Grundsätzlich galt im Römerreich das Prinzip der Selbsthilfe. Wer überfallen wurde, konnte keine Polizeistreife zu Hilfe rufen sondern musste sich selbst helfen. Unterstützung erhielt er allenfalls noch von herbeieilenden Nachbarn oder von einem barmherzigen Samariter. Wer mit der Waffe in der Hand zur Selbsthilfe griff, hatte das Gesetz zumindest teilweise auf seiner Seite: Straflos blieb, wer einen Dieb tötete, wenn er befürchten musste, selbst ermordet zu werden; soweit war die Selbstjustiz gesetzlich gedeckt. Jemand, der einen Dieb umbrachte, obwohl er ihn hätte ergreifen können, beging freilich eine Straftat. Eigeninitiative konnte rasch in Lynchjustiz umschlagen. Umgekehrt galt der Besitz und der Einsatz einer Waffe durch einen Dieb als Anlass für eine verschärfte Strafe: Einbrecher, die sich mit einer Waffe der Festnahme widersetzten, wurden in die Bergwerke geschickt; diese Strafe ad metalla war fürchterlich und kam einem lang andauernden, qualvollen Todesurteil gleich.
Gewaltsames Eintreten gegen nächtliche Diebe hatte bereits Roms archaisches Zwölftafelgesetz von 450 v. Chr. erlaubt (8,12):
„Si nox furtum faxsit, si im occisit, iure caesus esto.“
„Hat jemand nachts einen Diebstahl begangen und hat man den Dieb getötet, so soll er zu Recht erschlagen sein.“
Abb. 5
Darstellung eines Wachhundes im Mosaik eines Hauseingangsflurs. Pompeji I 7,1 (Haus des Paquius Proculus). Um 70 n. Chr.
Abb. 6
Pompeji. Der Hund aus der Casa di Orfeo (= Haus des Vesonius Primus. VI 14,20). Gipsausguss. Der Wachhund war angekettet und konnte deshalb nicht fliehen. Gefunden 1874. Pompeji-Ausstellung 2007, Europäischer Kulturpark Bliesbruck-Reinheim.
Die grundlegende Ursache für das Vorherrschen der Selbsthilfe war das Fehlen einer Staatsanwaltschaft; ohne einen Ankläger und Strafverfolger von Amts wegen kamen die Verfahren nur dann in Gang, wenn von privater Seite aus die Initiative ergriffen wurde. Dasselbe Prinzip der Selbsthilfe galt für den Schutz vor Diebstahl und Überfällen zu Hause. Kein Wunder, dass man auch auf dem Lande Waffen bereithielt. In einer der großen Domänenvillen am Vesuvabhang bei Boscoreale fanden sich zwei eiserne Stichwaffen. Außerdem konnten Waffen auch als Trophäen im Atrium eines Privathauses aufbewahrt werden, wenn dies auch eine mehr republikanische Sitte war, als die Hocharistokratie Roms Krieg und Politik bestimmte.
Meist behalf man sich mit einem Wachhund (Abb. 5), bis heute ein probates Mittel zum Schutz allein stehender Häuser. Unser »Vorsicht: Bissiger Hund!« oder das Hundeköpfchen mit dem Text »Hier wache ich« haben auch ihre Vorläufer in Pompeji. Dort hat der Hausherr der Casa del poeta tragico (Haus des tragischen Dichters) im Hausflur ein Mosaik mit dem zähnefletschenden Wachhund anbringen lassen; die Inschrift CAVE CANEM warnt vor dem Hund. Die angeketteten Hunde fanden 79 n. Chr. beim Vesuvausbruch den Tod. Ergreifend ist das Bild eines solchen im Todeskampf verkrümmten Tieres aus der Casa di Orfeo in der 6. Region (Abb. 6).
Das Heer eines Ständestaates und die Waffen im Umlauf
Sobald die prähistorische Stammesstruktur überwunden war, musste jeder Staat der Geschichte die Frage lösen, wie die Staatsgewalt zu organisieren war. Die Einrichtung juristisch autorisierter, bewaffneter Kräfte war unumgänglich. Schon für die frühe Bronzezeit ist planmäßiges Kriegführen archäologisch belegt und die Organisation bewaffneter Kräfte muss in irgendeiner Form geplant worden sein. Man kann aber noch weiter zurückgehen, in die Jungsteinzeit, jene Epoche der Revolution des Lebens auf der Erde, als man die Landwirtschaft erfand. Archäologische Funde, darunter Massengräber, lassen die These zu, dass im Lauf der Jungsteinzeit (Neolithikum) die Entwicklung von lokalen Konflikten zu organisierter Kriegführung stattfand, wobei das Neolithikum im kulturell führenden Vorderasien von ca. 11.000 bis ins späte 7. Jt. v. Chr. gerechnet wird, während in Mitteleuropa das Endneolithikum im 3. Jt. v. Chr. angesetzt wird. In den bronzezeitlichen Monarchien Vorderasiens und Ägyptens des 4. bis 2. Jts. v. Chr. war das Kriegführen ein Teil der Politik. Die Heere der mesopotamischen Reiche (Sumer, Akkad, Babylon, Assyrien) und des pharaonischen Ägyptens bestanden aus Wehrpflichtigen und Söldnern sowie anscheinend teilweise auch aus berufsmäßigen Soldaten.
Die Armeen der griechischen Städte waren im Grundsatz Heere freier Bürger. Das Söldnerwesen war allerdings im Bereich griechischer Kultur schon seit archaischer Zeit üblich gewesen, und hatte im Laufe des 5. und 4. Jhs. an Gewicht gewonnen. Literarisch hatte Xenophon in seiner Anabasis dem Rückmarsch der 10.000 griechischen Söldner im Dienst des jüngeren Kyros (401/400 v. Chr.) ein Denkmal gesetzt. Die hellenistischen Monarchien des 3. bis 1. Jhs. v. Chr. waren auf die Qualität ihrer Söldner angewiesen.
Von heute an gerechnet kann man auf fast zehntausend Jahre Kriegsgeschichte zurückblicken. Das römische Reich, ein in soziale Klassen gegliederter Ständestaat, betrat im Altertum Neuland: Rom unterhielt das erste konsequent durchdachte Berufssoldatentum der Geschichte. Nach den Erfahrungen der späten Republik mit den katastrophalen Bürgerkriegen (133 - 31 v. Chr.) hatte Kaiser Augustus verstanden, dass man eine ständige Armee brauchte, die stabil und berechenbar war. Augustus teilte das Heer in Legionen, deren Soldaten schon das römische Bürgerrecht hatten, und in Hilfstruppen (Auxilia), deren Soldaten nach ihrer Dienstzeit das römische Bürgerrecht erhalten konnten. Mit diesem Konzept einer Berufsarmee, einem sehr modernen Gedanken, schuf Kaiser Augustus einen entscheidenden Faktor zur Stabilisierung des riesigen Reiches.
In den Jahrhunderten der Republik war der freie römische Bürger wehrdienstpflichtig gewesen. Als freier Mann dem römischen Staate zu dienen war auch der Stolz der Legionäre der Frühzeit. Solange das Gebiet Roms auf Mittelitalien beschränkt war, ging dies noch an. Doch schon seit dem Sieg über Hannibal 202 v. Chr. geschah nichts mehr im Mittelmeerraum, ohne dass Rom einbezogen war. Die immer weiteren Kriege in Spanien, Frankreich, auf dem Balkan, in Afrika, in Griechenland, Kleinasien, Syrien und Ägypten überforderten das alte System, in dem der Bauernlegionär nach Kriegsende wieder auf seinen Acker zurückkehrte: Dieser war im Zweifelsfall längst verschuldet oder verödet. Die Gründung einer Berufsarmee beendete dieses Dilemma.
Ungefähr 30 Legionen hatte die römische Armee im 1. Jh. n. Chr. (Abb. 7). Mindestens rund 250.000 Mann des Landheeres standen immer unter Waffen, bei einer Sollstärke einer Legion von etwas über 6.000 Mann und einberechnet der vielen Hilfstruppeneinheiten. Dazu kamen die Flotte, die Prätorianergarde und weitere Sicherungstruppen und Spezialeinheiten in der Hauptstadt oder verteilt im Reich. Insgesamt rechnet man deshalb sogar mit erheblich mehr als einer Viertelmillion. Die Legionen haben in den zweihundert Jahren seit Augustus ihre Aufgabe der Reichssicherung und zusätzlicher Eroberungen (Britannien, Siebenbürgen) gut gelöst. Im Laufe des 3. Jhs. musste die Armee allerdings umstrukturiert werden, um