Februar
Die „Mühlviertler Hasenjagd“
Das Thermometer in dieser Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1945 zeigt acht Grad unter null. Im Block 20, dem „Todesblock“ des KZ Mauthausen, bereiten sich etwa 500 „K-Häftlinge“, vor allem kriegsgefangene Offiziere der Roten Armee, auf den Ausbruch vor. Alle wissen: Es besteht nur eine kleine Chance zu überleben – bleiben sie jedoch im Block, so ist ihnen der Tod gewiss; die Lebenserwartung hier beträgt nur wenige Wochen. Für den Angriff auf die zwei Wachtürme haben die Häftlinge Steine, Kohlenstücke, Holzschuhe und Feuerlöscher vorbereitet; mit feuchten Bettdecken und Kleidungsstücken der 75 kranken Mithäftlinge, die im Block zurückbleiben, wollen sie den elektrischen Zaun kurzschließen, der zusammen mit einer 2,5 Meter hohen Steinmauer den „Todesblock“ vom übrigen Lager trennt. Wenige Minuten vor dem Ausbruch hält ein russischer General eine Ansprache: „Im letzten Kampf werden viele von uns oder alle fallen.“
Um 1 Uhr früh beginnt die verzweifelte Aktion: Zunächst erdrosselt man den Blockältesten und seine Stubendienstleute, dann bildet man zwei Kampftrupps, der erste greift die Wachtürme an, der zweite sorgt für den Kurzschluss und das Ausgehen des Lichts im Lager. Tatsächlich gelingt es der ersten Gruppe, den östlichsten Wachturm zu erobern; mit dem hier befindlichen Maschinengewehr schalten sie auch den SS-Posten auf dem nächsten Turm aus. 419 Häftlinge können die Mauer und das Lagerareal überwinden und erreichen freies Gelände, vielen fehlt jedoch die Kraft, um weiter in die Wälder zu fliehen, sie werden rasch wieder aufgegriffen und so wie die Kranken im Block 20 sofort getötet. Eine Großfahndung nach „500 Schwerverbrechern“ wird eingeleitet; neben der SS beteiligen sich auch Einheiten der Wehrmacht, des Volkssturms und Hitlerjugendgruppen sowie zahlreiche Mühlviertler an der „Treibjagd“ auf die Geflohenen; der Befehl lautet: „Sie müssen sofort unschädlich gemacht werden. Niemand darf gefangen werden, alle sind sofort umzulegen!“
Johann Kohut, Kommandant des Gendarmeriepostens Schwertberg, vermerkt nach Kriegsende in seiner Chronik: „Ein großes Morden begann, ein richtiges Blutbad. Der Schneematsch färbte sich rot mit Blut der Erschossenen.“ Es sind wohl nur elf entflohene Häftlinge, die überleben, unter ihnen Michael Rjabschtinskij und sein Freund Nikolaj Zemkalo, die von der Familie Langthaler auf ihrem Bauernhof im Dorf Winden bei Schwertberg bis Kriegsende versteckt werden. Die Bäuerin Maria Langthaler, die selbst fünf Söhne bei der Wehrmacht hat, rechtfertigt später ihr Tun: „Der Herrgott ist für die ganze Welt, nicht nur für die Deutschen.“
Aufstand in Kärnten
Den Kärntner Bauern reicht es endgültig: Schon wieder will Kaiser Friedrich III. die Steuerlast erhöhen – für jeden „Agleier“ (= Pfennig aus Aquileia) Steuerschuld will sein Verwalter nun zwei neue Pfennige einheben, sie sind aber höchstens bereit, drey helbling, also drei Halbpfennige, für den „Agleier“ zu geben. Vorwand für die 1469 einsetzenden Erhöhungen der Abgabenlast sind die Türkeneinfälle – erstmals plündert und mordet eine türkische Streifschar im September 1473 in Kärnten – und gerade das schürt die Wut der Bauern, denn die für ihr gutes Geld angeworbenen Söldner schützen vielfach nur die Grundherren auf ihren Burgen. Da die vorgesehenen Sperren und Bollwerke nur unzureichend oder gar nicht mit Truppen besetzt werden, sind sie und ihre Familien schutzlos den „Rennern und Brennern“ ausgeliefert. So hat etwa der Kaiser im Kloster Millstatt mit großem Pomp eine „Filiale“ des St.-Georgs-Ritterordens ins Leben gerufen, die tapferen Ritter ziehen es aber vor, hinter den sicheren Klostermauern zu verweilen. Zu Maria Lichtmess 1476 beschließen die Bauern deshalb, zur Selbsthilfe zu greifen – der Chronist Jakob Unrest, ab 1466 Pfarrer in St. Martin am Techelsberg, berichtet in seiner Österreichischen Chronik über diese Vorkommnisse: Indem besambten (versammelten) sich die pawren an die 40 und machten ainen pundt. Und der obrist was ein pawr, genannt Peter Wunderlich. Derselb pundt wuechs in kuertz als ain klains wasser von ainem grossen Wolckhenpruch.
Bauern beim Schneiden des Korns mit der Sichel.
Friedrich III. hat zwar kayn gevallen an dem Aufstand, unternimmt jedoch wie gewohnt nichts und schickt nur einen Brief, in dem er bei Todesstrafe verbietet, diesem Bund beizutreten – die pawren verachten das schreyben gantz mit spottlichen worten. Peter Wunderlich, dem Anführer des „Bundes“, gelingt es, eine kleine Streitmacht von etwa 3.000 Bauern zu sammeln, mit der er am 25. Juni 1478 auf der „Goggauer Wiese“ bei Coccau in der Nähe von Tarvis einer türkischen Reiterschar entgegentritt. Der Großteil der Bauern verliert jedoch angesichts des bevorstehenden Kampfes den Mut und flieht, die verbleibenden, etwa 600 Mann, werden von Türken umzingelt und getötet oder gefangen genommen.
Die verheerende Niederlage auf der Goggauer Wiese bedeutet auch das Ende des Bundes; die obersten pundtleut fallen schließlich in die Hände der kaiserlichen Häscher und werden hingerichtet; Peter Wunderlich, der bei Gmünd gefangen genommen wird, findet ein schreckliches Ende: Er wird beim Schloss Litzlhof in Lendorf durch Vierteilen bei lebendigem Leib gerichtet.
Die Peter-Wunderlich-Straßen in Klagenfurt und Spittal erinnern heute noch an den unglücklichen Bauernführer.
Kapitulation in Stalingrad
Die letzten Einheiten des XI. Armeekorps der Wehrmacht stellen im Nordkessel den Kampf ein; um 8.40 Uhr wird ein letzter Funkspruch an General Hube bei der Heeresgruppe „Don“ abgesetzt: „XI. AK. hat mit seinen 6 Divisionen in schwerstem Kampf bis zum letzten Mann seine Pflicht getan. Es lebe der Führer! Es lebe Deutschland!“ Die Schlacht von Stalingrad, die seit dem 13. September 1942 tobte, ist zu Ende, die Wehrmacht hat eine katastrophale Niederlage erlitten, der Mythos ihrer Unbesiegbarkeit ist endgültig zerstört. Etwa 10.000 überlebende Soldaten der Wehrmacht und verbündeter Truppen geraten in Gefangenschaft, unter ihnen viele Österreicher. Von den ursprünglich etwa 230.000 Soldaten der Wehrmacht im Kessel sind 50.000 aus der „Ostmark“, die vor allem bei der 44. und der 297. Infanteriedivision sowie bei der 100. Jäger-Division für den „Führer“ kämpfen und sterben. Nur 1.200 österreichische Stalingrad-Kämpfer werden nach dem Krieg aus sowjetischer Gefangenschaft zurückkehren.
Bereits am 22. Jänner 1943 hatte Generaloberst Paulus in einem Funkspruch an Hitler um die Genehmigung zur Kapitulation gebeten. Darin hatte er kurz die verzweifelte Lage zusammengefasst: „44., 76., 100., 305., 384. Infanteriedivision vernichtet, Front infolge starker Einbrüche vielseitig aufgerissen. Stützpunkte und Deckungsmöglichkeiten nur noch im Stadtgebiet. Weitere Verteidigung sinnlos. Zusammenbruch unvermeidbar. Armee erbittet, um noch vorhandene Menschenleben zu retten, sofortige Kapitulationsgenehmigung.“ Das Leben seiner Soldaten ist jedoch für Hitler kein Argument – er lehnt ab: „Kapitulation ausgeschlossen! Die Armee erfüllt damit ihre historische Aufgabe, den Aufbau einer neuen Front beiderseits Rostow zu ermöglichen, Kampf bis zur letzten Patrone!“
Tag für Tag, Stunde für Stunde hatte sich sich die Lage im Kessel verschlimmert. Mit dem Aussetzen der Versorgungsflüge war die Verpflegung der Truppen völlig zusammengebrochen; jede Einheit lebte von ihren letzten eisernen Reserven. Es gab kein Verbandsmaterial und keine Medikamente mehr, in den als Notfeldlazarette eingerichteten Schulen, alle überfüllt mit Schwerverwundeten, fehlte es an Ärzten; die Toten wurden an den Außenseiten der Gebäude einfach