»Hol dir zuerst die Seele des Königs Moragh. Sein Sohn Arran wird ihm folgen und mit ihm alle Kriegerseelen«, sprach der schwarze Prinz zu dem Magier.
»Oh ja, so werde ich es machen«, antwortete Laygon. »Wenn wir erstmal den König der Urtaren haben, so haben wir das gesamte Volk. Sie werden ihm folgen, wie die Bienen dem Honig.«
Laygon rief mit der Hilfe des Seelenfinders die Seele von König Moragh herbei. Das war noch recht leicht, doch der Magier musste Moragh zum Bleiben überreden. Wie ein blasser Nebelschleier schwebte die Seele des Königs vor dem Magier und dem schwarzen Prinzen.
»Was wollt ihr von mir?«, fragte die Seele. »Ich will nicht von euch gestört werden. Also lasst mich gehen.«
»Das können wir nicht«, entgegnete Laygon. »Wir brauchen deine Hilfe. Und deshalb machen wir dir ein Angebot, das du nicht ausschlagen solltest.«
»Was für ein Angebot soll das sein?«, fragte die Seele.
Dämonicon trat einen Schritt auf Moraghs Seele zu. »Wir bieten dir und deinem Volk die Rückkehr in unsere Welt an«, sprach er mit leiser Stimme. Trotzdem erzitterten die Mauern des Bluthortes. »Du kannst an unserer Seite kämpfen und du wirst erneut als König der Urtaren den Kriegsschrecken in die Welt tragen, für den dein Volk einst gefürchtet war.«
Soweit es zu erkennen war, schüttelte Moragh den Kopf. »Nein, das ist längst vorbei«, gab er zur Antwort. »Mein Volk hat in dieser Welt nichts mehr verloren. Wir haben den Preis für unsere Taten bezahlt und unsere Seelen bleiben, wo immer sie sind.«
Die Seele verschwand und Dämonicon sah den Magier wütend an. »Das ist nicht das Ergebnis, das ich wollte«, knurrte der schwarze Prinz.
»Da gibt es noch eine zweite Möglichkeit«, erklärte Laygon schnell. »Die Halbriesen sind ebenfalls gute Kämpfer. Sie sind größer und stärker als die Urtaren. Und wir haben bei ihnen einen Vorteil.«
»Ach was?«, fragte Dämonicon sofort. »Einen Vorteil haben wir bei ihnen? Und welcher Vorteil soll das sein?«
Laygon räusperte sich etwas verlegen. »Nun ja«, begann er zu antworten. »Sie sind erheblich dümmer, als die Urtaren.«
»Das ist ja nicht zu fassen!«, ereiferte sich Dämonicon. »Was soll ich den mit Kriegern anfangen, die beinah so blöd wie die roten Kriegstrolle sind!?«
Die Mauern des Bluthortes erzitterten erneut und Laygon ging vorsichtshalber einen Schritt zurück. »Ich weiß, dass die Halbriesen nicht sehr schlau sind. Doch vielleicht kann man sie deshalb besser lenken und leiten. Außerdem werden aus ihnen sowieso Wehralps entstehen, sobald sie auf der Insel sind. Dann kann uns ihre Dummheit doch egal sein. Für das Gift, das nur die Fürstin Monga brauen kann, habe ich alle Zutaten bereits zusammentragen lassen. Sieben Wagenladungen sind es insgesamt.«
Dämonicon sah den Magier in die Augen. »Hm, na ja, da ist was dran«, meinte er nachdenklich. »Doch für diese Halbriesen brauchen wir größere Gruben.«
Laygon kümmerte sich um die Gruben und die Zutaten und Monga sah zusammen mit Vagho vom Wehrgang dem munteren Treiben zu. Dämonicon ließ sich einen großen Stuhl bringen, der sein Gewicht aushalten konnte. Von einer Ecke des Festungshofes sah er ebenfalls den Kriegern zu.
Als alle Arbeiten erledigt waren, kam Laygon mit dem Seelenfinder auf den schwarzen Prinzen zu. »Jetzt werden wir gleich wissen, was unsere Mühen wert sind«, sprach er zu Dämonicon. »Ich bin mir sicher, dass Brando, der König der Halbriesen, leichter zu überzeugen ist.«
Der schwarze Prinz war erstaunt, wie leicht sein Magier die Seele von Brando rufen konnte. Sie war deutlicher zu sehen, als die Seele von Moragh. Und sie war dunkelgrau. Dämonicon stand von seinem Stuhl auf und betrachtete sie.
Laygon lächelte, als er erkannte, das Brando sich ihm zuwendete. »Du hast mich gerufen?«, fragte die Seele.
»Ja, das habe ich«, antwortete Laygon und er spürte sofort, dass Brandos Seele anders war, als die von Moragh. »Ich habe dich gerufen, weil wir dir ein Angebot machen wollen, dass du nicht ausschlagen solltest.«
»Ein Angebot?«, fragte die Seele weiter. »Was könnt ihr mir anbieten?«
»Es ist das Wertvollste, was wir dir geben können«, erklärte Laygon. »Du erhältst von uns die Gelegenheit, in unsere Welt zurückzukehren.«
»Ich kann zurückkehren?«, fragte Brando erstaunt. »Und was ist mit meinem Volk? Das kann ich doch nicht allein lassen?«
Dämonicon mischte sich jetzt ein. »Du würdest gern zurück in unsere Welt kommen?«, fragte er die Seele.
»Oh ja, das würde ich zu gern. Ich kann aber mein Volk nicht im Stich lassen.«, Brando wirkte irgendwie traurig bei seinen Worten. Er sah abwechselnd zu Dämonicon und zu Laygon.
»Ich glaube, wir können dir und deinem Volk helfen«, sprach der Magier. »Doch wir brauchen auch etwas von dir.«
»Ich verstehe euch«, erwiderte die Seele. »Ihr wollt mit mir einen Handel machen.« Brando sah den schwarzen Prinzen und seinen Magier unschlüssig an. »Was soll das für ein Handel sein?«, wollte er schließlich wissen.
Laygon schaute grinsend zu Dämonicon. Der schwarze Prinz bemerkte es und er erklärte deshalb Brando sofort, was er von ihm wollte. »Wir holen dich und dein Volk zurück in unsere Welt. Doch unsere Feinde werden sich gegen uns erheben wollen, wenn sie von unserem Handel erfahren. Jeden Halbriesen geben wir einen Nekromantenkörper. Er wird dann so groß und so stark sein, wie er es einst vor langer Zeit war. Doch dafür benötigen wir euren Schutz und eure Hilfe. Wenn ihr uns Waffenbrüderschaft schwört, so sind wir uns einig und wir können eure Körper herstellen. Zunächst holen wir dich und alle deine Krieger. Später, also nach dem Krieg, holen wir eure Weiber und eure Kinder, wenn ihr welche in eurem Seelenreich habt.«
Brando schwebte vor dem schwarzen Prinzen und seinem Magier. Er beugte sich ein wenig zu ihnen herunter. »Ich kann selbst als Seele wittern, dass in eurer Welt noch immer einige meiner alten Feinde leben«, sprach er mit brummiger Stimme. »Einer dieser Feinde ist eine Frau. Sie ist sehr schön und sie ist auch überaus klug und stark. Ihr Name ist Aurelia. Sie hat mich und viele meiner Krieger getötet, nach dem der Bund mit den Erz-Elfen brach und wir erneut gegen sie in die Schlacht zogen. Wenn ihr es schafft, alle fünftausend Seelen meiner Krieger in eure Welt zurückzubringen, schwöre ich euch Waffenbrüderschaft bis in den Tod.«
Dämonicon grinste Brando an und er breitete dabei die Arme aus. »Na siehst du!«, rief er so laut, dass der Bluthort wieder erzitterte. »Da haben wir ja schon unseren ersten gemeinsamen Feind. Ich kenne diesen Namen und ich weiß, dass sie eine verfluchte Bergnymphe ist. Und was die fünftausend Seelen deiner Krieger betrifft, die sind in zehn Tagen auferstanden. Wir geben euch Waffen und Proviant und wir schicken euch auf die Insel Selan. Dort wird das Schlachtfeld sein, denn dort lauern unsere Feinde. Wir werden bald alle auf der Insel ankommen und Seite an Seite in die Schlacht ziehen. Also, was sagst du, mein Freund Brando? Ist das ein guter Handel für dich?«
»Ja, das ist ein guter Handel«, sprach der König der Halbriesen. »Schafft meine Krieger und mich zurück in eure Welt und wir werden gemeinsam kämpfen.«
Laygon deutete auf eine Grube, in der alles für Brandos Rückkehr vorbereitet war. Ein Schattenalp schüttete Wasser in diese Grube und sofort stieg ein stinkender Rauch auf. Als sich dieser Rauch verzogen hatte, lag in der Grube ein großer Nekromantenkörper. Laygon erklärte Brando, dass er durch Mund des Körpers in seinen Kopf gelangen konnte. Erst dann würde er seine endgültige Gestalt annehmen.
Dämonicon erhob sich von seinem Stuhl. Er sah sich Brandos Auferstehung an. Der unansehnliche graue Nekromantenkörper wurde größer und seine Haut glänzte im hellen Braun. Der Kopf nahm die Gesichtszüge von Brando an und überall am Körper traten die Haare hervor. Sie wuchsen auf dem Kopf besonders dicht und struppig.
Brando reckte und streckte sich ausgiebig. Dann stieg er aus der Grube. »Endlich bin ich wieder am Leben!«, rief er, als er Dämonicon und Laygon erblickte.