Kopien ihrer persönlichen Korrespondenz überließen, Reinhild Hausherr (geborene Kleist-Schmenzin) aus Bern, Tochter des zum Märtyrer gewordenen Neffen Ruths namens Ewald, die einen Nachmittag lang für mich Kindheitserinnerungen wachrief – aus einer Zeit, als die Kleist-Retzows aus Kieckow sich mit den Kleists aus Schmenzin in der Verschwörung gegen die Naziherrschaft verbanden –, Werner und Dita Koch aus Emlichheim, deren Freundschaft mit Ruth von Kleist infolge von Werners Verhaftung vertieft wurde, die mir Kopien Ruths reichhaltiger, fast ein Jahrzehnt umfassender Korrespondenz mit beiden von ihnen übergaben, Wolf Dieter Zimmermann aus Berlin, den ich in Minnesota traf und dessen jugendlich-frische Erinnerungen die Schmenziner Kleists, die Kieckower Kleists, das Finkenwalder Seminar und Großmutter Ruth in Stettin umfassten.
Als persönliches Privileg empfinde ich, zwei erstklassige, auf deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts spezialisierte Historiker zu kennen, die mir beide freundlicherweise ihre Zeit widmeten. Professor Emeritus Harold C. Deutsch von der Universität Minnesota, eine führende Kapazität auf dem Gebiet der Verschwörung gegen Hitler, stellte einige historische Details klar. Der amerikanische Bismarck-Experte der Universität von Indiana Professor Otto Pflanze beriet mich bei meinen Nachforschungen über diese frühe Periode im Leben Ruth von Kleists. Dabei möchte ich jedoch betonen, dass keiner dieser beiden prominenten Professoren in irgendeiner Weise für die in diesem Buch beschriebenen historischen Details oder Interpretationen verantwortlich ist.
Meine geografischen Kenntnisse stammen von persönlichen Besuchen der Orte, die Ruth von Kleist einst ihre Heimat nannte – Klein Krössin, Kieckow und Großenborau, die allesamt im heutigen Polen liegen. Tiefen Dank schulde ich unserem Freund und Verwandten Franciszek Polcyn aus Oborniki/Polen, der meinen Mann und mich an der deutschpolnischen Grenze nahe Szczecin abholte und als unser Führer in diesen schönen Landstrichen fungierte.
In diesem Buch werden eine Reihe von Briefen erwähnt oder zitiert, von denen viele aus dem Bundesarchiv stammen. Mit besonderer Dankbarkeit erwähne ich den wichtigen Beitrag Edith Müllers aus Minneapolis, die diese und andere Briefe von der deutschen in die lateinische Schrift übertrug, was mich in die Lage versetzte, dieses Quellenmaterial in der Originalsprache zu lesen.
Der Hauptteil der in meinen Nachforschungen verwendeten und in der Bibliografie angegebenen Quellen stammt aus der umfangreichen Sammlung der Wilson Bibliothek der Universität Minnesota. Dazu kam seltenes und nützliches Material von der Stadtbibliothek Minneapolis und der Bibliothek des Lutherseminars St. Paul. Mein Dank gebührt auch Barbara Field aus Minneapolis, die mit ihrem ausgezeichneten Können das gesamte Manuskript Absatz für Absatz überarbeitet hat.
Schließlich ist es mir eine Freude, darauf hinzuweisen, dass ich diese ungeheure Aufgabe nie ohne die ständige Unterstützung meines Mannes Arthur Pejsa zu Ende gebracht hätte. Ihm oblag es auch, jedes der sieben Kapitel über die Geschichte der preußischen Matriarchin als Erster zu kritisieren und zu redigieren.
Mein Dank gilt allen bereits erwähnten sowie denjenigen, die zu erwähnen ich unabsichtlich vergessen haben könnte.
Prolog
Im Jahr 1152 wurde der Staufer Friedrich Barbarossa in Aachen zum deutschen König gewählt. Drei Jahre später in Rom erfolgte seine Krönung zum Kaiser – zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Es erstreckte sich in früheren Jahrhunderten über fast ganz Europa, zu Barbarossas Zeit aber war dieser ehrenvolle Titel von geringem Wert. Er wurde lediglich von der Handvoll Prinzen und Herzögen des Stauferreiches anerkannt.
Barbarossas Weitblick und seine unerschöpfliche physische Energie vermochten jedoch das deutsche Bewusstsein so zu beleben, dass sein Name zur Legende wurde. Er stärkte die Bindungen zwischen den zerstrittenen deutschen Fürstentümern. Er unternahm Feldzüge auf polnisches und böhmisches Territorium bis hin zu weit entfernten Gebieten in Kleinasien. Selbst die Stadtstaaten Italiens wurden von ihm nach seinen Vorstellungen neu geordnet. Er schloss Frieden und führte Krieg mit zwei aufeinanderfolgenden Päpsten in Rom, wobei er nicht nur einmal, sondern gleich zweimal exkommuniziert wurde.
Wenige dieser kriegerischen Unternehmungen führten zu dauerhaften Eroberungen, manche davon endeten gar in Katastrophen. Auf einem Feldzug in Italien zum Beispiel starben alle seine Soldaten an der Pest, dennoch blieben allein seine Siege in Erinnerung.
Über die Jahrhunderte wurde Barbarossa in Deutschland zur Legende, insbesondere in schlechten Zeiten. Es hieß, er lebe in einer Höhle unter dem Kyffhäuser, um eines Tages zurückzukehren und dem deutschen Volk zu neuer Größe zu verhelfen.
Während seines ganzen Lebens hatte Barbarossa zahlreiche treue Anhänger – Untertanen, Ritter und gemeine Soldaten, die für ihn Kriege führten und unter seinem Banner ihr Leben ließen. Der treuste unter ihnen soll sein Untertan Zedlitz gewesen sein, der seine Loyalität zu Barbarossa auf dessen Polenfeldzug unter Beweis stellte. Auf der Höhe des Gefechts, als Barbarossas königlicher Umhang von einem feindlichen Speer durchbohrt wurde, eilte Zedlitz seinem König zur Seite und hieb den Umhang entzwei, wodurch Barbarossas Leben gerettet wurde. Jahrhunderte später wurde diese große Tat in einem epischen Gedicht festgehalten, das mit folgenden Zeilen endet:
Und wo man von Treue und Tapferkeit spricht,
da fehlt auch der Name der Zedlitze nicht.
Ihr Haus kommt nimmer zu Falle.
Der treue Untertan Zedlitz wurde für seine Loyalität und seinen Mut reich belohnt. Er hatte nicht nur Barbarossas Gunst gewonnen, sondern erhielt auch ein beträchtliches Stück Land an der östlichen Grenze Thüringens, ein deutscher Vorposten zum Königreich Böhmen. An dieser Stelle sollte er eine mächtige, seinen Namen Zedelic tragende Festung errichten, die lange nach dem Tod sowohl Barbarossas als auch seines treuen Untertanen Zedlitz für die Verteidigung deutschen Gebiets von großer Wichtigkeit werden sollte.
Fünfzig Jahre nach Barbarossas Tod, im Frühjahr 1241, richtete der damals regierende polnische Monarch Heinrich der Fromme einen dringenden, alle Stammes-, Kultur- und Fürsteninteressen übergreifenden Appell an die Christenheit, zu den Waffen zu greifen: Die Ungläubigen waren in Schlesien eingedrungen!
Während der Herrschaft der Staufer und Piasten stand der Begriff Ungläubige für die Tataren, eine Gruppe verschiedener nomadischer Völker, die jahrhundertelang den ganzen eurasischen Kontinent von der Mongolei im Osten bis zur