Torus der Tloxi. Matthias Falke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Falke
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Научная фантастика
Год издания: 0
isbn: 9783957770301
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war G.R.O.M.« Und nach einer kleinen Pause setzte sie hinzu. »Ein G.R.O.M., der G.R.O.M. Du wirst feststellen, dass derartige Unterscheidungen bei ihnen keinen Sinn ergeben.«

      Und in diesem Augenblick begriff ich also, was das hieß, dass wir dabei waren, der Union eine galaktische Bedeutung zu geben. Wir waren nicht mehr allein. Und das, was uns bevorstand, ging über unsere Begriffe.

      Jennifer nahm ihr Board in die rechte Hand und versetzte mir damit einen liebevollen Klaps vor den Bauch.

      »Gut jedenfalls«, strahlte sie, »dass wir bei den informellen Vorgesprächen sind. Auf dem Kongress hättest du nicht so hereinplatzen können.«

      »Entschuldige mal«, rief ich. »Ich bin der Kommandant dieses Schiffes! Warum haben sie mich nicht vorgewarnt?!«

      »Du gehörst nicht zur offiziellen Delegation.« Sie zuckte die Achseln.

      »Du auch nicht«, gab ich zurück.

      »Nein«, sagte sie lapidar.

      »Und doch weißt du schon wieder viel besser Bescheid …«

      »Ich lese die Bulletins«, versetzte sie. »Jeden Morgen um sechs stellt Rogers sie ins Stabslog der Führungskräfte.«

      Ich schnitt eine Grimasse. »Da rasiere ich mich noch. Und dieses Diplomatengeschwafel interessiert wirklich keine Sau!«

      »Dann beschwer dich nicht.« Und damit ließ sie mich stehen.

      Ich begab mich zurück auf die Brücke und starrte missmutig in den Raum hinaus. Meine Adjutanten lenkten mich irgendwann ab. In einer Plasmakammer war die Druckanzeige ausgefallen. Ein Vorkammertest des Haupttriebwerks war deshalb nicht aussagekräftig und musste wiederholt werden. Zwei EVAs waren abgebrochen worden, weil sie in die Turbulenzen des Warptunnels geraten waren. Einer der Piloten hatte sich leicht verletzt. Und andere Dinge mehr.

      Am Nachmittag bekam ich eine Meldung auf den Schirm, der zufolge das fremde Shuttle abgelegt hatte. Ich stand auf und ging an die große Bugscheibe, die die Brücke überwölbte. Man sah das Shuttle sich mit konventionellem Antrieb entfernen und dann den Warpkern aktivieren, der den Korridor öffnete und es einige Parsec weit weg katapultierte. Es hatte nicht einen Meter mehr zurückgelegt, als die Bestimmungen über den Mindestabstand verlangten. Daran erkannte ich, dass auch der Pilot ein Tloxi sein musste.

      Und dann war es endlich so weit. Ich war pünktlich aufgestanden, hatte mich rasiert und gut gefrühstückt. Am liebsten hätte ich wieder die Galauniform angezogen, denn dieser Tage bedeutete mir mehr als die formelle Amtseinführung vor einigen Wochen. Aber Jennifer hatte es mir ausgeredet. Wir traten in der gewöhnlichen Kluft der fliegenden Crew auf die Brücke. Nur, den großen Stern anzulegen – das hatten wir uns nicht verkneifen können.

      Eine Stunde vor der Zeit begannen wir damit, die Instrumente zu prüfen und das Schiff für seine Rückkehr ins Leben vorzubereiten. Stabsbeamte, Offiziere und Adjutanten nahmen unsere Befehle entgegen und trugen sie bis in den letzten Winkel des kilometerlangen Titanstahlleibs der MARQUIS DE LAPLACE. Und das Schiff selbst reagierte auf jede unserer Eingaben, folgte jeder unserer Intentionen; es war wie ein zweiter, ungleich größerer Organismus, der sich um uns entfaltete und den unser gemeinsamer Wille beherrschte.

      Die Reaktoren waren bis zum Anschlag hochgefahren. Die Triebwerke hatten die Vorbrennphase durchlaufen und waren mit Plasma geflutet, das in der Temperatur der heißesten Sterne köchelte und nur darauf wartete, seine ungeheuren Energien freizusetzen. Alle Schotte waren geschlossen. Alle Mannschaften auf Station. Alle sekundären Fahrzeuge, von den Drohnen und Planetenfähren über die Shuttles bis zu den vier gewaltigen ENTHYMESIS-Explorern im Großen Drohnendeck, waren gravimetrisch vertäut; ihre Feldgeneratoren waren online auf die Automatik des Mutterschiffes geschaltet. Alle Kursberechnungen waren abgeschlossen und ruhten mit Millionen Back-ups in den Quantenspeichern der holografischen Zentralcomputer, die wie das Nervensystem eines lebenden Wesens über die gesamte Erstreckung des Schiffes verteilt waren. Ein Wort von mir, und die unfassbare Masse von Milliarden Bruttoregistertonnen hochreinen Titanstahls würde sich in Bewegung setzen und die Wissenschaftsstadt von zehntausend Einwohnern, die ihre Spanten beherbergten, über Tausende von Lichtjahren in einen anderen Quadranten der Galaxis tragen.

      »Vorstartroutine abgeschlossen«, meldete Jennifer von der Konsole des Ersten Offiziers.

      »Flexibler Start gemäß vorgelegtem Kursprotokoll«, sagte ich langsam.

      Wir sahen uns in die Augen. Wie lange hatten wir auf diesen Moment gewartet?

      Dann drückte ich das Kreuz durch, sah über die lang ausgezogene Schnauze der MARQUIS DE LAPLACE hinweg zum Sternenfeld, das jenseits der Neptunbahn lag, ohne zu flimmern, und sagte nur noch ein einziges Wort:

      »Jetzt!«

      Jennifer schob den Regler nach vorne und berührte drei oder vier Felder auf dem Hauptbedienplatz. Das war alles. Das Schiff setzte sich in Bewegung. Anfangs noch bei konventionellem Antrieb. Ich hatte es mir nicht nehmen lassen, eine kleine Schleife einzuprogrammieren und über den Bauplatz hinwegzuschweben. Wir grüßten die Schwesterschiffe, die Tag für Tag ihrer Fertigstellung entgegeneilten. Dann passierten wir Rogers’ Orbitalstation, die jetzt wieder als reine Bauhütte fungierte und lediglich ein paar Ingenieure beheimatete. Die Tloxi-Sonne fiel nach achtern ab. Schweigend zogen wir an ihr vorbei, wobei ich mit Genugtuung zur Kenntnis nahm, dass die Beschleunigung jetzt bereits spürbar war und dass die künstliche Sonne schnell zu einem unbedeutenden Lichtpunkt einschrumpfte.

      Und dann lag nur noch das Sternenfeld vor uns. Die neuartige Technologie, die die Tloxi der MARQUIS DE LAPLACE verpasst hatten, machte es möglich, stufenlos von Kleiner Fahrt bei konventionellem Antrieb zu beschleunigen, bei Großer Fahrt auf den oszillierenden Warpbetrieb zu wechseln und dessen Frequenz seinerseits zu steigern, bis er einen über Tausende von Lichtjahren pro Sekunde hinwegtragen würde. Dann würde man in den Korridoren zwischen den Galaxien dahingleiten können wie auf einer Segelyacht zwischen den Inseln eines Archipels.

      So weit ging unser Ehrgeiz heute nicht. Wir beschränkten uns auf unsere Milchstraße, von der wir kaum den halben Radius durchmaßen. Dennoch war es erhebend: Anders als beim klassischen Warp, bei dem man die gesamte Entfernung in einem einzigen Sprung überbrückte oder besser gesagt: durchtunnelte, eilte man beim oszillierenden Warp in einer raschen Abfolge kleiner Sprünge dahin wie ein Stein, den man flach übers Wasser schlenzt. Absolute Geschwindigkeit und Reichweite waren höher, der Energieverbrauch dagegen geringer. Und anders als beim herkömmlichen Warp, bei dem das Panorama verschwand und man für einige Augenblicke in schwindelndes Nichts hinausstarrte, blieb die Aussicht erhalten. Die Sterne, die noch unseren Eltern als fix gegolten hatten, rückten langsam von ihren Plätzen, setzten sich gemächlich in Bewegung, bis wir sie schließlich in rasendem Flug vorübereilen sahen.

      Es war, wie wenn man aus dem Zimmer tritt, den Hausflur durchmisst, die Tür öffnet und auf die Straße geht – und dann plötzlich mit Düsenantrieb die Stadt hinter sich lässt und bei mehrfachem Überschall den ganzen Kontinent überquert.

      Jennifer hatte keinen besonders hohen Oszillationstakt programmiert. Auch sie wollte den Trip genießen. Ohnehin dauerte es nur ein paar Augenblicke. Wir erreichten, was von der Erde aus das Sternbild Horus bildete, was im Raum selbst aber ein in der dritten Dimension weit auseinandergezerrtes Triangulum war. Ein Stern kristallisierte sich heraus. Indem er näher rückte und sonnenförmig wurde, unterschritt die Triebwerkstätigkeit schon wieder die Warpschwelle. Bei konventionellem Antrieb bogen wir in ein Doppelsystem ein. Die Feldgeneratoren verlangsamten uns weiter. Eine Struktur tauchte vor uns auf, die schon als Artefakt zu erkennen war, kaum dass sie mehr war als ein Punkt, der die Auflösung des menschlichen Auges übertraf. Schwer zu sagen, woran das lag. Natürlich wussten wir es. Aber irgendetwas sagte einem selbst auf Distanzen hin, die mit unbewehrten Sinnen kaum zu überwinden waren, dass das, was da vor uns im Raum hing, weder Stern noch Planet, weder Asteroid noch Komet, sondern ein künstlich geschaffenes Objekt war. Und als wir nahe genug heran waren, dass man Einzelheiten unterscheiden und die Dimensionen des Ganzen abschätzen konnte, blieb mir doch die Luft weg. Mein Gott!

      »Leitstrahl anfordern und Parkraum anfliegen«, sagte ich.

      »Automatik