„Sie weiß, dass es nur vorübergehend ist.“ Betonung auf vorübergehend. Mehr Anlauf für ein Gespräch über ihre gemeinsame Zukunft konnte es nicht geben. Es gab nichts, was sie auf dieser Insel hielt. Sie wartete nur darauf, dass Adam seinen Einsatz beendete und ihr einen Heiratsantrag machte.
„Suz.“ Er räusperte sich. „Ich habe einen Auftrag mit einer neuen Einsatztruppe in Washington angenommen.“
„Washington? Okay …“ Mit Washington D.C. würde sie zurechtkommen. „Ich habe eine Verbindung in Virginia. Eine Architektin, mit der ich mal ein Praktikum gemacht habe, arbeitet für eine Firma dort.“ Sie zog ihr Telefon aus der Hosentasche. „Ich schreibe mir eine Erinnerung ins Handy und ruf sie morgen an, ja?“
Er legte seine Hand auf ihre. „Ich kann dir nicht geben, was du willst.“
„Ich weiß nicht, was du meinst.“ Ihre Augen wurden feucht. „W-was denkst du denn, was ich will?“
„Heiraten.“
„Ich will doch nicht einfach nur heiraten. Ich will dich heiraten, Adam.“ Sie zwinkerte die Tränen weg, während sie ihn ansah. Heiraten war der Plan. Seit ihrem zweiten Jahr im College.
Er seufzte und rutschte im Sand hin und her. Angst setzte Susannas Herz in Brand.
„Vorhin hast du mich gefragt, was in Afghanistan passiert ist.“ Er griff nach seinem Schuh, zog ihn aus und ließ den Sand herausrieseln. „Ich habe jemanden getroffen.“ Seine Stimme wurde brüchig, sein Mut ließ nach. „Also, um ehrlich zu sein, haben wir uns in der Offiziersschule kennengelernt.“
„Du hast jemanden kennengelernt?“ Vor sieben Jahren?
„Sie war mit jemandem zusammen, und ich hatte dich. Aber wir waren immer gute Freunde. Dann wurden wir beim letzten Einsatz in dieselbe Einheit beim Nachrichtendienst beordert.“ Einen Moment lang saß er da wie der Marine, der er war. Rücken gerade, breitschultrig, die Augen wachsam, zuversichtlich. Aber in der nächsten Sekunde sah er wieder ganz so aus wie ein Mann eben aussieht, der gerade mit seiner Freundin Schluss macht und das verabscheut.
„Es gibt … du hast … eine andere?“, sagte Susanna, leise, sie versuchte, sein Geständnis durch den Schleier eines Déjà-Vus hindurch zu fassen. Hatte sie von dieser Situation vielleicht schon einmal geträumt?
Ein Windstoß, der nach Regen roch, kühlte ihre Haut und ihre brennenden Augen.
„Ihr Name ist Sheree. Wir –“
„Und du hast mir nichts gesagt?“ Sie wühlte mit ihren Zehen im Sand. „Adam, Schlachtfeldromanzen haben selten Zukunft. Das hast du mir doch selber erzählt. Du und ich, wir … haben Zukunft.“ Sie versuchte, nicht verzweifelt zu klingen. „Du hast gesagt, kein anderer Marine hätte ein Mädchen, das ihm zwölf Jahre lang zur Seite stand.“
„Ich weiß, und es stimmt ja auch, aber komm schon, Suz, hast du denn nie darüber nachgedacht, dass zwölf Jahre eine ganz schön lange Zeit dafür sind, auf jemanden zu warten?“
„Ja, aber wir hatten doch einen Plan.“ Susanna mochte Pläne. Sie machten das Leben leichter, einfacher. Sie ließen das Leben rundlaufen. Selbst ein dämlicher Plan wie der, mit der Hochzeit zu warten, bis Adam mit seinen Einsätzen fertig war, war immer noch ein Plan. Er wollte es bis zum Captain schaffen, deshalb meldete er sich immer wieder freiwillig für Einsätze. Der Plan drehte sich um Adams Karriere und sein Pflichtbewusstsein. Aber das machte Susanna nichts aus. Echt nicht. Sie liebte ihn, und die Liebe ist geduldig. Oder?
„Der Plan. Auf immer und ewig“, sagte er und atmete dabei tief aus. „Suz, ist es dir nie in den Sinn gekommen, dass der Plan vielleicht abgeändert werden sollte? … Weil wir uns verändert haben? Hast du dir nie überlegt, dass wir vielleicht nur zusammengeblieben sind, weil es bequem war? Dass wir die Vorstellung von uns mehr mochten als uns?“
„Die Vorstellung von uns?“
Wo kam das denn nun her? „Ja, ich mag die Vorstellung von uns. Aber es ist doch klar, dass ich uns auch mag, wenn ich die Vorstellung von uns mag.“
„Du bist in den Plan verliebt, Susanna. Nicht in mich.“ Seine Worte trafen sie wie Silbergeschosse ins Herz.
„Verliebt in den Plan? Red keinen Unsinn.“ Sie sprang auf und klopfte sich den Sand von den Shorts. „Wenn du mit mir Schluss machen willst, dann schieb den Schwarzen Peter nicht mir oder dem Plan zu. Welche Frau wartet schon zwölf Jahre“ – oh, und diese Jahre fühlten sich plötzlich an wie eine Ewigkeit – „weil sie einen Plan liebt? Die wäre ja verrückt.“
Aber was war der Wert eines Plans, wenn sie sich nicht daran hielt? Schande, wahrscheinlich lag es tatsächlich an dem Plan, dass sie auf Adam gewartet hatte. Dank eines Plans hatte sie ihre Kindheit überstanden. Ihren Weg durchs College gemacht.
Der Plan.
Sie begann, den Strand entlang der Sonne entgegenzugehen, während Adams Worte in ihrem Herzen Karussell fuhren.
Liebte sie den Plan mehr als ihn?
Der Duft von Adams Haut verfolgte sie. Seine Stimme. „Ich verstehe den Plan doch. Du wolltest nicht sein wie deine Eltern, immerzu Streit, die Scheidung –“
„Und dann haben sie wieder geheiratet.“ Glo und Gibson Truitt waren echte Promis unter den Kirchgängern. Einmal im Jahr erzählten sie in der Kirche ihre Geschichte von der „gescheiterten Scheidung“. Sie waren immer noch schnippisch miteinander und lärmten herum, aber sie liebten einander. Jesus hatte gute Arbeit geleistet bei ihrem Daddy und ihrer Mama.
„Aber nicht bevor du gelernt hattest, bei jedem Aufwachen auf alles Mögliche gefasst zu sein. Krieg oder Frieden. Du hast es gehasst, morgens aufzuwachen und nicht zu wissen, was dich erwartete, und deswegen bist du eine Planerin geworden. Schon als Kind.“
„Wirfst du mir das vor?“
„Nein, was ich sagen will …“ Er hängte sich bei ihr ein. „Vielleicht hast du dich deswegen so an unseren Plan geklammert. Er gibt dir ein Gefühl von Sicherheit.“
„Hast du in Afghanistan einen Kurs in Küchentischpsychologie mitgemacht?“
Er ließ sie los und ging einen Schritt zurück. „Erinnerst du dich an die letzte Silvesterfeier, als mein Vater mich beiseitenahm?“
„Ja, ich erinnere mich.“
„Er sagte, wenn ich dich heiraten wollte, sollte ich mal in die Gänge kommen. Es sei nicht richtig, dich noch länger warten zu lassen.“
„Ich liebe deinen Vater.“ Ein wahres, direktes Geständnis.
„Also habe ich einen kleinen Umweg über Europa gemacht, als ich nach Afghanistan aufgebrochen bin. London, Paris … Ich habe nach einem einzigartigen Verlobungsring gesucht. Ich habe, glaube ich, um die hundert Stück gesehen, bis ich einen in einem kleinen Geschäft vor den Toren von Paris gefunden habe.“
„Warte mal … Du hast einen Ring gekauft … für mich?“ Sie ging zögerlich einen Schritt auf ihn zu.
„Ja“, sagte er mit einem langsamen, nachdenklichen Nicken. „Hab meine Kreditkarte auf den Tisch gelegt, aber als der Mann mich nach dem Namen von mon amour fragte, hatte ich einen Aussetzer. Mir ist der Name nicht mehr eingefallen.“
„Mein Name? Dir ist mein Name nicht mehr eingefallen?“
„Aussetzer.“ Er tippte sich mit den Fingern an die Stirn. „Ich war abgelenkt, dachte darüber nach, endlich in Afghanistan anzukommen, ich hab mich mehr gefühlt, als würde ich eine Liste abarbeiten, als einen Ring für mon amour zu kaufen.“
„Und das ist es jetzt? Du machst Städtehopping auf dem Weg nach Afghanistan, und wenn sich das anfühlt wie eine lästige Erledigung, beschließt du, dass ich nicht die Richtige für dich bin? Dass der Plan dir die Liebe geklaut hat?“ Sie verlagerte ihr Gewicht,