Führung - Bildung - Gesundheit. Robin J. Malloy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robin J. Malloy
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9783942064088
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und vermeidet Diskontinuität, wobei die Kontinuität von den Deutungsmustern abhängig ist: „Ein entscheidender Aspekt des Lernens im biographischen Kontext ist das Bemühen um die Kontinuitätssicherung. In der Kontinuität und Diskontinuität des eigenen Lebens bildet nämlich das Individuum seine Identität aus“ (Arnold 2003, S. 50). Die Deutungsmuster als Interpretation seiner selbst und der Umwelt dienen dazu, die Kontinuität des Individuums und damit seiner Identität selbst zu gewährleisten.

      In Verbindung mit dem Belastungs-Beanspruchungs-Modell kann also gesagt werden, dass die lebensgeschichtlich entwickelten Deutungsmuster dazu dienen, festzustellen, ob eine berufliche Herausforderung die Kontinuität des Individuums bewahrt oder zu einer Diskontinuität führt. Immer dann, wenn eine Person eine Aufgabe als Über- oder Unterforderung wahrnimmt, deutet dies darauf hin, dass die Aufgabenstellung nicht in das jeweilige Leistungsniveau der Person passt und somit eine Diskontinuität darstellt.

      Nach Arnold (1985) (siehe ebenso Oevermann 1973) entwickeln sich Deutungsmuster im Lebenslauf prozesshaft, wobei dieser Prozesscharakter durch vier Elemente näher gekennzeichnet wird:

      „Durch die gesellschaftliche Vermitteltheit, die Nachhaltigkeit früherer Erfahrungen, die Kontinuität und die relative Flexibilität von Deutungsmustern“ (ebenda, S. 63).

      Deutungsmuster werden durch die Gesellschaft vermittelt. Dazu gehören die Familie, die gesellschaftlichen Institutionen und – im Zusammenhang mit der Fragestellung der Arbeit – das jeweilige Unternehmen, die Behörde oder das sonstige Arbeitsumfeld. Darüber hinaus werden die Deutungsmuster maßgeblich von früheren Erfahrungen geprägt. Dabei können kognitiv und bewusst wahrnehmbare Deutungsmuster von latenten und emotionalen Deutungsmustern (zu den emotionalen Deutungsmustern siehe Kapitel 4) unterschieden werden. Erstere verfügen über eine gewisse Flexibilität, während letztere eher festliegen (vgl. neuere neurobiologische Erkenntnisse u. a. von Varela 1990):

      „Das hierarchische Prinzip dieser Ordnung kommt darin zum Ausdruck, dass es grundlegende bzw. ‚abgelagerte‘ Deutungsmusterkerne gibt, die sich wohl am nachhaltigsten den Veränderungen widersetzen und in ihren wesentlichen Bestandteilen auch eher latent sind. Erwachsene sind selten in der Lage, diese grundlegenden Deutungsmusterkerne ihrer Persönlichkeit selbst zu benennen. (…) Die ‚Nachhaltigkeit‘ (‚das Fortdauern‘) von Deutungsmustern weist allerdings darauf hin, dass die im Lebenslauf früh erworbenen Deutungen, die sog. Basispersönlichkeit besonders stark gegen Veränderungs- und Lernprozesse immunisiert“ (ebenda, S. 65).

      Zwar streben die Deutungsmuster nach Kontinuität, stehen jedoch in einer steten Auseinandersetzung mit der Umwelt (wie o. g.) und werden von ihr beeinflusst (vgl. Mayring 1990: Hermeneutische Spirale: Vorverständnis prägt Gegenwartsverständnis, Gegenwartsverständnis prägt Vorverständnis etc.):

      „Nach allem was wir wissen, scheint es so zu sein, dass individuelle Deutungsmuster in einem dialektischen Prozess entstehen, indem sich das individuelle Bewusstsein in einer kontinuierlichen und immer wiederkehrenden Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Anforderungen spiralförmig entwickelt. Man kann vermuten, dass im fortschreitenden Lebenslauf, bei fortschreitender Differenziertheit und Reflektiertheit eigener Deutungen die Möglichkeit zur Korrektur und produktiven Weiterentwicklung vorgegebener Orientierungen und Erwartungen zunehmen“ (ebenda, S. 64).

      Deutungsmuster, besonders die latent vorhandenen und emotional festgeschriebenen, sind gewissermaßen immunisiert, jedoch sind eine Korrektur und eine produktive Weiterentwicklung möglich. Diese produktive Weiterentwicklung ist nach Arnold (1985) von einer selbstreflexiven Kompetenz abhängig. D. h. je mehr ein Mensch willens und fähig ist, seine eigenen Deutungsmuster kritisch zu hinterfragen, desto größer ist die Chance der Weiterentwicklung. (Genau an diesem Punkt setzt diese Arbeit an: das Konzept des emotional-archetypischen Deutungslernens soll dazu dienen, den Erwachsenenpädagogen selbst und die Teilnehmer an einer Maßnahme der Erwachsenenbildung zu befähigen, ihre Deutungsmuster zu hinterfragen, um so ggf. eine Transformation der Bewertung der Situationen zu bewirken.)

      Es gibt jedoch auch latente Deutungsmuster, welche quasi gegen Veränderung immunisiert sind, weil sie durch ein sehr kritisches und krisenhaftes Ereignis in unserem Gehirn „eingebrannt“ sind.

      Im Hinblick auf die Veränderung von Deutungsmustern stellt sich also die Frage, inwiefern die Deutungsmuster von einem Menschen selbst erkannt werden (können) und mit welcher Intensität diese festgeschrieben wurden. Es muss also im Hinblick auf das Potential für Veränderungen der Deutungsmuster gefragt werden: „Basiert die jeweilige Deutung z. B. auf einem kritischen, krisenhaften und fatalen Erlebnis in der Kindheit oder wurde das Deutungsmuster im Verlauf der beruflichen Tätigkeit erst kürzlich entwickelt?“ Neben der Intensität der das Deutungsmuster prägenden Erfahrung ist die Möglichkeit der Reflexion und der Veränderung von Deutungsmustern von der selbstreflexiven Kompetenz abhängig, d. h. von dem Willen und der Bereitschaft des Einzelnen, die eigenen Deutungen zu hinterfragen und sich ggf. neue Deutungsmuster anzueignen. (Fraglich ist, wie genau diese selbstreflexive Kompetenz sowohl beim Erwachsenenpädagogen als auch beim Teilnehmer gefördert werden kann. Gerade diesbezüglich soll das Konzept des emotional-archetypischen Deutungslernens Aufschlüsse geben.)

      Deutungsmuster entwickeln sich biografisch im Lebenslauf durch Erfahrungen, welche auch emotional belegt sind. Neue Deutungsmuster, neue Wissensbestände werden nur dann aufgenommen, wenn sie zu den bisher vorhandenen „kompatibel“ sind, d. h. dort anknüpfen können. Hier kommen wir zu einem weiteren wichtigen Aspekt des Deutungsmusteransatzes: die Merkmale der Deutungsmuster.

      Nach Arnold (1985) verfügen Deutungsmuster (u. a.) über folgende Merkmale:

       Pragmatik (des Alltagswissens)

       Perspektivität (die Umwelt aus der eigenen Perspektive zu interpretieren und sich solche Sichtweisen und Argumente anzueignen, die diese eigene Perspektive bestätigen)

       Plausibilität (Lebensumstände plausibel zu machen)

       Komplexitätsreduktion (die Komplexität des Lebens zu reduzieren)

      Deutungsmuster haben den Zweck, erlebte Situationen plausibel zu machen und eine Interpretation der Umwelt aus der subjektiven Perspektive zu ermöglichen. Hier ist der Rückschluss auf den Konstruktivismus erkennbar: Wirklichkeit ist immer nur eine subjektive Interpretation der Umwelt oder der Umstände aus der eigenen Perspektive, welche auf den lebensgeschichtlich entwickelten Deutungsmustern beruht:

      „Die umgebende – ‚objektive‘ – Wirklichkeit ist dem einzelnen Menschen demnach nicht an sich zugänglich, sondern immer nur bereits vorinterpretiert auf dem Hintergrund seiner verfügbaren Deutungsmuster und lebensgeschichtlichen Erfahrungen“ (Arnold 1985, S. 29).

      Schüßler fasst die Funktionen der Pragmatik des Alltagswissens sowie die Komplexitätsreduktion wie folgt zusammen:

      „Menschen deuten ihren Alltag, um sinnhafte Bezüge herzustellen, die ein weiteres Handeln ermöglichen. Das Alltagshandeln ist allerdings darauf gerichtet in der Fülle situativer Lebensvollzüge möglichst rasch eine generelle Orientierung zu finden. Das Subjekt wäre handlungsunfähig, müsste es in jedem Augenblick darüber reflektieren, wie es eine Situation interpretieren und entsprechend handeln könnte. In seinem Bedürfnis nach Komplexitäts- und Problemlösungsreduktion greift es auf Deutungen zurück, über die es aufgrund von sozialen Erfahrung verfügt“ (Schüßler 1998, S. 90).

      Alle o. g. Punkte können unter dem Begriff „Viabilität“ (v. Glasersfeld 1992), also „(Über-)Lebensfähigkeit“ zusammengefasst werden.

      Werden jedoch die Deutungsmuster infrage gestellt, erfolgt eine Konfrontation (Perturbation, d. h. Störung von außen, welche eine systeminterne Selbstregulation hervorruft) mit neuen Deutungsmustern, oder aber erweisen sich die