Matthias Falke
Torus der Tloxi
© 2013 Begedia Verlag
© 2008 Matthias Falke
Umschlagbild - Alexander Preuss
Covergestaltung und Satz - Begedia Verlag
Lektorat - André Piotrowski
ebook-Bearbeitung - Begedia Verlag
ISBN-13 - 978-3-95777-030-1 (epub)
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Das ENTHYMESIS-Universum
Eine Science-Fiction-Saga in sieben Trilogien
1. Laertes
2. Exploration
3. Gaugamela
4. Zthronmic
- Torus der Tloxi
- Der Zthronmische Krieg
- Palisaden von S'Déro
5. Tloxi
6. Jin-Xing
7. Rongphu
Der Autor
Matthias Falke wurde 1970 in Karlsruhe/Baden geboren. Nach Abitur und Grundwehrdienst studierte er Musikwissenschaft, Literaturwissenschaft und Philosophie an den Universitäten Karlsruhe und Freiburg/Breisgau. Seit 1999 ist er freier Autor, Herausgeber und Übersetzer. Sein Stück »Kassandra-Szenen« wurde 2007 beim Ersten Autorenwettbewerb des Sandkorn-Theaters Karlsruhe mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Nach Ausflügen in nahezu alle literarischen Gattungen und Genres konzentriert sich Falke in den letzten Jahren zunehmend auf die Science Fiction. Seine Texte wurden mehrfach für den renommierten Kurd-Laßwitz-Preis nominiert.
Falkes Novelle »Boa Esperanca« wurde 2010 mit dem Deutschen-Science-Fiction-Preis als Beste Kurzgeschichte ausgezeichnet.
Matthias Falke ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Er lebt in Karlsruhe.
Kapitel 1 – Mr. und Mrs. Commodore
Clandestine Prophezeiung des Tloxi-Kontinuums vom 1. Runoff 13,12: »Und kommen wird das Hohe Paar und wird euch in die Freiheit führen. Aber hütet euch: Die Freiheit ist nicht die Freiheit, und auf den Krieg folgt immer der Krieg.«
Am 2. Takshin der Periode 10-293 erhob sich Pater Pu Rhea Bel von seinem Lager und striegelte sein peroxidfarbenes Haar. Er hatte im Stile jener Legenden geträumt, die ein Wiederanknüpfen an die Alte Zeit vorhersahen, und im Sich-Erheben hatte er begriffen, dass der Tag nicht mehr fern sein würde. Er streichelte seinen Meditationskaktus und sah dabei in die zinnoberrot erstrahlende Wüste hinaus. Hart und glanzlos, ein Kegel aus poliertem Platin, stieg die eisig brennende Sonne dieser lebensfernen Welt am Horizont herauf, dass die zinkroten Berge der östlichen Bruchzone Funken sprühten und die geborstenen Felsquader der Großen Ngév ihre violetten Schatten in den Grund schmolzen. Von seinem erhöhten Anwesen ging der Blick nach Süden, Tagesmärsche weit, wo die Stollen und Abraumhalden der Heiligen Minen unter dem Stahllicht lagen, das auch in der finstersten Mittagsglut nicht flimmern würde. Mit den Fingerspitzen zeichnete er langsam die filigranen und zerbrechlichen Glieder seines Kaktus nach und fuhr durch den weißen flaumigen Blütenschopf. Er begriff, dass Großes vor sich ging. Er begriff, dass sich vieles ankündigte. Er begriff, dass die Zeit der Stille vorüber war. Wieder einmal.
Auf der Raumstation Alpha Ceti Tau hatte sich die Katze Morgan schon seit achtundneunzig Umläufen unsichtbar gemacht. Kommandant Borissowitsch studierte missmutig die einkommenden Meldungen. Eher zufällig stieß dabei die Datumszeile in sein verschlafenes und übellauniges Bewusstsein vor. Dann horchte er auf. Drang nicht ein ausgesprochen klägliches Maunzen durch die leeren Stollen und Korridore der einhundertdreißig Teratonnen schweren Orbitalstation? Die Besatzung bestand nur aus zwölf Mann, die sich in dem Koloss aus Titanstahl verliefen wie ein Häuflein Versprengter auf einem eingefalteten und dunklen Kontinent. Ab und zu quälten sich Geräusche durch den ikosaedrischen Leib des Außenpostens, ein Winseln, als sei man in die Eingeweide einer leidenden Kreatur verschlossen. Aber das waren nur die Gezeitenkräfte, die das Artefakt auf seiner Bahn hielten und dabei sachte malträtierten. Und doch schienen sich animalische Laute unter das Stöhnen des Stahls zu mischen. Er stand seufzend auf, ließ die Konsole auf Automatik gehen und machte sich mürrisch auf die Suche.
Jennifer deaktivierte den oszillierenden Warp und ging auf konventionellen Antrieb. Die ENTHYMESIS verließ den Korridor und schwenkte in den Neptunraum ein. Als wären sie schockgefroren, rasteten die Sterne auf ihrer Drift ein und verwandelten sich wieder in den fixen Hintergrund, in die kalt glühende Signatur des Raumes, dessen unstoffliches samtiges Schwarz uns nach allen Richtungen und Dimensionen hin umgab.
»Rendezvous einleiten«, sagte ich.
Jennifer sah nicht von der Konsole des Hauptbedienplatzes auf. Ihr Pferdeschwanz pendelte leicht, als sie eine Anzeige zu ihrer Rechten ablas. Dabei wurde ihr Profil sichtbar, während ich in der Spiegelung der polarisierten Frontscheibe ihr kaum merkliches Lächeln sehen konnte, das wie ein Zahnstocher in ihrem linken Mundwinkel steckte.
»Routine aktiviert«, gab sie zurück.
Es war eine Formalie, dass ich ihr Kommandos gab, die sie längst ausgeführt hatte. Aber auch das gehörte zu den eingefahrenen Spielchen, die wir nach Jahrzehnten der interstellaren Exploration zelebrierten: dass ich Befehle erteilte, die sie um einige Sekunden antizipierte, und dass sie Meldung machte, obwohl das ebenso wenig nötig gewesen wäre.
Vor uns drehte sich die samaragdgrüne Sichel des Neptun, dessen Backbordseite fahl von der fernen Sonne angeschienen wurde. Links unten wanderte die ebenso feine Sichel des Triton langsam in den Planetenschatten hinein. Es war ein Bild von majestätischer Schönheit, das erhabene und lautlose Ballett zweier Körper, die hier seit Jahrmilliarden ihre Pirouetten drehten und die seit wenigen Dekaden die Zeugen menschlicher Aktivitäten geworden waren. Dieser Anblick: Die große heliumblaue und die kleine steinerne Kugel waren uns einmal das letzte Bild gewesen, das ein Verstoßener mit sich nimmt, der über die Schulter hinweg zu dem verschlossenen Stadttor seiner Heimat zurückschaut. Neptun und Triton waren uns wie Cherubim gewesen, die vor dem unbetretbaren Paradies des inneren Sonnensystems wachten, aus dem wir uns selbst nach dem sinesischen Annihilatorangriff vertrieben hatten. Für Jahre war der erdnahe Raum für uns tabu gewesen. Wir hatten in die Diaspora der extragalaktischen Weiten fliehen müssen, um dort den Gegenschlag vorzubereiten, der uns endlich wieder in unsere angestammten Rechte einsetzte.
»Keine weiteren Befehle«, sagte ich halblaut.
Obwohl ich hinter Jennifer saß, nickte ich bekräftigend. Sie konnte mich nicht sehen, aber auch diese Geste kannte sie.
»Leitstrahl aufgeschaltet«, erläuterte sie. »Übergebe an Tloxi-Kontinuum.«
Ich nickte noch einmal. Dann lehnte ich mich zurück. Das konnte jetzt noch einige Minuten dauern. Länger als der Flug von der Erde zur Neptunbahn. Es wurde ganz still auf der Brücke der ENTHYMESIS. Die Automatik blinkte und tirilierte. Rubinrote und strontiumgrüne Lichter flammten auf und erloschen wieder. Die Korrekturdüsen sprachen selbsttätig an und steuerten den Explorer in Feinarbeit auf seinen Annäherungskurs.
Ich warf einen Blick auf die Backbordseite der Brücke, wo einige Tloxi in lautlosem Stand-by verharrten. Sie rührten sich nicht. Nur ihre grün glühenden Augen verrieten, dass sie am Leben, besser gesagt: in Funktion, waren. Im Gegensatz zu Jennifer und mir, die wir von Gravigurten in unseren Sitzen gehalten wurden, standen sie frei und ungesichert da. Sie hatten einfach ihre persönlichen Feldgeneratoren online auf die Schiffsautomatik geschaltet und sie mit ihr synchronisiert. So wirkten stets die gleichen Kräfte auf sie wie auf die ENTHYMESIS. Solange wir nicht an einem Hindernis zerschellten, würden sie an Ort und Stelle bleiben, so als befänden wir uns auf einem festen Himmelskörper und nicht auf einem bulligen Schiff, das mit Mach dreihundert in die Scherkräfte am äußeren Rand des Gravitationstrichters eines Gasriesen eintauchte und schräg zu den Feldlinien