Nachdem sie die Bücher daraufhin nachgeschlagen hatten, bekam ich die Antwort: »Dr. Smith«, sagten sie, »im verflossenen Jahre haben Sie 45 000 Dollar für Ihre Arbeit in der Heimat verbraucht.«
Dann stellte ich meine zweite Frage: »Wie viel Geld wurde auf die Missionsfelder geschickt? Wie viel wurde für die Missionsarbeit aufgebracht?«
Die Antwort lautete: »In dem verflossenen Jahr haben Sie 298 000 Dollar für die Mission gegeben.«
»Das ist fein«, sagte ich. »Aber haben Sie sich auch gewiss nicht geirrt? Haben wir nicht 298 000 Dollar für uns selbst gebraucht und nur 45 000 Dollar für die Mission gegeben?«
»Nein«, sagten sie, »wir haben uns nicht geirrt. Sie haben 298 000 Dollar für die Mission gegeben und nur 45 000 Dollar für die Arbeit zu Hause verwandt.«
»Ausgezeichnet«, sagte ich darauf, »so ist es immer gewesen, und so soll es auch bleiben.« Und sollte jemals eine Zeit kommen, in der die Ältesten der ›Volkskirche‹ den Entschluss fassen würden, hier in der Heimat mehr Geld auszugeben, als an Gaben für die Missionsarbeit hinausgesandt wird, so werden sie augenblicklich mein Abschiedsgesuch erhalten. Ich wollte nicht Seelsorger an einer Kirchengemeinde sein, die in selbstsüchtiger Weise hier zu Hause mehr verbraucht, als sie in die jenseits liegenden Regionen schickt. Ich bin froh darüber, dass wir für die Mission 298 000 Dollar gegeben haben und für uns selbst nur 45 000 Dollar ausgelegt haben.
Als ich vor vielen Jahren Pfarrer an der »Volkskirche«
auf der Gerrardstraße wurde, hatte man mich über alles informiert, bis auf eine Ausnahme. Als ich dann am Sonntagmorgen meine Antrittspredigt halten sollte, kam der Kassierer mit sehr finsterer Miene auf mich zu. »Dr. Smith«, sagte er, »wir haben mit Ihnen alles besprochen, was über die Gemeinde zu sagen ist, bis auf einen einzigen Punkt.« Dann machte er eine Pause. Ich wartete, was er mir nun weiter zu sagen haben würde. Nach einem Augenblick fuhr er fort: »Diese Kirchengemeinde steckt tief in Schulden. Wir haben einige unbezahlte Rechnungen und haben nichts in der Kasse.« Dann schaute er mich erwartungsvoll an, als sollte ich jetzt meine Hand in die Tasche stecken, das Geld herausziehen, es ihm überreichen und ihn dann auffordern, jetzt spornstreichs hinzulaufen und die ausstehenden Rechnungen zu begleichen.
Stattdessen wandte ich mich um, stieg auf die Kanzel und betete im Gehen: »Herr, seit langer Zeit wollte ich es erproben, ob ein bestimmter Abschnitt in Deinem Wort sich bewahrheitet oder nicht.« »Sich bewahrheiten« meinte ich vom praktischen Gesichtspunkt aus. Ich stützte mich auf den Vers: »Trachtet am Ersten nach dem Reich Gottes (nach der Ausbreitung des Reiches Gottes über die ganze Welt), so wird euch solches alles zufallen!« An jenem Morgen hielt ich eine Missionspredigt.
Der Sonntagabend kam heran. Es war mein erster Sonntag. Eigentlich hätte ich eine evangelistische Botschaft bringen sollen, aber wieder fühlte ich mich innerlich gedrängt, über die Mission zu sprechen, und das tat ich auch. Dann bat ich die Leute, in der kommenden Woche jeden Abend wiederzukommen. Sie kamen, und am Montagabend wurde ihnen wieder eine Missionspredigt aufgetischt. Am Dienstag kriegten sie eine neue Dosis über die Mission. Am Mittwochabend mussten sie noch einer anderen Missionspredigt zuhören. Am Donnerstagabend – schon wieder Mission. Am Freitag war ihre Schar zusehends gewachsen, vielleicht trieb sie auch die Neugierde herbei, und wieder wurde ihnen eine Dosis über die Mission verabfolgt.
Ich glaube, dass sie dann wohl ihre Arme verschränkt haben und zueinander sagten: »Dieser neue Pastor, den wir da bekommen haben, ist aber doch ein komischer Kauz! Er scheint keine anderen Predigten auf Lager zu haben als nur über die Mission. Na ja, jetzt kommt bald sein zweiter Sonntag. Vielleicht hält er uns dann mal ’ne anständige Predigt, wie sich das gehört.«
Der zweite Sonntag kam herbei. Ich sehe alles noch so deutlich vor mir, als sei es gestern gewesen. Im Morgengottesdienst machte ich bekannt: »Wir halten heute drei Gottesdienste ab und werden drei Missionskollekten erheben: eine heute morgen, die zweite heute Nachmittag und die letzte heute Abend.« Da haben wohl manche von ihnen die Augen aufgerissen vor Erstaunen, aber ich hatte mein Werk einmal begonnen, unter Mithilfe eines Missionars eine Missionstagung abzuhalten, und ich wollte auch meinen Entschluss bis zu Ende durchführen. An jenem Morgen sprach ich über die Mission und ließ ein Missionsopfer einsammeln. Genauso machte ich es auch am Nachmittag und am Abend. Da war ich nun, sprach kaum ein Sterbenswörtchen über unsere Nöte in der Heimatgemeinde und nahm doch alles Geld, das ich nur von ihr bekommen konnte, für die Mission. Was war nun aber die Folge davon?
Sie bekamen solch ein lebendiges Interesse, wurden so aufgerüttelt und ringsherum wach, dass sie in immer größeren Scharen herbeiströmten. Seelen kamen zur Heilsgewissheit, und in sehr kurzer Zeit war in unserer Kirche der letzte Platz besetzt. Es dauerte nicht lange, da hatten sie die Sachlage erfasst, und sie fingen an zu geben, so viel zu geben wie nie zuvor, und innerhalb von wenigen Wochen war jede Schuld bezahlt und jede Rechnung beglichen, ohne dass kaum etwas über unsere hiesigen Verpflichtungen gesagt zu werden brauchte, und von dem Tage an bis zu diesem Augenblick haben wir das Wort »Schulden« in Verbindung mit unserem Werk und unserer Arbeit nicht mehr gekannt. Eins hatten wir gelernt: Wenn wir nur ernste Dinge an die oberste Stelle setzten, dann fing das Handeln Gottes an.
Die Not der Durchschnittskirchen besteht darin, dass bei ihnen das Pferd am Schwanz aufgezäumt wird, und dann soll der Pfarrer aufsteigen und losfahren. Kein Wunder, wenn er nicht weiß, wie er das Gefährt in Gang bringen soll. Wenn wir nur die ganze Sache umdrehen und Gottes Plan annehmen wollten, dann würden wir es schon zu etwas bringen und leicht vorwärtskommen. Trachtet zuerst nach der Ausbreitung des Reiches Gottes auf der ganzen weiten Welt, und alles andere wird euch zufallen. Gottes Programm versagt nie.
Sollte ich einmal an eine andere Gemeinde berufen werden und diese Gemeinde verschuldet antreffen, so würde ich wieder ganz genauso handeln wie vorher. Ich würde eine große Missionstagung abhalten, so viel Geld wie nur eben möglich für die Mission sammeln und dann erwarten, dass Gott mir zu Hilfe kommt und für die Verpflichtungen in der Heimatgemeinde Sorge trägt – und Gott würde mich nicht im Stich lassen. Unsere Aufgabe ist es einzig und allein, den wichtigsten Dingen den ersten Platz einzuräumen und dann zuzuschauen, wie Gott für uns handelt.
Die Gemeinde Jesu Christi
Als drittes Wort möchte ich das Wort »Gemeinde« hervorheben. »Die Hauptaufgabe der Gemeinde Jesu Christi ist die Evangelisierung der Welt.« Wenn ich an die Gemeinde denke, so meine ich die ganze Gemeinde Jesu Christi und nicht nur einen besonderen Zweig oder eine Organisation innerhalb der Gemeinde. Wir haben z. B. keinen Frauen-Missionsbund in unserer »Volkskirche«. Wir haben bis jetzt keine derartige Organisation gehabt und werden sie auch nicht einführen. Es ist nicht etwa so, als sei ich ein Gegner einer solchen Einrichtung. Ich bin Gott sogar sehr dankbar für jeden Frauen-Missionsbund. Manchmal wird das missionarische Licht nur noch in einem Frauen-Missionsbund auf den Leuchter gestellt und scheint dann von da aus in die Gemeinde; aber ich will euch in zwei Minuten beweisen, warum wir eine solche Organisation nicht gebrauchen können.
Angenommen, ich sollte jetzt eine kleine Gruppe Frauen um mich sammeln, etwa ein Dutzend oder mehr, und sollte dann zu diesen Frauen sagen: »Ihr bildet also von nun an einen Frauen-Missionsbund, und eure Aufgabe besteht in der Evangelisation der Welt. Das ist alles, was ihr zu tun habt, nicht mehr und nicht weniger, als gerade die Welt zu evangelisieren.« Was sollten wir denn dann allen übrigen Gemeindegliedern sagen und all den anderen Organisationen in der Gemeinde? Wir müssten ihnen dann sagen: »Das ist nicht die allerwichtigste Arbeit, die der Gemeinde übertragen ist, sondern nur eine Nebenaufgabe, gerade eine einzige von den vielen Verpflichtungen, die die Gemeinde zu erfüllen hat. Diese Frauen sollen sich nur darum kümmern. Sie können die Evangelisierung der Welt übernehmen, und alle anderen – besonders wir Männer –, wir wollen wirklich etwas unternehmen, was unserer Mannesehre würdig ist.«
Nein, meine lieben Freunde, so geht das nicht! Jeder Mann und jede Frau meiner Gemeinde ist Glied des Frauen-Missionsbundes, und ich sorge dafür, soweit es nur möglich ist, dass jeder von den achtzig und mehr Mitgliedern meines Chores seine und ihre