Sicher wäre uns dann aufgefallen, dass sich mit einem besonderen Bauplan ein sehr simples Erklärungsmodell bauen lässt. Das Prinzip Vorbild/Gegenbild kann man auf alles anwenden, was als Vorschrift für gruppenkonformes Denken und Handeln vermittelt werden soll.
Episoden aus der biblischen Geschichte dienen als Grundsatzmodell für das gegenwärtige Verhalten oder als Muster für die Endzeitprognosen. Mit dem Vorbild wird oft eine sogenannte Gewissensentscheidung, ungeachtet der historischen Hintergründe, angemahnt.
Wieder bekommt das Vorgehen ein Siegel von der höheren Instanz durch ein Bibelzitat:
„ … was vorzeiten geschrieben wurde, ist zu unserer Unterweisung geschrieben worden, …“22
Weil die Schlange vom Teufel benützt wurde, Eva im Paradies zu verführen, ist auch heute der Teufel ständig auf der Lauer, wie er Menschen zur Sünde verführen kann. Zum Beispiel verführt er kleine Kinder dazu, mit Plastikspielzeug zu spielen, das einen Zauberer darstellt. Wie es in dem neuesten Video der Wachtturm-Gesellschaft „Werde ein Freund Gottes“ suggeriert wird. Das wäre mit der Sünde Evas zu vergleichen, die von der verbotenen Frucht gegessen hat.
Weil Gott eine schlechte Welt durch eine Sintflut vernichtet hat, wird es die gegenbildliche Erfüllung, den großen Krieg Gottes, Harmagedon genannt, geben, in dem alles Böse, womit das gesamte menschliche System gemeint ist, von der Erde ausgerottet werden wird.
Weil eine arme Witwe ihre letzte kleine Münze in den Tempelschatz gegeben hat, ist sie ein Vorbild für die Gläubigen, sich mit allem, was sie haben, Schätze im Himmel anzuhäufen, indem sie ihre materielle Habe für die sogenannten Interessen des Königreiches (weltweite Neumitgliederwerbung) spenden.
Durchforscht man die Veröffentlichungen der Wachtturm-Gesellschaft nach Lebensberichten und Erfahrungen, begegnet man sehr häufig den Aussagen: „Wir haben unser Haus oder unser Geschäft oder Besitz verkauft, ein Studium abgebrochen, auf eine Karriere verzichtet, die Lebensversicherung oder die Altersversorgung vorzeitig gekündigt, weil wir glaubten, in der kurzen Zeit bis Harmagedon sei nichts wichtiger als die gute Botschaft vom Königreich zu predigen.“ Aber man sucht in der Wachtturm-Literatur vergeblich nach einer direkten Aufforderung Häuser und Besitz zu verkaufen oder die Lebensversicherung und Altersversorgung vorzeitig zu kündigen.
Kapitel 4 VERWIRRENDE BOTSCHAFTEN DESTABILISIEREN
Was veranlasst Gläubige, extreme Entscheidungen zu treffen?
Es sind sublime Botschaften. Der Duden umschreibt sublim: erhaben; fein; nur einem feineren Verständnis oder Empfinden zugängig.
Durch sublime Botschaften wird zu extremem Handeln manipuliert. Es wird keine direkte Anweisung gegeben. Die Gruppenerwartung veranlasst zur gewünschten Schlussfolgerung. Manipulation durch gruppendynamische Prozesse. Durch Gewissensfragen wie: möchtest Du nicht auch Jehova gefallen? Sicher willst Du Satan keinen Raum geben, usw., wird signalisiert, welche Entscheidung erwartet wird. Siehe Anhang „Parameter“, Frage 16
Jehovas Zeugen sind mit ihrem gut geschulten Gewissen diesem feineren Verständnis oder Empfinden zugänglich, denn sie werden geschult, Zusammenhänge aus dem Inhalt der Belehrungen herzustellen.
Versuchen wir am Beispiel eines Artikels aus dem Wachtturm vom 15. Februar 2011, diese feinen, sublimen Botschaften zu analysieren.
Der Artikel hat die Überschrift:
„Gottes Anerkennung zu gewinnen bringt ewiges Leben ein“
Welche Botschaft signalisiert dieser Titel? Gewinnen ist sicher nicht im Sinne eines Lottogewinnes gemeint. Es soll wohl bedeuten, dass der Lohn ewiges Leben und Anerkennung auch einen Einsatz erfordert.
Was unter dem Einsatz zu verstehen ist, kann dann von dem Beispiel abgeleitet werden, das zur Einleitung der Abhandlung gebraucht wird:
„Die Frau und ihr Sohn hatten Hunger. Gottes Prophet aber auch. Sie suchte gerade ein wenig Feuerholz zum Kochen zusammen, da bat Elia sie um Wasser und Brot. Sie war zwar bereit, ihm etwas zu trinken zu geben, doch alles, was sie noch zu essen hatte, war, eine Handvoll Mehl in dem großen Krug und ein wenig Oel in dem kleinen Krug. Diese Witwe in Zarephath konnte es sich eigentlich nicht leisten, dem Propheten etwas abzugeben, und ließ ihn das auch wissen (1. Kö. 1Zg-12). 2 Doch Elia beharrte auf seiner Bitte:, Mache mir von dem, was da ist, zuerst einen kleinen runden Kuchen, und du sollst ihn zu mir herausbringen, und für dich und deinen Sohn kannst du danach etwas machen. Denn dies ist was Jehova, der Gott Israels, gesprochen hat: ‚Der große Mehlkrug selbst wird nicht erschöpft, und der kleine Ölkrug er wird nicht leer werden.’. (1. Kö.1213,14)“.
Die Geschichte spricht das Gefühl an. Eine arme Witwe und ihr Kind. Sie bereitet mit ihren letzten Vorräten eine Mahlzeit für den Propheten – wir verstehen – der Einsatz ist: Alles was wir haben. Dass diese Schlussfolgerung kein Missverständnis ist wird in den folgenden Ausführungen deutlich:
„Bei der Entscheidung, vor der die Witwe stand, ging es um viel mehr als nur um die Frage: ‚Was mache ich mit meinem letzten Bissen Brot?’ Sie musste sich überlegen, ob sie darauf vertrauen wollte, dass Jehova sie und ihren Sohn retten würde, oder ob materielle Bedürfnisse ihr wichtiger waren als die Anerkennung und Freundschaft Gottes.“
Eine unzweideutige Erklärung dafür, wie das Beispiel der Witwe anzuwenden ist.
„Jeder von uns heute steht vor einer ähnlichen Frage. Was liegt uns mehr am Herzen: dass sich Jehova über uns freuen kann oder dass wir materiell abgesichert sind? Wir haben allen Grund, unserem Gott zu vertrauen und ihm zu dienen. Was können wir denn dafür tun, sein Wohlgefallen zu finden?“
Ohne Umschweife wird diese Begebenheit in unsere Zeit übertragen. Mit der Behauptung, jeder von uns muss sich heute eine ähnliche Frage stellen. Der Wunsch und die vernünftige Absicht, für eine materielle Absicherung zu sorgen, freut Jehova offenbar nicht. Die sublime Botschaft ist: Du hast doch kein Vertrauen zu Gott, wenn Du selbst für Deine materiellen Bedürfnisse im Alter vorsorgst.
„Würdig, angebetet zu werden. Jehova erwartet zu Recht, dass Menschen ihm so dienen, wie er es sich wünscht.“ […]
In diesem Satz wird zwar nicht bewiesen, dass Jehova nur eine Anbetung von armen Menschen oder Witwen wünscht. Es wird auch nicht offen so gesagt. Auch hat es wohl wenig mit dem Predigen der Guten Botschaft zu tun, dass eine Frau in Zarephat für einen hungrigen Gast eine Mahlzeit kochte. Aber die sublime Botschaft könnte lauten: Wenn ich mich beruflich engagiere statt als Pionier zu arbeiten oder vermehrten Dienst zu tun, dann tue ich etwas, was Jehova nicht wünscht.
„Der Mensch ist von Gott mit einem freien Willen ausgestattet worden, mit der Fähigkeit, zu denken und zu entscheiden.“ […]
Wer glaubt, seine Entscheidung sei sein freier Wille, hat es sehr viel schwerer einen Irrtum zuzugeben oder eine Entscheidung zu korrigieren. Einen Befehl kann man hassen und ungehorsam werden. Aber eine eigene Entscheidung mit freiem Willen zu korrigieren, erfordert die Einsicht, im Unrecht oder im Irrtum gewesen zu sein. Eine wirksame Methode der Immunisierung gegen Kritik von innen und außen ist es deshalb, beim Mitglied den Eindruck zu erwecken, die Entscheidung erfolge aus eigenen freien Stücken.
Vordergründig eine klare Feststellung. Sublim jedoch auch ein erhobener Zeigefinger. „Wenn Du Dich falsch entscheidest, bist Du selber schuld“. Was man in Verbindung mit der Rückblende bis zu Adam und Eva und durch die Verknüpfung mit all den anderen Lehraussagen, an die man sich automatisch erinnert, auch nicht mehr bezweifelt.
„ … So ähnlich brachte Adam mit seiner Sünde alle seine Nachfolger um die Aussicht, ewig in Glück und Vollkommenheit zu leben. Wegen seiner Selbstsucht leidet die Menschheit seitdem unter der Unvollkommenheit wie unter einem grausamen Sklavenhalter. Niemandem