Dämonicon streckte Brando seine rechte Hand entgegen. Der Halbriese ergriff sie und er grinste dabei den schwarzen Prinzen an. »Mein Volk und ich, wir werden dich nicht enttäuschen«, sprach Brando. »Wir stehen in deiner Schuld und wir werden für dich kämpfen.«
Dämonicon lächelte ebenfalls und er nickte dem fast gleichgroßen König der Halbriesen zu. Einige Krieger brachten Kleidung und Essen für Brando und Laygon rief die nächsten Seelen herbei.
Zwei Stunden später begannen die ersten Halbriesen, neben dem unsichtbaren Bluthort ihr eigenes Lager aufzubauen. Sie errichteten Zelte und entzündeten große Lagerfeuer. Dann gingen sie auf die Jagd, denn es kamen immer mehr Krieger von ihrem Volk dazu.
Da die Anzahl der Halbriesen in den nächsten Tagen schnell zunahm, blieben ihre Jagdzüge nicht unbeobachtet. Verborgen hinter Bäumen und Sträuchern, wurde ihr Lager von zwei Gestalten beobachtet, die kaum glauben konnten, was sie da sahen. Diese Gestalten waren selbst auf der Jagd und sie hatten nur durch Zufall das Lager gefunden.
»Schau nur Falk, es werden immer mehr von diesen großen Kerlen«, flüsterte Sybilla ihrem Liebsten zu.
Der Elfenkrieger drückte mit seinen Händen vorsichtig die Zweige eines großen Gebüsches zur Seite. Dann sah er sich die Halbriesen in aller Ruhe an. »Es sieht so aus, als würden sie aus dem Nichts kommen«, flüsterte er zurück. »Soweit ich mich erinnern kann, stand hier irgendwo in dieser Gegend eine alte Festung. Die kann doch nicht verschwunden sein?«
Die weiße Elfe machte Falk auf einen der Halbriesen aufmerksam, der durch den hohen Schnee in ihre Richtung stapfte. Er hatte einen großen Speer bei sich und seinen braunen Ledersachen sah man schon von weitem an, das sie neu waren. Sicherlich ging er gerade auf die Jagd.
Falk ergriff Sybillas linke Hand. Er zog sie weg von dem Gebüsch. Sie stellten sich hinter eine dicke Eiche. Dann ließen sie den ahnungslosen Jäger vorbeigehen. Als er hinter den Bäumen und Büschen des Waldes verschwunden war, sahen die beiden Elfen noch einmal zum Lager. Die Rauchsäulen mehrerer Feuerstellen stiegen zum Himmel und der Geruch von gebratenem Fleisch wehte herüber.
So ahnungslos, wie Falk und Sybilla dachten, war der Jäger wohl doch nicht. Plötzlich tauchte er hinter ihnen wieder auf. Er rannte brüllend auf sie zu und sein Speer verfehlte Falk nur knapp. Krachend schlug die Waffe in der Rinde der Eiche ein. Sofort stiegen die Elfen auf ihre Flugschilde und sie flogen in eine sichere Höhe. Erst dann schossen sie mit ihren Bögen auf den Halbriesen. Doch der Jäger nutzte die Bäume als Deckung und die Elfen flogen davon, ohne ihren Angreifer getroffen zu haben.
Zielstrebig flogen Sybilla und Falk nach Ando-Hall, der Stadt der Nachtaugenriesen. Dort wurden sie von Fürst Artem und zahlreichen weiteren Riesen bereits erwartet.
Als die beiden Elfen berichteten, was sie gesehen hatten, schüttelte der Fürst seinen massigen Kopf und er zwinkerte aufgeregt mit seinem Nachtauge, das sich auf seiner Stirn befand.
»Bei unserem Schöpfer! Es ist kaum zu glauben!«, fluchte Kalon, der Tempelherr von Ando-Hall, sofort los. Er stand neben dem Fürsten. »Da lässt man euch zwei Elfen auf die Jagd nach einem leckeren Rehbock gehen und ihr kommt ohne Beute und dafür mit einer so schlechten Nachricht zurück!«
»Seid ihr euch sicher, dass ihr wirklich Halbriesen gesehen habt?«, fragte Artem und er zwinkerte wieder mit dem Nachtauge.
Sybilla wurde jetzt leicht ungehalten. »Natürlich waren es Halbriesen!«, fuhr sie den Fürsten an. »Wir wissen doch, was wir gesehen haben! Oder haltet ihr uns für verrückt?!«
Artem hob beschwörend die Hände. »Oh nein!«, rief er so laut, dass sich Falk die Ohren zuhielt. »Das würde ich nie wagen! Ihr seid unsere Gäste und es tut mir leid, dass ihr in Gefahr gekommen seid. Ich kenne die Halbriesen nur aus den Erzählungen meines Großvaters und wir dachten immer, dass sie alle längst erschlagen und gestorben sind.«
Cromber, der Onkel des Fürsten, kam aufgeregt angelaufen. Nach Luft ringend, stellte er sich neben den Fürsten und sogleich sprudelten seine Fragen aus ihm heraus. »Habe ich richtig gehört? Die Halbriesen sind wieder da? Habt ihr sie wirklich gesehen?«
Falk verdrehte bei diesen Fragen seine Augen und Sybilla stellte sich herausfordernd vor den viel größeren Cromber auf. »Nein, das haben wir nicht! Uns ist der Mond auf den Kopf gefallen und jetzt erzählen wir nur noch Unsinn! Verstehst du mich, mein kleiner dicker Cromber?!«
»Ist ja gut«, versuchte Cromber zu beschwichtigen. »Ich hab ja nur mal gefragt. Außerdem ist das eine sehr wichtige Nachricht. Wir müssen uns mit unseren Freunden beraten. Jemand muss sie benachrichtigen.«
»Das übernehmen wir«, rief Falk. »Sybilla kann beim Fliegen ihr erhitztes Gemüt etwas abkühlen und vielleicht erwischen wir doch noch einen Rehbock. Dann können wir auf eure ewigen Wildschweine verzichten.«
»Fliegt immer in Richtung Bochea«, meinte Artem. »Mit etwas Glück werdet ihr auf sie stoßen.«
Die Riesen sahen den beiden Elfen nach, als sie davon flogen. »Warum war das Mädchen nur so aufgebracht?«, fragte Cromber den Fürsten und Kalon.
Artem fing an zu lachen und der Priester antwortete mit einem Lächeln. »Sie ist eben eine temperamentvolle junge Elfenfrau. Sie braucht keinen besonderen Grund. Sie folgt einfach ihren Launen.«
»Na toll«, maulte Cromber los. »Und ich muss diese Launen dann ertragen. Ein Grund mehr, sich keine eigene Frau anzuschaffen.«
Artem klopfte seinem Onkel lachend auf die Schulter. Doch das Gelächter hörte schnell auf, als ein verwundeter Krieger einen gefangenen Schattenalp anschleppte. Sofort versammelten sich die Riesen wieder auf dem großen Platz vor dem Eingang des Tempels.
Der Schattenalp war mit beiden Händen an einen Speer gebunden worden. Es sah aus, als wäre er gekreuzigt worden. Zitternd vor Kälte sank er vor dem Fürsten auf die Knie. Seinen Kopf hielt er gesenkt. Er wusste bestimmt, was ihn erwartete, denn er sagte kein einziges Wort.
Artem fragte ihn nach seinem Namen, doch er bekam keine Antwort. Der Fürst packte ihn und zog ihn an den Haaren hoch, so das der Schattenalp in der Luft zappelte. Dann fragte Artem erneut nach seinem Namen. Doch der Schattenalp spuckte ihm ins Gesicht.
Angewidert ließ der Fürst den Schattenalp los, sodass er in den Schnee zurückfiel. »Schafft mir diesen Dreck aus den Augen und verscharrt ihn irgendwo im Wald!«, sprach er voller Verachtung.
Zwei Riesen ergriffen den Schattenalp und schleppten ihn sofort weg. Der verwundete Riese sah ihm für einen kurzen Augenblick nach. Dann wendete er sich seinem Fürsten zu. »Dieser Mistkerl hat mich mit zwei von seinen Freunden im Wald überfallen. Die anderen zwei Schattenalp habe ich erschlagen und den Wölfen überlassen. Und den dritten Kerl wollte ich dir zeigen, mein Fürst. Diese Brut wird immer dreister.«
»Ja, das stimmt«, erwiderte Artem. Er hockte sich hin und steckte seine Hände in den Schnee. Er war frisch gefallen und als er sich mit ihm sein Gesicht abrieb, erfrischte es ihn. Die Freunde fielen ihm wieder ein. Hoffentlich konnte er sich bald mit ihnen treffen. »Ich muss mich mit Tritor beraten. Was wir jetzt brauchen, ist das Erbe unserer Ahnen.«
Der verwundete Riese trat erschrocken einen Schritt zurück. »Das Erbe …«, flüsterte er so leise, dass er seine eigenen Worte kaum vernahm. Dann sah er zu seinem Fürsten. »Ich hoffe, du handelst ebenso weise, wie es einst unsere Ahnen taten«, sprach er zu Artem. Dann ging er zu seiner Familie.
Das schwarze Portal
Die Nacht war gekommen und die zahlreichen Lagerfeuer erhellten die gesamte Umgebung. Zufrieden betrachtete Dämonicon die fünftausend Halbriesen, die sich in ihrem Lager aufgestellt hatten. Neben ihm stand Brando, mit einer großen Streitaxt in der rechten Hand. Mit ihr zeigte er zu seinen Kriegern.
»Sie werden für dich kämpfen und sie werden siegen«, sprach der König der Halbriesen zu Dämonicon. »Jeder von ihnen hat die Kraft von zehn Elfen. Sie waren schon zur Zeit der Erz-Elfen gefürchtet und schon bald wird ihr blutiger Ruf ihnen wieder