Das Grimmingtor. Paula Grogger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paula Grogger
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783990402641
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und frug, welche von ihnen beim Magister als Grenznachbarn anrainten und dahero gewillt wären, demselbigen einige Klafter Land gegen rechtlichen Umtausch mit dem Stifte abzutreten.

      Da rührte sich abermals keiner. Sie hingen so zäh an Grund und Boden und steiften sich, als werde ihnen die Haut abgezogen. Endlich suchte Sebastian Zedler fürsichtig herauszubringen, was etwa dabei zu verhoffen wäre.

      Gotthard schaute den Pfleger an, und dieser antwortete zögernd: ein Stück vom Dienerfelde, sofern der Stralz als Pächter desselben nichts dagegen habe.

      Der Stralz sagte weder ja noch nein. Und der Gasteiger sagte, wann seine Alte einverstanden sei, alsdann ließe er aufs Jahr mit sich reden. Weiter nichts.

      Die gewichtigen Kirchenpröpste wurden dafür um so gesprächiger. Sie behandelten den strittigen Punkt mit vieler Umständlichkeit, immer auf das gleiche hinzielend, daß sie nämlich, falls es auf sie ankäme, sicher keine Wiese verschenken wollten, denn ihnen habe auch niemand keine geschenkt.

      Raimund Winkler gab ihnen bittere Blicke. Von der gesunden Selbstsucht dieser Bauernnaturen tief verletzt, nahm er die Sache viel ernster, als sie eigentlich war. Er hätte ihnen irgendein grobes Wort breitlachend ins Gesicht sagen sollen. Allein das konnte er nicht. Nein, ganz im Gegenteil, es nahm sein Wesen wieder den strengen, abgekehrten Zug an. Er krümmte die Finger zitternd unter dem langen verschlissenen Tuchärmel und bat den Prälaten, alsogleich den Vertrag aufsetzen zu dürfen, in selbigem er für die Genehmigung seiner Wünsche und Bedürfnisse auch zu entsprechender Gegenleistung sich verbinde, welche, so hoffe er, den Zorn seiner Widersacher einigermaßen besänftige.

      Ja, der Magister redete sich tiefer und inbrünstiger in seinen gewiß berechtigten Groll und schrumpfte nach Art empfindsamer Menschen in sich zusammen, weil andere ihn verdemütigt hatten. Sein Schriftstück fiel auch ganz in diesem Sinne aus. Während er nun in dem schweren, ehrwürdigen Stuhle des Abtes saß, indem sonst nur Bänke an der Wand herumstanden, und während die weiße Gänsefeder in widerspenstigen Schnörkeln über den Bogen floß, frug Gotthard die übrigen, ob sie vielleicht Anbot, Bitte oder Beschwerde fürzubringen hätten.

      »Hm?« frug der Berghammer zurück.

      Der Kurschmied Zedler explizierte ihm die Geschicht, worauf er bedächtig seine Zufriedenheit äußerte und die Versicherung beifügte, daß er mit Verlaub der geistlichen Obrigkeit auch weiterhin betläuten wölle, maßen sein Schlaf itzt rar werde und sein Gehör, das leider schon schwach und unverläßlich, gerade den Glockenruf wohltätig empfände.

      Der Prälat kannte den Dorfrichter seit einer Reihe von Jahren, ohne jemals eine Veränderung an ihm wahrgenommen zu haben. Das schüttere braune Haar, von nicht allzuviel weißen Fäden durchzogen, die stoppeligen, immer frischroten Wängelein, die Augen lebendig und hell, nahezu ein bißchen argwöhnisch, wie man’s bei Schwerhörigen öfter trifft, und seine Rüstigkeit ließen den Mann als Sechziger gelten. Aber Gotthard, der langjährigen Bekanntschaft ingedenk, sagte, ihn beim Rockknopf fassend und seine Stimme dem Ohre nähernd: schätzungsweise müßte der Berghammer schon ein hoher Siebziger sein.

      »Stark, stark!« entgegnete der Greis nickend. Just am Großen Frauentag hätt er das sechsundachtzigste Lebensjahr hinter sich gebracht.

      Das wäre ganz richtig, sagte der Bäck im Tore.

      Und der Bader Gasteiger meinte zuversichtlich, daß Lunge, Herz und Leber auch das hundertste übertauchten. Aber, weil es ihm soeben durch den Kopf führe, warf er plötzlich hin … mit dem bedauernden Beisatz, daß seine Rede sich zwar schlecht zu dem erquicklichen Thema reime … Aber, er wisse auch ein altes Bäuerl, Hochsattler benannt und in der Sölk wohnhaft, so geberg, daß es mit der Haue das Feld umbrachen und mit Steigeisen zur Mahd gehen müsse. Das besagte Bäuerl habe ihm des mehrern schon zu verstehen gegeben, daß die Hirsch und Rehe viel Getreid wegfräßen, sowann es auf dem Gumpeneck einen Augustschnee hat.

      Das machte der Bader dem Abte zu wissen, mit offener Bitte, daß die Herrschaft Gstatt den Wildschaden zahle, wenn man auch nicht genau eruieren könne, wessen die Hirsch und Reh gewesen. Und gemäß seiner Ehrlichkeit, sagte er zuletzt noch, daß er hiemit beim Hochsattler einer Dankesschuld sich entledigen möchte, weil derselbe alljährlich im Spätsommer den Hollerschnaps und den Kranewittern, so zu Medikamenten unerläßlich, ohne jedes Entgelt für ihn brenne und schon etliche Körblein voll Speik, Hauswurz und echten Enzian gepflückt und gedörrt hab.

      Der Abt nahm wieder sein beinernes Notiztäfelchen und verzeichnete diesen Punkt, dabei versprechend, daß er binnen weniger Tage seinem Pfleger ausreichende Vollmacht geben werde. Alsdann verstummte das Gespräch. Man hörte das Laub, wie es flatterte, und die Feder, wie selbige hart, achtsam oder unsicher über das Papier gelenkt wurde. Es richtete sich die Aufmerksamkeit der Bauern nun größtenteils auf den schreibenden Magister, und manch einer, der des Lesens unkundig, schaute ihm bedächtig über die Achsel zu. Und es schien, als habe ein jeder das Seinige ausgesprochen und abgetan, und sie warteten mit großer Geduld und Beschaulichkeit, bis Raimund Winkler fertig sei und Gotthardus sie insgesamt verabschieden würde. In dieser hölzernen starren Gepflogenheit waren sie bewunderungswürdig. Ob es nun Arbeit, Handel, Genuß oder Gebet, ja selbst Leiden oder letztes Ende war, sie hatten für dies alles Zeit und Weile. Keine Ader zuckte schneller; kein Nerv verwirrte sich. Doch eben in ihrer Ruhe lag die Kraft und Zähigkeit. Und sie lebten so sicher, weil sie so langsam lebten.

      Solche wie den Stralzen gab es freilich sehr wenige. Er war ein zum vollen Bewußtsein erwachter Mensch, welcher von seinem Gemüte das Weiche ausschied und von seinen Pflichten nur das Gesunde und Zweckmäßige tat. Ein hoher Baum, auf freier Weide wachsend, der von Winden und Wettern nur so viel nimmt, als er bedarf, der Regen und Sonne mit hunderttausend feinen Organen dürstend und andächtig, doch ohne zu danken, empfängt, der die Himmelsvögel und die häßlichen Raupen bewirtet und die vielfältigen kleinen Gräser mit seiner Krone überschattet, daß sie nicht leben und nicht sterben können.

      Und was der Stralz zum Prälaten sagte, geschah aus ebendemselben Gesetz, durch das ein Baum, wenn es an der Zeit ist, seine runden, roten Äpfelchen abfallen läßt, damit sie ihrem Zweck und dem Zweck der Natur Genüge tun. Nur daß der Stralz sich dessen, wie erwähnt, vollkommen bewußt war.

      Sein ältester Bub, so fing er zu reden an, wär itzt im fünfzehnten Jahr und verhalte sich der elterlichen Zucht gegenüber leider schon widerstrebend und despektierlich. Mit gesunden geraden Gliedern, einigem Mutterwitz und Verstand ausgestattet, mißbrauchte er aber solche Eigenschaften lediglich zu Spitzbübereien, so daß er von Stund an zu ernsthafter Arbeit müsse verhalten werden.

      Der Magister, so gerade aufstund, sich räusperte und seine Schrift dem Berghammer zur Unterzeichnung hinreichte, trat, von der klugen Äußerung des Stralzen erbaut, dem Zedler auf die Füße. Und entschuldigte sich höflichst. Der Kurschmied hatte weder das eine noch das andere bemerkt, sondern behauptete, mit dem ganzen Gesicht strahlend, daß sein Gödelkind, der Lukas, ein Prachtkerl wär.

      Da konnte Raimund Winkler nicht umhin, laut aufzuseufzen. Es brauchten alle drei Stralzenbuben tüchtig ihren Herrn, sagte er. Und von diesem speziellen Exempel und Casus abgesehen, rate er jedem Schüler, sobald er sein zwölftes Jahr erreicht, sich einer höheren Fortbildung zu unterziehen.

      Dies … pflichtete Vater Stralz mit Aufmerksamkeit bei … wäre seine Absicht und Beschließung. Die Wissenschaft über die Zustände des Lebens und der Natur sowie der Fertigkeit des Rechnens, Briefschreibens und Lesens stünde auch einem Bürger wohl an. Sollte aber sein Matthäus Fleiß und Findigkeit bekunden, alsdann wären ihm Vater und Mutter nie und nimmer hinderlich, geradewegs ein Studierter zu werden. Und er frage derohalben den hochwürdigen Prälaten, ob er gesonnen sei, das Kind in das Konvikt der Benediktinerabtei aufzunehmen.

      Das Stiftsgymnasium habe bekanntlich ein Dekret Josephs des Zweiten abgetan, sagte Gotthard. Ob er das nicht wisse? Freilich wohl, entgegnete der Stralz. Indem solches aber an zwanzig Jahre her sei, habe der Hochwürdige Herr Prälat sicher wiederum eine bessere Schule instand gesetzt, schon zum Zwecke, daß die Sängerknaben lehrreich abgerichtet würden.

      Der Abt sann eine Weile. Plötzlich aber schüttelte er den Kopf, als wenn er üble Gedanken fortwiese,